Schweinezuchtbetrieb Klagenfurt Land
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Chronik

Tierschutz: „Massentierhaltung am Ende“

Nach Bekanntwerden der massiven Missstände in einem Schweinemastbetrieb im Bezirk Klagenfurt Land hat die Behörde erste Maßnahmen gesetzt. Die kranken Tiere wurden behandelt und die Hygiene im Stall verbessert. Laut Tierschutzombudsfrau sei diese Art von Massentierhaltung am Ende, auch ein Verbot von Vollspaltböden wird gefordert.

Verdreckte Schweineboxen, blutige Schwanzstummel, eitrige Abszesse, schwere Augenentzüngungen – die Bilder aus dem Schweinemastbetrieb im Bezirk Klagenfurt Land sorgen für Entsetzen. Für Tierschutzombudsfrau Jutta Wagner sind die Zustände am Hof nicht entschuldbar. „Als Tierschutzombudsfrau habe ich absolutes Mitleid mit Tieren, die solche Qualen erleiden müssen. Ein solches Verhalten gegenüber seinen anvertrauten Lebewesen ist nicht entschuldbar.“

Das Problem seien überforderte Tierhalter, „wenn diese Menschen für sich selbst und für ihr Umfeld zu wenig Ressourcen haben, sind sie für ihre Tiere nicht mehr da“, sagte Tierschutzombudsfrau Jutta Wagner.

Tierschutz sieht „Landwirtschaft am Ende“

Nach Bekanntwerden der massiven Missstände in einem Schweinemastbetrieb im Bezirk Klagenfurt Land hat die Behörde erste Maßnahmen gesetzt. Die kranken Tiere wurden behandelt und die Hygiene im Stall verbessert. Laut der Tierschutzombudsfrau ist das ganze landwirtschaftliche System am Ende.

Amtstierärztin: Permanente Kontrolle nicht machbar

Die letzte Kontrolle des besagten Betriebs durch die Agrarmarkt Austria ist zwei Jahre her. Beanstandungen hätte es damals keine gegeben, heißt es von der AMA. Der letzte Amtstierarztbesuch ist fünf Jahre her. Es sind Bedingungen, die selbst die Amtstierärztin so noch nicht gesehen hatte. Selbst das Mindestmaß an Hygienestandards sei nicht eingehalten worden. Und das, obwohl der Betrieb von den Behörden immer wieder kontrolliert wurde, das letzte Mal 2017.

Überforderung des Halters

Grund für die aktuellen Zustände dürfte ein überforderter Tierhalter gewesen sein – solche Situationen könnten trotz Kontrollen immer wieder und auch sehr kurzfristig entstehen, sagt Amtstierärztin Christine Rossmann: „Es ist auch bei mir nicht ausgeschlossen, dass wenn ich bei der Tür hinaus gehe und eine Woche später passiert etwas in der familiären Struktur, dass dann ein Missmanagement stattfinden kann. Es ist immer eine aktuelle Vorort-Erhebung, ein aktueller Stand. Man kann nicht monatlich einen Betrieb anschauen, wir sind sehr wohl angewiesen auf Hinweise von Nachbarn oder dergleichen.“

So viele Kontrollorgane könne es gar nicht geben, um permanente Kontrollen zu gewährleisten. Aber auch die Amtstierärztin wäre für eine Verstärkung in ihrem Team dankbar.

Betrieb bleibt für AMA-Gütesiegel-Programm gesperrt

Wie es zu dem Vorfall kommen konnte, wird derzeit von der AMA, den Behörden und der Amtstierärztin untersucht. Von Seiten der Agrarmarkt-Austria bedauert man den Fall, befand sich der Betrieb doch im AMA-Gütesiegel-Programm. Die Agrarmarkt-Austria hat den Betrieb für das AMA-Gütesiegel gesperrt.

Pressesprecherin Manuela Schürr: „Solche Bilder tun uns natürlich extrem weh, deswegen war auch unsere erste Reaktion, den Betrieb aus dem AMA-Gütesiegel-Programm auszuschließen. Ich verstehe die Enttäuschung der Konsumenten. Wir können einfach nur versuchen, so gut wie möglich aufzuklären, rasch zu handeln und alles daran zu setzen, dass solche Fälle nicht mehr vorkommen.“

Ohne Beanstandung: AMA-Kontrollen alle drei Jahre

Wer sich im Gütesiegel-Programm befindet werde an sich regelmäßig kontrolliert. AMA-Sprecherin Schürr sagte: „Normalerweise haben wir einen Rhythmus von drei Jahren, wir sind alle drei Jahre auf Schweinemastbetrieben – das gilt aber nur für Betriebe, wo es überhaupt keine Beanstandungen gibt. Wenn wir bei Kontrollen Abweichungen feststellen, sind wir öfter auf den Betrieben. Das geht bis zu einmal im Jahr. Der Kärntner Betrieb wäre jetzt in den nächsten Wochen wieder zur Kontrolle angestanden.“

Bisher sei der Schweinemastbetrieb mit seinen knapp 300 Mastplätzen allerdings nicht auffällig gewesen. Er ist einer von 65 Betrieben in Kärnten, die das Gütesiegel tragen. Dass es zu einem Ausschluss kommt, ist selten. Die AMA-spricht von einem Einzelfall.

AMA sieht Betrieb als „absolute Ausnahme“

Schürr sagte: „Wir haben vier Kategorien. Null ist keine Beanstandung und vier ist der Ausschluss des Betriebs. Wir schauen uns sehr genau an, in welche Sanktionsstufen diese Betriebe fallen. Ein ganz großer Teil hat keine Beanstandung, fällt in die Stufe null, oder eins – da geht es um irgendwelche Dokumentationen. Wir haben im Jahr über alle Betriebe etwa zehn Ausschlüsse.“

Der Fall von Poggersdorf sei die absolute Ausnahme und nicht die Regel. Dennoch sieht man den Fall als Anlass, um mehr über Kontrollen nachzudenken. Hier sieht man auch die Politik gefordert, die mehr gesetzliche Kontrollen vorschreiben könnte, heißt es von der AMA.

NEOS: Zwei Drittel Haltung auf Vollspaltenböden

"Dass die Landwirtschaftskammer den Betrieb als Einzelfall darstellt, ist Realitätsverweigerung. Fast zwei Drittel aller Schweine werden in Österreich derzeit auf Vollspaltenböden auf geringster Fläche gehalten“, hieß es in einer Reaktion von NEOS-Tierschutz- und Konsumentenschutzsprecherin Katharina Werner.

Und zum AMA-Gütesiegel: „Das Siegel ist derzeit nicht mehr als ein Marketing-Gag. Die Standards sind zum großen Teil ident mit den gesetzlichen Mindestbestimmungen.“ NEOS pocht auf eine Neuausrichtung: „Was auf der Verpackung steht, muss auch drinnen sein. Wer ein Produkt mit dem AMA-Gütesiegel kauft, muss sich sicher sein können, dass dafür keine Tiere gequält wurden“.

NEOS fordert Reform des AMA-Gütesiegel

Es sei „unambitioniert“, Vollspaltenböden im AMA-Gütesiegel erst bis 2033 gänzlich zu verbieten. Es brauche hier einen schnelleren Wandel von Quantität zu mehr Qualität. „Wir müssen für Kostenwahrheit in der Produktion und im Transport sorgen. Die höheren Tierwohlstandards müssen den Landwirtinnen und Landwirten angemessen abgegolten werden. Viele Bäuerinnen und Bauern wollen auch nicht mehr so produzieren. Es fehlt ihnen aber die Perspektive für einen Um-oder Ausstieg“, sagte NEOS-Landwirtschaftssprecherin Karin Doppelbauer.

Prettner fordert Vollspaltböden-Verbot vom Bund

"Die Missstände in einem Kärntner Schweinemastbetrieb müssen Anlass sein, überfällige Gesetzesänderungen endlich in die Tat umzusetzen“, richtete die Kärntner Tierschutzreferentin LHStv.in Beate Prettner (SPÖ) einen Appell an den Bund. „Seit Jahren wird ein Verbot von Vollspaltböden bei der Schweinehaltung gefordert – bis dato ist nichts passiert. Es ist unzumutbar, dass die Tiere auf hartem Beton-Boden liegen, ohne Wärmedämmung. Oftmals sind sie den Gasen der darunterliegenden Güllegrube ausgesetzt. Das hat nichts mit Tierwohl zu tun. Österreich muss hier endlich handeln. Wir haben keine Zeit mehr für weitere Blockaden in der Bundesregierung.“

In fünf europäischen Ländern seien Vollspaltenböden bereits verboten, darunter befinde sich mit Dänemark auch der größte Schweineproduzent der EU. Die weiteren Länder seien die Niederlande, Finnland, Schweden und die Schweiz.

Appell: Bei Überforderung Hilfe in Anspruch nehmen

An Kärntens Tierhalter richtete die Tierschutzreferentin einen Appell: "Nehmen Sie Unterstützung und Hilfe an. Zu Ihrem eigenen Wohl und zum Wohl Ihrer Tiere.“ Laut Prettner sind fast alle Missstände bei der Tierhaltung auf menschliche Überforderung in belastenden Lebenssituationen zurückzuführen: „Es geht um Schicksalsschläge, um eine Krankheit, um einen plötzlichen Todesfall, um psychisches Leid, um Depressionen, um Burnout. Es ist so wichtig, rechtzeitig die Stopptaste zu drücken und Unterstützung anzunehmen.“