Auf dem Friedhof St. Johann in Wolfsberg sind nicht nur russische Soldaten aus dem zweiten Weltkrieg begraben, sondern auch fast tausend Ruthenen-Flüchtlinge aus dem ersten Weltkrieg, die im Barackenlager untergebracht waren.
Erst 2019 wurden sechs Stelen aufgestellt, die an ihr Schicksal erinnern sollen. Mehr als die Hälfte der Toten waren Kinder unter fünf Jahren, sagte die Kuratorin im Museum Lavanthaus, Christine Ragger: „Vor allem Typhus und Cholera waren ein großes Problem. 1914 im Spätherbst, relativ bald nach der Ankunft der Menschen im Lager, brach dort eine Epidemie aus. Man umzäunte und bewachte dann das Lager und schaute, dass es niemand ohne Erlaubnis betritt oder verlässt.“
536 Kinder begraben
Auch Hirnhautentzündungen und andere Krankheiten, gegen die es heute Hilfe geben würde, traten häufig auf. „Damals sind aber sehr viele Menschen daran gestorben. Dank der Forschungen des Historikers Christian Klösch wissen wir, dass 536 Kinder unter fünf Jahren im Lager gestorben sind. Sie sind auf diesem Friedhofsgelände begraben.“
Damals gehörte der Westen der heutigen Ukraine zur österreichisch-ungarischen Monarchie. Es waren somit Landsleute, die auf der Flucht vor den Russen, die ihre Ländereien im Osten überrannt hatten, nach Wolfsberg kamen.
Gleich viele Flüchtlinge wie Einwohner
Das Lager war eine Stadt in der Stadt. Wolfsberg hatte damals 8.000 Einwohner, im Lager waren bis zu 7.500 Ruthenen untergebracht, erzählt Christine Ragger: „Es gab ungefähr 62 Baracken, eine eigene Kirche. Die ganze Organisation war wie eine Stadt für sich. In kürzester Zeit mussten diese Menschen mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt werden. Mit Zunahme des Krieges von Jahr zu Jahr wurde das zu einem immer größeren Problem.“
Vor allem Familien waren untergebracht
Es waren in erster Linie Familien, Frauen und Kinder, die in Wolfsberg untergebracht waren. „Es kamen auch an die 300 Kinder hier auf die Welt. Diese Menschen mussten alle versorgt werden. Es gab rund tausend Portionen Brot pro Tag und 250 Milchkühe, die man nach Wolfsberg brachte. Davon waren alleine 50 in den Stallungen des Flüchtlingslagers untergebracht.“
Das Ruthenen-Flüchtlingslager in Wolfsberg
Bereits in der Zeit des ersten Weltkriegs sind Menschen aus dem Gebiet der heutigen Ukraine nach Kärnten geflüchtet, weil russische Truppen herangerückt sind. Sie wurden Ruthenen genannt und kamen in einem riesigen Lager in Wolfsberg unter. Heute erinnert nur mehr wenig daran.
Mit Zunahme der Kriegssituation wurde die Versorgungslage immer schwieriger. Mit der Zeit standen im Lager nur noch 1.100 Kilokalorien an Lebensmittel zur Verfügung.
In den Sommermonaten leerte sich das Lager regelmäßig, die Insassen wurden zu Ernteeinsätzen oder Waldarbeiten in die Kronländer der Monarchie geschickt. 1917 kehrten die Überlebenden wieder zurück in ihre zerstörte Heimat.
Ruthenenweg erinnert an die schwere Zeit
Die mehr als 70 Baracken wurden noch vor Ende des Krieges abgebaut und dienten im Kanaltal des heutigen Italiens als Ersatz für durch im Krieg zerstörte Häuser.
In Wolfsberg erinnert auch der Ruthenenweg an die Flüchtlinge aus dem Westen der heutigen Ukraine. Die Straße ist in einem modernen Siedlungsgebiet zu finden und erinnert daran, dass vor mehr als hundert Jahren an dieser Stelle das Ruthenenlager stand.
Im Jahr 2013 erinnerte Wolfsberg mit einer großen Ausstellung an die verschiedenen Lager – mehr dazu in Lagerstadt Wolfsberg (kaernten.ORF.at 23.7.2013).