Die Göttinnen
ORF/Ceesay
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Kultur

Puppenmacherin schafft Wesen in Bewegung

Fast 50 Jahre brauchte Lisa Engel, um ihre Leidenschaft zu leben. Mit Freude und viel Liebe schafft sie seit sieben Jahren Puppen verschiedenster Art. Bei ihren bunten Kreationen ist alles selbst gemacht, vom Körper bis zu Kleidung. Dazu verwendet sie alte Handwerkstechniken und Materialien verschiedenster Art.

Eine Ausstellung der Kärntner Puppenmacherin Elli Riehl war für Lisa Engel ein einschneidendes Erlebnis. Sie scheiterte jedoch als Kind kläglich, als sie selbst solche Wesen nähen wollte. Später war sie unter anderem Mutter, Verwaltungsassistentin an einer Volksschule und Journalistin. An ihrem 50. Geburtstag erinnerte sie sich an ihren Traum Künstlerin zu werden. Das gelang ihr schließlich im Jahr 2015: „Da bin ich bei Textilmaterialien gelandet und habe angefangen, Puppen herzustellen und zu sticken.“

Verschiedene Materialien und Techniken

Gemeinsam mit Flüchtlingen probierte die Künstlerin, die ihre Werkstatt in Ledenitzen hat, verschiedene Materialien und Techniken aus. Sie versuche so auch, die Menschen zu motivieren, selbst etwas zu schaffen und ihnen nicht das Gefühl zu geben, sie wären die Opfer, die unselbstständig seien und nichts tun könnten: „Wir waren total interessiert, was bringen die Menschen mit aus ihren Kulturen, aus ihrer Heimat.“

Stoffreserven der Künstlerin
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Textilien werden wieder verwendet

Und die Flüchtlinge brachten so Einiges mit, so Engel: „Zeichnerisches Talent, holztechnisch hochinteressante Elemente, die wir nicht gekannt haben und in der Textilwerkstatt waren sie dann eher bei mir also sie haben die Sachen ausprobiert, die ich gerade ausprobiert habe. Es waren damals leider sehr wenig Frauen dabei, jetzt ist das ein bisschen anders.“

CoV-Pandemie künstlerisch genutzt

2019 machte sich die Puppenmacherin selbstständig. Dann kam die Pandemie: „Für mich war Covid ehrlich gesagt eine geniale Zeit, weil ich habe mich in meinen Elfenbeinturm, in mein Gartenatelier zurück gezogen und habe gearbeitet. Ohne Aufträge, ohne Zeitdruck und Termine. Und ich habe endlich die Zeit gefunden, tief nach innen zu schauen und zu hören, was ich eigentlich ausdrücken möchte.“

Das Weibliche braucht Anerkennung

Ihre Erkenntnis war, dass das Weibliche in ihrem Leben extrem wichtig sei: „Damit das Weibliche die Anerkennung bekommt, die es braucht. Dieses Zuhörende, dieses Sorgende, dieses für andere da sein, und das drückt sich auch in den Wesen aus, die ich herstelle. Es war vor kurzem ein Mann bei mir im Atelier und der hat gesagt, aber Lisa, eigentlich stellst du nur Frauen her, warum machst du das. Ich glaube, wir sind in der Zeit angekommen, wo das Männliche und das Weibliche endlich Hand in Hand gehen sollten.“

Eine tanzende Ratte
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In der Pandemiezeit schaffte sie fast keine Materialien neu an, und wenn, dann über das Internet: „Je enger das Korsett wird, in dem wir arbeiten, umso kreativer werden wir.“ Sie habe immer schon Materialien wiederverwendet, jetzt war es aber nötig, auch abgetragene Kleidung etwa wieder zu verarbeiten, die zu Hause herum lag.

Internationale Kontakte

In Online-Meetings knüpfte sie immer mehr Kontakte weit über die Grenzen: „Inspiration für das, was ich mache, kommt aus dem internationalen Raum, in erster Linie aus dem englischsprachigen Raum, aus Amerika, England, Irland, Schottland, Neuseeland, Australien, da sind so die Puppenmacher dieser Welt zu Hause. Es sind fast nur Frauen in der Puppenmacherszene, vielleicht sind zwei, drei Männer dabei. Ich hab eine Lieblingsdesignerin in Neuseeland.“

Alte Handwerkstechniken

Lisa Engel verwendet alte Handwerkstechniken, wie etwa das Stricken, Häkeln, Sticken oder das Filzen. „Ich scheue mich aber auch nicht vor Dingen wie Fimo oder Pappmaché. Ich bin immer noch in der Lebensphase, wo ich Dinge ausprobiere wie sie für mich am besten funktionieren könnten und vorzugsweise arbeite ich strickend mit Schafwolle und mit filzen.“

Genau diese Abwechslung liebt Engel auch beim Arbeiten selbst, es wird nie langweilig. „Wenn ich zwei, drei Monate mit einem Material arbeite, dann merke ich, das erschöpft sich jetzt, dann kommt einfach die Lust auf ein neues Material. Und das dann zu kombinieren mit dem, was ich gerade gelernt habe, das macht diese Wesen glaub ich auch so lebendig.“

Fünf Göttinnen mit Geschichten

Wie beispielsweise die fünf Göttinnen, die an der Wand hängen: „Ich hatte Lust, so ein Wesen zu stricken und habe einfach damit begonnen, so wie wenn man Socken strickt. Ich habe unten an den Knöcheln begonnen und nach oben gestrickt. Ich hatte Lust auf eine archaische Frauenform, also etwas füllig und kurvig. Es war spannend, plötzlich ein Wesen zwischen den Stricknadeln zu haben, das immer weiblicher wurde.“

Die Grüne Göttin
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Möwe auf dem Kopf der grünen Göttin

Hinter diesen fünf Göttinnen verbergen sich Geschichten, die Lisa Engel während des Schaffens begleiteten. „Die Grüne war die erste, das war ein Wesen das Angst gehabt hat, in der Öffentlichkeit sichtbar zu werden und es hat sich als Tier eine laut schreiende Möwe geholt, die sie unterstützt hat. Und in der Zwischenzeit hängt sie da ganz friedlich an der Wand und reagiert auf Menschen, die sie ansprechen.“ Die Möwe sitzt auf dem Kopf der grünen Göttin.

Auch bei den jüngeren Puppen handelt es sich um Tiere, nämlich um Ratten: „Diese Ratten die kommen aus meinem Unterbewusstsein, ganz offensichtlich. Ich hab in der Früh mich damit beschäftigt, wie es mir geht und hab gezeichnet und geschrieben und plötzlich habe ich eine Ratte gezeichnet. Da hab ich mir gedacht, das mach ich jetzt einmal.“

Eine tanzende Ratte
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Ratte, die tanzt

Bewegung als großes Bedürfnis

Erst dann informierte sich Engel im Internet über die Symbolik: „Die Ratte ist ein Wesen, das durchaus stinkende Dinge anpackt, frech ist, eigene Wege geht, sehr sozial ist.“ Vier Ratten in unterschiedlichen Materialien gibt es bereits und es sollen noch einige folgen. Eine der erschaffenen Ratten steht auf einem Sockel und tanzt: „Hat vielleicht auch etwas mit dieser Zeit zu tun, des zu Hause Sitzens, das Bewegung so ein Bedürfnis wird, jedenfalls versuche ich, meine Wesen in Bewegung zu bringen. Ich versuche, das Bewegte besser darzustellen und ich glaube, dass mir das ganz gut gelungen ist und ich hab da in Kanada eine Kollegin, die sehr bewegte Wesen macht und die hat mich inspiriert, mich auch zu trauen.“

Bis 10. März werden Lisa Engels bewegte und mystische Puppen im Cafe Seerose am Aichwaldsee ausgestellt.