Bild von Franz Yang-Mocnik
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Kultur

Franz Yang-Mocnik: Poetik des Fragments

Der gebürtige Kärntner Franz Yang-Mocnik ist bekannt für seine stimmungsvollen Bilder von Kaffeehäusern und Parkanlagen. Kuratur Roman Grabner zeigt in der Klagenfurter Stadtgalerie eine andere Seite des Künstlers: Die Liebe zum Experiment und zum Fragment, die ihn seit Jahrzehnten begleitet.

Augen, die man nie vergessen wird. Sie schauen einen von einem Selbstporträt des in der Nähe von Völkermarkt aufgewachsenen Künstlers an: Groß, dunkel und intensiv. Eine Reaktion, die Mocnik-Yang nur zu gut kennt. Sein Vater habe sich öfter darüber beklagt, dass er nicht verstehe, warum er sich auf der Straße gehend plötzlich umdrehe und sich „wie ein Verbrecher“ umschaue.

Selbstporträt von Franz Yang-Mocnik
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Selbstporträt von Franz Yang-Mocnik

„Bedürfnis nach jungfräulicher Offenbarung“

Ohne dieses hochkonzentrierte Sehen und Beobachten von Menschen würde es aber auch die Kunst von Franz Yang-Mocnik nicht geben. Faszination kommt noch dazu. Der Künstler fährt in Graz mit dem Bus und steigt unvermittelt aus. Er sah etwas – Ständer mit Plakaten, von denen nur noch Fetzen übrig sind. So entstanden die neuesten abstrakten Bilder: „Da erkenne ich mich schon in meinem Temperament und dem ewigen Gefühl des Ungenügens und Bedürfnis nach dieser jungfräulichen Offenbarung wieder.“

Es überrasche einen, wenn etwas gelinge. „Das ist ein Moment, den es gibt und den man ständig sucht. Es kann so kraftraubend sein, dass es ein ewiges Tretrad wird“, so der Künstler. Beim Hinausschauen aus dem Busfenster habe er solche fertigen Bilder vorgefunden, die ihn ebenso überraschten und die er fotografiert habe, sagt Yang-Mocnik.

Bild von Franz Yang-Mocnik
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Bild von Franz Yang-Mocnik

Damit ging er wieder einen neuen Weg. Die Bandbreite der in der Ausstellung gezeigten Arbeiten ist unglaublich: Zeichnungen, Collagen, Gemälde zu einer Vielzahl von Themen. Besonders spannend ist es, wenn ein älteres und ein neueres Bild nebeneinander hängen. Dann wird sichtbar, dass der Plastikmüll den Künstler schon seit Jahrzehnten beschäftigt.

Fragment als zentrales Element

Für Kurator Roman Grabner ist das Fragment ein zentrales Moment dieser Kunst: „Es gibt immer eine Vielzahl an möglichen Lösungen und das nächste Werk bedingt wieder das Nächste. So geht das fort. Jedes Werk ist irgendwie ein Fragment in seinem Werkganzen. Das wandernde Denken zeichnet sein Werk und sein Oevre aus.“ Das Hintasten, Suchen und Streben. Das Fragment sei etwas, das von einer Ganzheit und Versehrtheit spreche, so Grabner: „Von einer Ganzheit, die vielleicht in der Vergangenheit aufgefunden werden kann oder sich vielleicht erst in der Zukunft einlösen lässt. Genau dieser Weg dorthin zeichnet ihn bis zu einem gewissen Grad auch aus.“

Roman Grabner Kurator
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Kurator Roman Grabner

Künstler will Unsichtbares sichtbar machen

Für Franz Yang-Mocnik trifft der Satz Andre Hellers, das die wahren Abenteuer nur im Kopf sind, voll und ganz zu. Dafür, dass der an mehreren Bildern gleichzeitig arbeitet, braucht der Künstler erst einmal keine Staffelei – alles geschieht im Kopf.

Seit 1970 lebt Yang-Mocnik in Graz. Zuletzt war er für eine Ausstellung im Museum Moderner Kunst in Kärnten und jetzt ist er für die Ausstellung in der Stadtgalerie in Klagenfurt, deren Eröffnung pandemiebedingt verschoben wurde. Auch hier beobachtet er seine Umgebung mit sehr wachen Augen. Nur interessieren ihn die Dinge, die die meisten Menschen übersehen würden: „Nicht die wunderbare, schöne Landschaft, wenn man in Kärnten ist und bei schönem Wetter die Karawanken sieht, sondern schrecklich-schöne Müllhalden, die, wenn man den Fotoapparat darauf richtet und abdrückt, immer tolle abstrakte Kompositionen ergeben.“

Franz Yang-Mocnik
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Franz Yang-Mocnik

„Beim Zeichnen nicht zaghaft sein“

Als Künstler passt der 70-Jährige in keine Schublade. Er malt Bilder, die sehr stimmungsvoll sind, verwendet aber auch Kleiderfetzen oder Zigarettenstummel für seine Kunst. In seiner Kunst geht es ihm um alles: „Beim Zeichnen sollte man nicht zaghaft sein, sondern seine Striche so wie mit einem scharfen Messer mit dem Bleistift sich seine Striche auszuführen getrauen.“

So zeigt der Künstler eine große Wand voll mit Selbstporträts aus den verschiedensten Lebensjahren. Alle entstanden rückblickend als eine Art Selbstvergewisserung. Ganz neu sind große, gezeichnete ineinander verschlungene Figuren, die Gustav Klimts spätes Hauptwerk „Tod und Leben“ radikal weiterführen und die Polyamorie, die Liebe zu mehreren Partnern, zum Thema der Kunst machen.

Bild von Franz Yang-Mocnik
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Bild aus Serie „verrückt, verspielt, verschroben“

Zeichnungen spiegeln tiefschwarzen Humor wieder

Dass Franz Yang-Mocnik auch sehr viel tiefschwarzen Humor hat beweisen die 45 Zeichnungen der Serie „verrückt, verspielt, verschroben“. „Das siehst Du nur so!“ steht unter einem Gesicht, dem ein Zeigefinger ins Auge gestochen wird. Leicht machte es sich der Künstler nie: „Die Unzufriedenheit ist immer Ausdruck depressiver Verstimmung. Das kann einen auch dort erwischen, wo es sich um sehr gelungene Sachen handelt. Das wechselt hin und her. Oft bin ich mit Sachen, die ich für sehr gelungen hielt, sehr unzufrieden. Wenn das nicht so wäre hätte ich keinen Fetisch, aus dem ich schöpfen könnte.“

Roman Grabner und Franz Yang-Mocnik
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Roman Grabner und Franz Yang-Mocnik

Künstlerische Freiheit als Fluch oder Segen

Wenn ein Künstler keinen eigenen Stil hat, eine Vielzahl an Techniken verwendet und sich den Gegebenheiten des Kunstmarktes nur schwer unterordnet, hat er es viel schwerer, aber am Ende auch viel leichter: „Indem man auf das Geschäft und die Zusammenarbeit mit einem Galeristen verzichtet oder wenn es erst gar nicht soweit kommt, weil man zu feig, faul oder dumm ist, sich entsprechend vorstellig zu machen, hat man das Glück oder Pech – je nachdem, wie man es sieht, dass man das machen kann, was man möchte. Vorausgesetzt, man kann es sich leisten.“

Schuhe Zeichnungen von Franz Yang Mocnik
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Schuh-Zeichnungen von Franz Yang-Mocnik

Kurator wünscht sich mehr internationale Aufmerksamkeit

Yang-Mocniks Kunst kann sehr komplex sein oder ganz einfach wie die vielen Bilder, die er von Schuhen malte. Kurator Roman Grabner wünscht sich, dass dieser große Künstler mehr internationale Aufmerksamkeit bekommt: „Das hat zeitgenössisches Niveau, das sich überall sehen lassen kann. Ich würde mir wünschen, dass das Licht der Aufmerksamkeit auch auf diese Arbeiten gerichtet wird und sie nicht nur als österreichische Szene abgehandelt werden: Das ist ein Kärntner Künstler, der in der Steiermark lebt. Sondern: Das ist ein internationaler Künstler, der in der Steiermark lebt.“ „Poetik des Fragments“ von Franz Yang-Mocnik ist bis 12. Juni in der Stadtgalerie Klagenfurt zu sehen.