Im „Liebeskonzil“ bringt Gott mit Hilfe des Teufels die Syphillis über die Menschen. Der Komponist Dieter Kaufmann war bei einer der ersten Aufführungen des Stücks 1969 in Paris dabei. Gemeinsam mit seinem Sohn, dem Videokünstler Ulrich Kaufmann, entstand eine Kammeroper, die Themen wie das Jahrhunderte alte Ringen um die Freiheit der Kunst mit der digitalen Welt verbindet.
70 Jahre wurde Stück nicht aufgeführt
Gott und Teufel gegen die Menschen. Gott und Teufel sind bei Oskar Panizza fast wie Menschen, abgesehen davon, dass sie ewig leben. Allerdings gibt es keine Unfehlbarkeit in diesem Himmel weit und breit. Der Deal über die Verbreitung der Syphillis wird wie jedes andere Geschäft abgeschlossen. Mehr als 70 Jahre konnte das Stück nicht aufgeführt werden. Dieter Kaufmann hält sich an den originalen Text, die Rollen verteilt er aber auf die fünf Sängerinnen und Sänger des Hortus Musicus. Neu kam die Verteidigungsrede von Oskar Panizza vor Gericht dazu.

Da redet einer um sein Leben und ist gleichzeitig nicht bereit, auch nur einen Schritt zurückzuweichen. Provozieren will Dieter Kaufmann mit seiner Kammeroper aber nicht: „Der Vorwurf der Blasphemie trifft teilweise zu, weil uns die Vermenschlichung der Götter als Sakrileg erscheint. Auf der anderen Seite haben die Götter keinen Grund, zu feiern, wenn es auf der Erde so ausschaut.“ Die CoV-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, auf soviel Aktualität seiner Oper hätte der der Komponist mit seinen 80 Jahren gerne verzichten können.

Fünf Sänger verkörpern die Figuren
Geschrieben wurde die Kammeroper im Auftrag des klagenfurter ensembles. Ursprünglich war sie nur für die fünf Sängerinnen und Sänger des Hortus Musicus gedacht, die die einzelnen Rollen wie den Teufel verkörpern. Die Rollen spiegeln sich auch in der Musik von Dieter Kaufmann wider: „Der Teufel singt im System des Tritonus, der wird in der Musik auch Diabolus in musica (Teufelsintervall) genannt. Das Teuflische ist das, was in der Volksmusik das Normale war.“

Bei der Uraufführung am 25. März werden nun auch ein Schlagwerk und ein Akkordeon dabei sein, die Akzente setzen. Im Mittelpunkt steht aber das gesungene Wort, wie es Oskar Panizza 1894 schrieb. Ulrich Kaufmann und sein Vater Dieter Kaufmann arbeiten immer wieder und vor allem auch gern zusammen, so der Sohn: „Ich bin mit seiner Musik aufgewachsen, ich kenne das so gut. Wenn ich ein Video schneide habe ich schon ein Gefühl, auch wenn die Musik noch nicht fertig ist. Ich habe die Freiheit, zu machen, was ich möchte.“

Thema Kindesmissbrauch
Der Papst feiert Orgien und Gott ist senil im Stück von Panizza, das und vieles mehr wurde als Blasphemie angesehen. Wenn man ganz genau hinhört, erfährt man aber auch die Geschichte des Mädchens Lilly. Nicht nur Gott macht in dieser Oper Geschäfte, sondern auch eine Mutter mit dem Mann, der ihrem kleinen Mädchen weh tat. Lilly ist vollkommen allein, die Mutter sagt ihr nur, sie solle immer brav sein. Das Mädchen weiß, dass ihr niemand helfen wird. Heute landen viele Bilder von missbrauchten Kindern im Internet, in der digitalen Wolke.

Das Abbild beeinflusst die Wirklichkeit
Die Wolke war es auch, die Medienkünstler Ulrich Kaufmann bei diesem Opernprojekt interessierte. Die Wolke in der katholischen Bilderwelt, der Himmel aber auch die Cloud als Datenspeicher, der unzählige Bilder von Menschen enthält: „Die Wolke wird bespielt von der Erde, von den Tänzerinnen, die viel dokumentieren. Sie haben eine Selfiestick und betrachten sich selbst. Diese Information laden sie in die Wolke und wolle wiederum immer mehr ihrem Abbild in der Wolke entsprechen.“
Kann man die Cloud wieder löschen?
Ulrich Kaufmann lässt mit seinen Projektionen eine riesige bewegliche Wolke entstehen, auf der sich deutlich mehr Gestalten tummeln als auf der Bühne. Die Kostüme der Tänzerinnen machen sie unförmig und eckig. Den anderen Menschen wirklich zu erreichen wird immer schwieriger. Ulrich Kaufmann sagte, die Frage sei auch, wie wäre es, wenn man alles wieder löscht – was man ja nicht könne. Das Endbild sei die Betrachtung von sich selbst, die sich wandle auf die Betrachtung der anderen, das Wahrnehmen der anderen.

Dabei geht es auch in der Zusammenarbeit von Vater und Sohn. Zuerst die Musik, dann die Videokunst, die ihre eigenen Geschichten erzählt. Gemeinsam entsteht wie bei „Das Liebeskonzil und die Wolke" etwas Neues. Dieter Kaufmann denkt nicht daran, mit dem Komponieren aufzuhören: Ich wüsste nicht, was ich sonst tun sollte.“ Er komponiere gerne und freue sich über Aufführungen, trotzdem bleibe Manches liegen. So warte noch eine Oper über Jonke auf die Aufführung.