Schwalben am Nest
Bird Life Johannes Hohenegger
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Tiere

Kaum noch Mehlschwalben in Städten

Die Mehlschwalbe ist der Vogel des Jahres 2022. Sie wird auch Stadtschwalbe genannt, weil sie in früheren Zeiten, in denen der Boden im städtischen Bereich noch nicht so versiegelt war, öfters dort lebte. Zuletzt ging ihr Bestand jedoch stark zurück, daher ist der Vogel auch geschützt.

Der deutsche Artname der Mehlschwalbe stammt von den weißen Beinen, die aussehen, als ob die Schwalbe im Mehl gestanden wäre. „Das ist ein Merkmal, das sie einzigartig in ganz Europa macht“, sagt Andreas Kleewein von Birdlife. Man kennt die Mehlschwalbe aber auch unter einem anderen Namen: „Umgangssprachlich wird die Mehlschwalbe auch als Stadtschwalbe bezeichnet. Der wissenschaftliche Name nimmt ebenfalls Bezug zum Vorkommen in der Stadt: Delichon urbicum – letzteres ist das Wort für die Stadt.“

Ohne Lehmpfützen keine Mehlschwalben-Nester

Die Mehlschwalbe fühlt sich also in der Nähe von Menschen durchaus wohl, obwohl man ihr durch den Wandel des Lebensstils das Leben immer schwerer macht. Die zunehmende Versiegelung des Bodens ist ein großes Problem für die Mehlschwalbe, denn dadurch sind Lehmpfützen – die anno dazumal in den Städten durchaus vorhanden waren – so gut wie verschwunden. Diese Pfützen braucht sie aber für den Nestbau. „Pfützen und Lacken sind essentiell für das Vorkommen der Mehlschwalbe in der Stadt, denn sie braucht Lehm für den Nestbau. Es kann vorkommen, dass 1.500 solcher Lehmkügelchen für den Nestbau verwendet werden. Es ist ein enormer Aufwand so ein kugelrundes Nest zu bauen und dauert 14 Tage.“

Aus tausenden Kügelchen wird ein rundes Nest

Wie der Nestbau genau funktioniert, erklärt Vogelexperte Kleewein so: „Die Lehmschwalbe nimmt aus dieser Pfütze kleine Schlamm- oder Lehmteilchen auf, formt sie im Schnabel mit dem Speichel zu kleinen Kügelchen, fliegt zum Neststandort und platziert dann ein Kügelchen neben dem anderen. Pro Tag macht sie also irrsinnig viele Flüge, um die Lehmkügelchen zu transportieren.“

Mehlschwalben brüten meist ein Mal, aber sie kann auch zwei und in seltenen Fällen sogar drei Mal pro Jahr brüten. Drei bis fünf Eier werden dann jeweils gelegt. Männchen und Weibchen kümmern sich gemeinsam um den Nachwuchs. Ein weiteres Merkmal der Mehlschwalbe: Sie ist sehr standorttreu und sucht jedes Jahr wieder ihren alten Brutplatz auf und nutzt hier, wenn möglich, auch ihr altes Nest.

Mehlschwalbe am Nest mit Jungen
Das Nest besteht aus hunderten Lehmkügelchen

Die Mehlschwalben, die hierzulande brüten treffen erst im April oder Mai ein. „Mehlschwalben sind Kolonie-Brüter, das bedeutet, ein Nest kann neben dem anderen entstehen.“ Zum Teil lassen sich 30 bis 40 Nester an Hausfassaden finden, weil die Bedingungen dort ideal sind.

Bei Gefahr ein pfeilschneller Flieger

Kleewein führte aus: „Werden Mehlschwalben von Fressfeinden wie den Baumfalken gejagt – das ist einer der wenigen natürlichen Feinde, den sie haben – dann können sie Geschwindigkeiten bis zu 70 Kilometer pro Stunde erreichen, sie sind sehr gewandte Flieger und können gut manövrieren und ausweichen“, so Kleewein. Feinde finden sich aber nicht nur unter den Greifvögeln, wie dem erwähnten Baumfalken, sondern auch bei den Parasiten. „Es gibt Endo- und Ektoparasiten, also Parasiten innen und außen, darunter Saugwürmer, Fadenwürmer, Milben und Lausfliegen können der Mehlschwalbe zusetzen.“

Droht keine Gefahr, bzw. müssen Mehlschwalben längere Strecken zurücklegen, so bewegt sich ihre Geschwindigkeit zwischen 25 und 40 Kilometer pro Stunde. Diese längeren Strecken legt die Mehlschwalbe etwa zurück, wenn sie in ihr Winterquartier südlich der Sahara fliegt und im Frühjahr wieder zurück in hiesige Breiten. „Die Mehlschwalbe kommt zum Teil schon im März bei uns an, das sind aber Durchzügler, die noch bis Mai beobachtet werden können. Sie ziehen weiter in andere Regionen Europas.“

Mehlschwalben sammeln sich auf einem Mast
Mehlschwalben sammeln sich

Auf dem Speiseplan der Mehlschwalbe stehen Insekten, die sie in einer Höhe von ca. 25 bis maximal 50 Metern über den Erdboden jagt. „Das ist zwar sehr hoch, bei sehr heißen Temperaturen steigen die Insekten durch die Thermik aber noch weiter in die Höhe – somit ist es bei einer Zweitbrut relativ gefährlich, die Jungvögel noch durchzubringen, denn sie finden in niederen Lagen kaum mehr Insekten als Nahrung.“

Großglockner-Mehlschwalben sind höchste Kolonie

Die höchstgelegene Mehlschwalben-Kolonie in Kärnten, bzw. Österreichs befindet sich auf dem Großglockner. Die Experten bemerken aber auch an anderen Standorten in Kärnten, dass die hohen Temperaturen zur Brutzeit und die damit verbundenen Probleme bei der Nahrungssuche zu einer Höhenwanderung der Mehlschwalben geführt haben, so Kleewein: „Somit haben wir Verschiebungen von 200 bis 300 Meter und mehr, wo ein Mehlschwalbenpaar mit ihrem Brutplatz in die Höhe gewandert sind.“

Mehlschwalben gehören nicht nur zur Kategorie der Zugvögel, sondern auch zu den Singvögeln. „Es sind markante hohe Rufe, die man bei der Jagd hört, aber auch bei der Fütterung der Brut.“ Auch in der Welt der Mehlschwalben lauern Gefahren.

Kärntner Bestand deutlich niedriger als gedacht

Vor zehn bis 15 Jahren wurde der Mehlschwalben-Bestand in Kärnten noch auf 10.000 bis 15.000 Brutpaare geschätzt. „Durch intensive Untersuchungen hat sich aber herausgestellt, dass in gewissen Regionen die Mehlschwalbe im Laufe von 30 Jahren um mehr als 70 Prozent in ihrem Brutbestand gesunken ist. Das ist sehr beträchtlich, somit rechnen wir insgesamt mit einem Rückgang von mindestens 50 Prozent, eher noch mehr. Somit dürfte der Brutbestand nur mehr bei 5.000 bis 8.000 Brutpaaren in Kärnten liegen – Tendenz weiterhin fallend.“

Helfen geht kinderleicht: Mit Lehmpfützen und Nisthilfen

Wir Menschen können der Mehlschwalbe helfen – vorausgesetzt es gibt schon welche in der Umgebung, da sie sehr standorttreu sind. „Um Mehlschwalben in der Stadt oder auch im Siedlungsbereich zu helfen, ist die Anbringung von künstlichen Nisthilfen geeignet. Das sind aus Holzbeton gefertigte Mehlschwalbennester, die ebenso kugelig sind, mit einem Einflugloch, an einem Holzbrett montiert sind und an der Außenfassade montiert werden können. Die Kombination mit einem Kotbrett darunter ist insofern günstig, als es zu keiner Verunreinigung der Außenfassade kommt.“

Aber auch ganz kleine Dinge verbessern die Lage der Mehlschwalben: so kann man einfach einen Kübel Wasser auf eine Erdfläche schütten – um eben eine Lehmfläche entstehen zu lassen. So eine Lehmpfütze wird auch schnell von den Schwalben angenommen.

Mehlschwalbe reduziert Plagegeister

So eine Ansiedelung bringt auch dem Menschen Vorteile. „Mehlschwalben sind im Volksglauben nicht nur Nützlinge, so eine Mehlschwalbenfamilie kann in einer Brutsaison bis zu 250.000 Insekten erbeuten, vor allem Fliegen und Mücken. Somit kann man froh sein, wenn einen die Mehlschwalbe davon befreit“, so Kleewein über einen spannenden Vogel des Jahres 2022.