Moderatorin Ute Pichler mit Therapeutin Nadja Kopeinig-Geretschnig
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Du+ich=Österreich

Pandemie führte zu vielen Konflikten

Rotes Kreuz, Ärztekammer, Gesundheitskasse und ORF haben die Initiative „Du+Ich=Österreich“ gestartet, um Gräben in der Pandemie zuzuschütten. Familientherapeutin Nadja Kopeinig-Geretschnig gibt Tipps, wie man wieder ins Gespräch kommt und Konflikte löst.

Das ORF-Landesstudio Kärnten möchte einen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskussion leisten und bietet die Möglichkeit, Fragen zu persönlichen Konflikten in der Familie zu stellen, die von der Psychologin anonym beantwortet werden – mehr dazu in Antworten der Psychotherapeutin.

„Enormer Druck hat sich aufgebaut“

Nadja Kopeinig-Geretschnig ist systemische Familientherapeutin und hilft, Konflikte zu lösen. Derzeit habe man den Eindruck, ob es nun um das Impfen, die Klimakrise oder familiäre Probleme gehe, dass, wo früher diskutiert wurde, die Menschen immer öfter einander mit verschiedenen Meinungen unversöhnlich gegenüber stehen. Auf die Frage, warum das so sei, sagte Kopeinig-Geretschnig: „Was sich in den letzten Jahren entwickelt hat, ist, dass es mehr Druck auf die Menschen gibt. Das ist in dieser Zeit ganz extrem geworden. Das Thema Corona bringt Angst, Verlustängste, Krankheit, Tod mit sich. Und die Angst macht uns starr, wir bekommen die Dinge nicht mehr so raus, wie wir sie möchten. Auf der anderen Seite wird ganz extrem geschrien, es wird gepoltert, ich glaube, diese zwei Extreme stoßen aufeinander und so kommt schwer ein Gespräch zustande.“

Nadja Kopeinig-Geretschnig
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Nadja Kopeinig-Geretschnig

„Wunsch, den anderen zu verändern“

Zur Frage, ob es Möglichkeiten für Familien oder Freunde gebe, wenn Positionen festgefahren sind, sagte die Therapeutin, man solle versuchen, seine eigene Emotion etwas nieder zu halten und nicht gleich wütend zu werden. Dann sei eine Kommunikation einfacher: „Oft ist es auch der Wunsch den anderen verändern zu wollen oder auf meine Seite ziehen zu wollen. Ich glaube, das kennen wir alle.“

Wenn man hingegen versuche, mehr auf sachlicher Ebene miteinander zu reden, gelinge es leichter, Konflikte zu lösen: „Wenn es ganz hart auf hart geht, dann rate ich auch in der Praxis dazu, das Gespräch zu unterbrechen. Jeder geht den Kopf ein bisschen ausrauchen und dann kommt man wieder zusammen und kann neu beginnen.“

Vor allem Kinder und Jugendliche leiden

Wenn Paare merken, sie drehen sich immer wieder im selben Kreis, die Belastung werde zu groß, wäre der Moment erreicht, jemanden Dritten, eine neutrale Person hinzuzuziehen, so Kopeinig-Geretschnig.

Vor allem aber Kinder und Jugendliche seien von der derzeitigen Situation stark betroffen: „Da merke ich in der Praxis, dass die Kinder oft den Rückzug antreten. Nicht mehr in die Schule gehen wollen, nicht mehr aufstehen können, depressives Verhalten zeigen und sagen ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr. Sie äußern auch Selbstmordgedanken, das kommt immer häufiger in den Vordergrund und ist sehr bedenklich.“

Reden kann viel bewirken

Hilfe von außen kann in so einer Situation Einiges bewirken, so die Familientherapeutin. Wichtig sei vor allem das Reden, allein das könne schon viel bewirken: „Allein wenn ich weiß ich hab jemanden, dem ich alles erzählen kann, das entlastet schon einmal. Und dann kann man versuchen, mit jemanden der sich auskennt in der Gesprächsführung zu schauen, was gibt es für Möglichkeiten, was das verhindert.“