Margit Paier in ihrem Geschäft
ORF
ORF
Leute

Aus Leidenschaft wurde eigenes Geschäft

Margit Paier ist hauptberuflich in einem Pflegeheim tätig. Aber ihre ganze Leidenschaft galt immer schon dem Stricken und ein lange gehegter Traum war ein eigenes Wollgeschäft. Irgendwann konnte sie den Traum verwirklichen und eröffnete die Wolllade in Klagenfurt. An zwei Abenden pro Woche gibt es nach Geschäftsschluss auch Strickrunden zum Austausch.

Das Stricken war für Paier schon immer ein Ausgleich: „Ich habe schon einige Kilometer verstrickt. Ich habe auch sehr viele Stücke, die 20, 30 Jahre alt sind – Socken im Kasten, die noch tadellos sind und noch immer den Zweck erfüllen. Das ist schon Qualität. Ich glaube nicht, dass ein Pullover von der Stange so lange hält oder so strapazfähig ist, als wie das, was wir selber produzieren.“

Für sie hat das Stricken auch etwas Meditatives: „Es tut dem Körper gut. Es ist Entspannung. In der heutigen Zeit, wo wir nur mit Stress und Hektik bedient sind, ist es am Abend oft eine angenehme Geschichte, etwas für sich zu machen und seine Phantasie, seine Ideen Preis zu geben. Ich denke, da kann man schon sehr viel herausholen.“

Margit Paier
ORF
Stricken ist für Margit Paier Erholung

Jugendtraum erfüllt

Als für ein alteingesessenes Klagenfurter Handarbeitsgeschäft in der 8. Mai Straße ein Nachfolger gesucht wurde war für sie klar: Das wird mein Herzensprojekt für die kommenden Jahre.: „Wie ich gesehen habe, dass das Geschäft zur Auflösung steht, habe ich mir gedacht: Das wäre jetzt mein Hobby, was ich eigentlich immer machen wollte. Jetzt hätte ich eine Chance, das zu machen und ich hatte dann das Glück, das zu übernehmen. Es ist eigentlich ein Jugendtraum in Erfüllung gegangen."

Drei Mitarbeiterinnen im Geschäft helfen ihr dabei, den Traum umzusetzen, wenn sie gerade nicht da ist, denn den Job im Pflegeheim gab sie nicht auf. Sie alle wollen den Kunden vor allem Freude am Handarbeiten vermitteln, sagte Paier: „Es ist Entspannung. Die Farben geben dir vieles, die Ideen – ich habe irrsinnig viele Ideen. Ich möchte den Leuten auch diese Ideen präsentieren. Das macht Spaß. Mein Slogan lautet ja: Stricken Sie Mode mit uns. Machen Sie Mode. Ich möchte den Leuten mit kleinen Schritten beibringen oder zeigen, was alles möglich ist.“

Die Wolllade in Klagenfurt
ORF
Zur Wolle gibt es Beratung, Tipps und Tricks

Vom Anfänger bis zum Profi

Möglich ist Vieles – egal ob man schon viel Strickerfahrung hat oder ob man quasi bei Null anfangen möchte – wichtig ist, einfach loszulegen, ist Paier überzeugt: „Das kann jeder lernen. Es ist einfach. Das Stricken hat sich verändert, es werden nicht mehr einzelne Teile gestrickt, sondern es wird Vieles im Gesamten gestrickt. Es fallen viele Schritte weg – sprich das Zusammennähen. Es gibt Erleichterungen, die Wollqualität hat sich verändert. Die Farben sind natürlich ein Highlight – immer der Mode angepasst. Die Wollfirmen sind sehr bemüht, gute Anleitungen zu bringen, verständliche Anleitungen – es ist wirklich keine Hexerei.“

Die Wollladys in ihrem Element
ORF
Nach Ladenschluss kommen die Wollladys

Strickabende nach Geschäftsschluss

Unter Handarbeitsbeisterten sprach sich längst herum, dass in der Wolllade regelmäßig auch Themenabende stattfinden. Das Interesse ist groß. Regelmäßig kommen dort auch die „Woll-Ladys“ zusammen, nach Geschäftsschluss, so Paier: „Wir haben am Dienstag ab 18.00 Uhr und am Donnerstag ab 18.00 Uhr zwei Strickabende, die sehr, sehr gerne besucht werden. Da kann jeder stricken, was er möchte und seine Ideen einbringen. Es ist kein Zwang, dass jeder das Gleiche machen muss. Durch diese Kombination mit den Leuten helfen sich die Leute auch untereinander. Es macht wirklich Spaß.“

Auch junge Frauen lassen sich inspirieren

Viele der anwesenden Frauen haben schon jahrzehntelange Erfahrung mit Stricken, Sticken oder Häkeln. Aber es gibt auch immer wieder Neuzugänge, erzählte Paier: „Ich hatte gerade unlängst eine Gruppe – das hat sich zufällig ergeben auf einem Dienstag – wirklich junge Mädchen. Das war ein ganz lustiger Abend. Sie waren sehr bemüht. Ich muss dazu sagen, die haben noch nie eine Nadel in der Hand gehabt. Ich musste wirklich zum ersten Mal vom Anschlag bis zur Qualität, wie es funktioniert, erklären. Sie waren so stolz. Das hat wirklich Spaß gemacht. Sie kommen auch wieder. Sie stricken für die Kinder. Die Kinder sind 7-8-9-10 Monate alt. Das macht Spaß. Anscheinend ist auch hier ein neuer Weg entstanden, etwas herzustellen.“

Ilse Tengg
ORF
Ilse Tengg lässt sich von den Mitstrickerinnen inspirieren

Langjährige Strickrunden

Auch einige Männer holten sich schon Anregungen für ihre handgefertigten Werkstücke. Auch wer viel Erfahrung hat, kann hier immer wieder etwas Neues lernen, sagte Ilse Tengg aus Klagenfurt. Sie ist seit 2004 regelmäßig dabei: „Handarbeiten liegt mir einfach sehr an der Seele – Stricken, Häkeln, Nähen, Sticken. Alles, was man lernen kann, habe ich da gelernt. War eigentlich immer der Meinung, ich bin keine so eine Stickerin. Wenn ich heute meine Werke anschaue sind sie relativ nett und brauchbar. Es gibt daheim eigentlich keinen Tisch ohne meiner Tischdecke."

Tengg kommt durch den Austausch mit ihren Freundinnen von den „Woll-Ladys“ immer wieder auf neue Ideen: „Der Gruppenzwang ist ja ganz groß. Man sieht vom einen oder vom anderen, was er Schönes macht. Für jeden bleibt ein bisschen was hängen. Dann arbeitet man einfach weiter und lässt sich inspirieren.“

Stricken hat immer Saison

Gestrickt wird das ganze Jahr über. Während der kalten Jahreszeit sei das Stricken fast wie Medizin gegen den Winter-Blues, ist Helene Lorber überzeugt: „Vor allem, wenn man Depressionen hat, ist das ganz eine tolle Winterbeschäftigung Handarbeiten – egal ob Sticken oder Stricken. Man muss geistig dabei sein. Man hat keine Zeit zum Schauen, ob nicht Nebel draußen ist, schneit oder regnet oder sonst was. Man ist beschäftigt und es gibt sehr sehr viel. Handarbeiten gibt wirklich sehr, sehr viel.“

Gestickte Teddybären
ORF
Rund 600 Stunden stickte Helene Lorber an den Bären

Für Weihnachten bereits vorgesorgt

Ab dem Frühjahr legt sie dann eine kleine Handarbeitspause sein, weil sie sich dann ihrem Garten widmet. Kein Problem – denn sie hat schon längst vorgesorgt: „Handarbeiten darf man nicht zu knapp bemessen. Ich habe auch schon die nächsten Weihnachten fertig, weil im Dezember ist dann der Stress zu groß. Meine kriegen alle Socken.“ Gut eineinhalb Tage braucht sie für ein Paar. Sie hat schon so viel Erfahrung, dass das Stricken quasi „nebenbei“ geht, zum Beispiel am Abend beim Fernsehen: „Da brauch ich nicht mehr viel auf die Arbeit schauen. Das geht schon automatisch.“

Helga Geith
ORF
Seit der Augenoperation kann Helga Geith ohne Probleme Handarbeiten

Staroperation extra fürs Stricken

So ist das auch bei Helga Geith. Sie ist die „dienstälteste“ Woll-Lady und strickt schon seit ihrer Volksschule. Im Oktober wird sie 90 – ist aber nach wie vor mit voller Leidenschaft dabei: „Jeder will Socken haben und dann stricke ich halt für die ganze Verwandtschaft und wenn wer welche haben will dann kriegt er sie. Im Jahr stricke ich zwischen 60 und 70 Paar – oft einmal mehr, oft einmal ein bisschen weniger. Dann werden sie hergeschenkt – Weihnachten, Geburtstag und wenn wer welche braucht.“

Dass im hohen Alter das Handarbeiten wegen nachlassender Sehkraft zunehmend schwierig werde, will Helga Geith so nicht stehen lassen. Wenn man will, findet man für alles einen Weg, sagt sie: „Ich habe mich extra Star operieren lassen, damit ich besser stricken kann.“ So kann auch bei den Zusammenkünften in der Wolllade jeder seinem eigenen Tempo nachgehen und seiner Phantasie freien Lauf lassen.

Handarbeitsrunde hat Tradition

Die Wollladys kamen teilweise schon zur Vorbesitzerin der Wolllade, Hilde Murbacher. Jahrzehntelang bot sie Kurse an und beriet ihre Kundinnen, bis Ende 70 stand sie im Geschäft – mehr dazu in –Ein Leben für die Handarbeit (kaernten.ORF.at 5.1.2018).