Szenenausschnitt Figaro lässt sich scheiden
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Kultur

Bittere Melancholie in Horvaths „Figaro“

Martina Gredler inszeniert Ödön von Horvaths Exilantenstück am Stadttheater kühl und ohne Happy-End. Bei der Premiere brillierten Florian Carove als ernüchterter Figaro und Hanna Binder als lebenslustige Susanne.

Mit viel Metaphorik, stilistischen Zitaten und minimalistischer Ausstattung setzt Regisseurin Martina Gredler Horvaths Komödie „Figaro lässt sich scheiden“ auf die karge Bühne des Klagenfurter Stadttheaters. Bei der Premiere am Freitag brillierten Florian Carove als ernüchterter Figaro und Hanna Binder als lebenslustige Susanne. Die Bühnenmusik aus der Seitenloge (Wladigeroff Brothers) war ein stimmiger Soundtrack zum Emigrantendrama.

Figaro – Chaplin, wie er Hitler imitiert

Turbulent beginnt die Horvathsche Fortschreibung von Beaumarchais Figaro-Trilogie: Auf der Flucht vor einer nicht näher bezeichneten Revolution purzeln Graf und Gräfin Almaviva und ihre Dienerschaft Figaro und Susanne durch den Publikumsraum auf die Bühne. Satirisch überzeichnete Witzfiguren sind die Grenzbeamten hinter ihrem Balken, den die Flüchtlinge auf dem Weg ins neue Leben passieren. Und auch Figaro sieht aus wie ein Komiker – genau genommen wie Charlie Chaplin, als er dereinst Hitler imitierte.

Szenenausschnitt Figaro lässt sich scheiden (Stadttheater Klagenfurt)
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Die Flüchtenden im „Figaro“ sehen sich mit Ausländerhass konfrontiert

Auch Ausländerhass und Hetze werden in der Inszenierung thematisiert. Dazu sagte Regisseurin Martina Gredler: „Dass man sieht, wie die Emigranten sich im Exil verhalten, wie sie auf eine Gesellschaft treffen, die Ausländerfeindlich ist, die sie mit Vorurteilen betrachtet und wie diese Auseinandersetzung abläuft.“

Regisseurin Fiagor lässt sich scheiden
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Regisseurin Martina Gredler

Der Graf findet sich im Exil ganz und gar nicht zurecht, Figaro hingegen, versucht sich ein neues Leben aufzubauen, versucht sich anzupassen, aber das führt wiederum dazu, dass es zwischen ihm und Susanne zu kriseln beginnt. Die Stimmung der Erleichterung wandelt sich bald, Graf und Gräfin verarmen, Figaro, der sich mit einem Friseursalon selbstständig macht, wird zum opportunistischen Spießer. Susanne verlässt ihn schließlich – nicht nur deswegen, sondern auch weil er mit ihr kein Kind in diese vergiftete Welt setzen will. Anders als im Original endet das Drama schließlich ohne Versöhnung. Zurück in der Heimat befindet Susanne traurig: Was geschieden ist, soll geschieden bleiben.

„Figaro“: „Nicht-mehr-Reden-Können“ interessiert mich

Dazu „Figaro“-Darsteller Florian Carove: „Das Trennungsthema ist ein Thema, das mir persönlich sehr nahe geht, weil ich´s gerade erlebt habe. Da kann ich sehr gut etwas ‚dazugeben‘. Das Scheitern, das Nicht-mehr-miteinander-Rede können, ist es, was mich am meisten interessiert.“

Szenenausschnitt Figaro lässt sich scheiden
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Die Welt dreht sich weiter im Kreis

Immer langsamer wird diese Geschichte auf der Bühne erzählt. Sequenzen wie in Zeitlupe werden eingestreut, Szenen wie Standbilder eingefroren. Es wird kälter, Schnee fällt und die Gräfin läuft Eis. Dennoch sind alle Figuren stets in Bewegung, auch wenn sie nur stehen und warten, das Rad der Zeit dreht sich trotz allem weiter. Die Drehbühne ist im Dauereinsatz, durch die zwei Eingänge eines gesichtslosen, stilisierten Hauses kommen und verschwinden die Akteure wie das Pärchen eines Wetterhäuschens (Bühne: Sophie Lux). Es ist kein Bleiben hier, und den Palast von einst gibt es nicht mehr. Die symbolhaft etwas überfrachtete Inszenierung kommt allerdings ohne plumpe Aktualitätsbezüge aus. Die Welt von gestern ist die Welt von heute. Dafür stehen die dezent zitierenden Kostüme von Lejla Ganic.

Szenenausschnitt Figaro lässt sich scheiden (Stadttheater Klagenfurt)
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Figaro und Susanna

Für komische Momente und Lacher im Publikum sorgt so manche Nebenfigur mit teils schrillem Slapstick, für Irritation eine feministische Kampfrede der Gräfin (Elisa Seydel), für Sinnlichkeit und Eleganz eine Tangoeinlage. Als Reverenz vor dem Spielort Kärnten ist wohl das slowenische Lied zu werten, das Katarina Hartmann, heraustretend aus ihren Mehrfachrollen (Hebamme, Grenzer), am Bühnenrand anstimmt.

„Jakob Lenz“ im Stadttheater Klagenfurt

In der Kammeroper „Jakob Lenz“ geht es um den gleichnamigen Komponisten, der an Schizophrenie gelitten hat. Der deutsche Komponist Wolfgang Rihm präsentiert sein Werk im Stadttheater Klagenfurt.

Betroffenheit im Premierenpublikum: Viel Applaus

Es ist keine lustige Geschichte, die da in Klagenfurt in knapp zwei pausenlosen Stunden erzählt wird. Es ist eine Geschichte über das Sterben der Liebe, die Suche nach Menschlichkeit, die Heimatlosigkeit. Die Betroffenheit war dem Publikum anzumerken, das sich mit langem, freundlichen Applaus für die Premiere bedankte, die coronabedingt zuvor zweimal verschoben worden war.

„Figaro lässt sich scheiden“, Komödie in drei Akten von Ödön von Horvath. Weitere Vorstellungen: 10., 15., 20. Februar, 4., 10., 16. März 2022, jeweils 19.30 Uhr.