Soziales

Eigenständiges Leben trotz Behinderung

Menschen mit Lernschwierigkeiten werden in Kärnten oft in Einrichtungen untergebracht, auch wenn sie dies nicht wollen. Eine Forschungsgruppe der Uni Klagenfurt stellt zwei neue Projekte vor, die ein selbstbestimmtes Leben zum Ziel haben.

In Österreich ist die UN-Behindertenrechtskonvention seit Oktober 2008 in Kraft. Die Übereinkunft sieht vor, dass alle Menschen frei in der Wahl ihres Wohn- und Aufenthaltsortes sind. Menschen mit Lernschwierigkeiten, die mit intellektuellen Beeinträchtigungen leben, werden aber häufig in Einrichtungen untergebracht, ob sie das wollen oder nicht.

Leben außerhalb von Institutionen

Eine Forschungsgruppe an der Universität Klagenfurt wirft nun einen kritischen Blick auf diese Institutionalisierung. Mit zwei Projekten in Kärnten erlangen Menschen mit Lernschwierigkeiten nun schon deutlich mehr Unabhängigkeit. Ernst Kocnik forscht und lehrt im Arbeitsbereich „Sozialpädagogik und Inklusionsforschung“. Gleichzeitig ist er Obmann des Beratungs-, Mobilitäts- und Kompetenzzentrum (BMKz). Mit dem BMKz wurde er seitens des Landes mit der Umsetzung zweier Maßnahmen des Kärntner Landesetappenplans betraut, bei denen es darum geht, Menschen mit Lernschwierigkeiten auch Optionen eines Lebens außerhalb von Institutionen zu eröffnen.

Selbstvertretung für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Im Projekt „Mensch zuerst Kärnten“ geht es darum, erstmals in Kärnten eine unabhängige Selbstvertretung für Menschen mit Lernschwierigkeiten aufzubauen, so Kocnik: „Üblicherweise bekommen Menschen mit Lernschwierigkeiten für ihre Arbeit in Behindertenwerkstätten ein Taschengeld von 20 bis 40 Euro im Monat. Bei unserem Projekt sind hingegen drei, später vier, Personen in einem sozialversicherungsrechtlichen Dienstverhältnis mit 19 Wochenstunden pro Person angestellt."

Sie seien in den letzten zwei Jahren ausgebildet worden, um in Zukunft die Rechte von Menschen mit Lernschwierigkeiten zu vertreten. Ziel sei es, dass diese Personen dann in Einrichtungen gehen, um dort den Betroffenen die Möglichkeiten eines selbstbestimmten Lebens – mit Unterstützungsleistungen – aufzuzeigen.

Ausbildung zum persönlichen Assistenten

Ein anderes Projekt mit dem Titel „Persönliche Assistenz inklusiv“ bietet Menschen mit Lernschwierigkeiten eine Ausbildung, mit der sie später als persönliche Assistenten bzw. -assistentinnen von Seniorinnen und Senioren arbeiten können. Damit solle erreicht werden, dass ältere Menschen länger in den eigenen vier Wänden bleiben können und erst, wenn pflegerische Leistungen notwendig werden, zusätzliche Hilfe brauchen.

Auch in diesem Projekt seien die zukünftigen Assistenten regulär angestellt, so Kocnik. Es gehe um Lohn statt Taschengeld. Man wolle deutlich machen, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten eigenständig leben können. Der Aspekt der De-Institutionalisierung sei sehr wichtig.

Fachtag am 24. Juni

Die Projekte, sowie weitere Forschungsarbeiten, unter anderem aus dem Bereich der Wohnungslosenhilfe und zum Thema Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, werden im Rahmen des Sozialpädagogischen Fachtags am 24. Juni 2022 an der Universität Klagenfurt vorgestellt.