Die schwer kranke Mutter Marija und ihre Tochter Manuela Fritz
ORF
ORF
„Aufgezeigt“

Pflegende Angehörige akut armutsgefährdet

Im Dezember 2021 hat sich das Leben von Manuela Fritz total verändert. Sie musste ihr Kulturgasthaus schließen, weil ihre Mutter Marija schwer erkrankte und gepflegt werden musste. Auch der sechsjährige Neffe muss versorgt werden. Fritz ist akut armutsgefährdert, weil sie selbstständig war und daher keine Pflegekarenz bekommt.

Manuela ist Mutter von vier erwachsenen Kindern, die mit ihren Familien einige Kilometer entfernt wohnen. Manuelas Schwester ist psychisch krank. Als sie vor sechs Jahren den kleinen Rick bekam, wurde ihre Mutter Marija Pflegemutter für ihren Enkelsohn. Doch nun leidet Marija an amyotropher Lateralsklerose (ALS), einer unheilbaren und schweren Erkrankung des Nervensystems und muss selbst gepflegt werden.

Sendungshinweis:

„Aufgezeigt“, 5.4.2022

„Die Mama bekommt alles ganz genau mit“

Manuela Fritz lässt sich so leicht nicht unterkriegen. Sie lebt seit Dezember wieder bei ihrer Mutter und pflegt sie rund um die Uhr: „Die Mama hat leider ALS und das hat zur Folge, dass sie nicht mehr sprechen und nicht mehr schlucken kann und seit Dezember künstlich ernährt wird. Sie bekommt aber ganz genau mit, dass sie schrittweise gelähmt wird, das Hirn registriert das alles.“

„Aufgezeigt“: Arm durch Pflege

Zusätzlich übernahm Manuela von ihrer Mutter die Obsorge für den sechs Jahre alten Rick, den Sohn ihrer Schwester. Rick lebt seit Jahren bei der Großmutter, weil seine leibliche Mutter psychisch erkrankt ist. „Für mich war sofort klar, dass Rick in meine Familie kommt. Aber es ist jeder Tag eine Herausforderung“, sagt Manuela.

Rick und Manuela Fritz
ORF
Neben der Pflege der Mutter kümmert sich Manuela Fritz auch um den Sohn ihrer Schwester

Geldsorgen: Schlecht beraten

Besonders herausfordernd sind Manuelas Geldsorgen. Das Gasthaus wurde geschlossen und wegen der Pandemie schleppt sie Altlasten mit. Nach vier Monaten stand Manuela Fritz völlig mittellos da. Sozialbetreuerin Brigitte Messner vom Roten Kreuz sah vor allem ein Problem: „Manuela Fritz wurde nicht oder schlecht beraten. Obwohl Manuela ihre Mutter pflegt, hat sie keine Sozialversicherung, kein Einkommen und niemand hat hinterfragt, wie sie das finanziell schaffen kann“, kritisiert Messner.

Sozialbetreuerin vom Roten Kreuz Brigitte Messner
ORF
Sozialbetreuerin Brigitte Messner hilft Frau Fritz

Brigitte Messner knüpfte ein Netzwerk für die finanzielle Soforthilfe. Licht ins Dunkel unterstützte Marija, Manuela und Rick, ebenso wie Kärntner in Not, das Sozialreferat des Landes, die Volkshilfe und Hilfe im eigenen Land. Das Geld ging sofort für Rechnungen auf, die dringend anstanden.

BH Völkermarkt bot bisher keine Hilfe

Manuela Fritz suchte auch Hilfe bei der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt. Sie fragte an, ob sie für die Betreuung von Rick oder für die Pflege ihrer Mutter eine finanzielle Unterstützung bekommen könnte. Sie blitzte mehrfach ab. Für Rick gebe es nur die Familienbeihilfe und für die Pflege der Mutter gar nichts, habe es aus der BH Völkermarkt geheißen.

Auf Nachfrage bei der Kinder- und Jugendhilfe des Landes war zu erfahren, dass Frau Fritz als Obsorgeberechtigter ein Pflegebeitrag für Rick zusteht. Dieser Pflegebeitrag für Betreuung und Erziehung des minderjährigen Kindes werde vom Land Kärnten gewährt, heißt es vom Land und der Kinder- und Jugendhilfe: „Entscheidend für die Höhe des Beitrages ist aber, ob Ricks leibliche Mutter unterhaltspflichtig ist. Das wird derzeit von der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt erhoben. Jedenfalls wird Frau Fritz für Rick diesen Pflegebeitrag rückwirkend ab 12.1.2022 bekommen.“

Manuela Fritz, Aufgezeigt-Redakteurin Gudrun Maria Leb und die Sozialbetreuerin vom Roten Kreuz Brigitte Messner
ORF
Im Wohnzimmer der Familie Fritz beraten Manuela Fritz, Aufgezeigt-Redakteurin Gudrun Maria Leb und die Sozialbetreuerin vom Roten Kreuz Brigitte Messner (v.l.n.r.)

Angestellte besser abgesichert

Pflegeanwältin Bettina Irrasch bestätigte, dass Manuela als selbstständige Wirtin ein Sonderfall ist. Angestellte oder Arbeitssuchende sind besser abgesichert, sagte Irrasch: „Hätte sie einen Arbeitslosenbezug oder wäre sie Arbeitnehmerin, gäbe es die Möglichkeit der Pflegekarenz, in ihrem Fall sogar eventuell die der Familienhospizkarenz, wo man bis zu sechs Monate die Sterbebegleitung für einen nahen Angehörigen übernehmen kann. Das wäre eine Auszeit von der Arbeit und man könnte Pflegekarenz in Anspruch nehmen und hat auch eine Kranken- und Pensionsversicherung.“

Weil das für Manuela nicht klappte, bleibe nur die Sozialhilfe, die sie bei der Bezirkshauptmannschaft beantragte. Die Antwort: „Ein entsprechender Antrag auf Sozialhilfe wurde gestellt. Sobald die Berechnung abgeschlossen ist, ergeht eine endgültige Entscheidung.“

Bettina Irrasch von der Pflegeanwaltschaft
ORF
Pflegeanwältin Bettina Irrasch

Bürgermeister sagt Hilfe zu

Mit der Sozialhilfe ist Manuela Fritz fürs Erste abgesichert. Zusätzlich kümmert sich Markus Lakounigg, der Bürgermeister von Völkermarkt (SPÖ) um Soforthilfe: „Ich habe mit den lokalen Hilfsorganisationen Kontakt aufgenommen und alle haben ad hoc Hilfszahlungen für die Familie Fritz zugesagt.“

Trotz alledem wird Manuela Fritz viel zu tragen haben. Aber wenigstens fühlt sie sich jetzt nicht mehr ganz alleine damit.