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Coronavirus

Verfassungsjurist: Impfpflicht angreifbar

Schon im Begutachtungsverfahren gab es eine Rekordanzahl an kritischen Stellungnahmen gegen das Bundesgesetz zur Impfpflicht, unter anderem von der Kärntner Initiative für Grund- und Freiheitsrechte. Rechtsanwalt Bernhard Fink sieht etwa höhere Strafen nach Einsprüchen angreifbar.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sagte im Ö1-Morgenjournal, man habe alles getan, damit das Gesetz halte – mehr dazu in oe1.ORF.at Player. Die Bundesregierung kündigte am Donnerstag auch ein Anreiz- und Belohnungspaket in Zusammenhang mit der Impfpflicht an – mehr dazu in Anreiz- und Behlonung (news.ORF.at). Konkret soll es eine Lotterie geben.

Im Vergleich zum ersten Entwurf gebe es beim Impfpflichtgesetz durchaus Verbesserungen, sagte Rechtsanwalt Fink: „Ich denke, dass es im Grundsatz verfassungskonform ist, aber es gibt natürlich einige angreifbare Punkte.“

Nationalrat beschloss Impfpflicht

Im Nationalrat wurde am Donnerstag neben der umstrittenen Impfpflicht beschlossen auch ein Anreiz- und Belohnungspaket wurde beschlossen. So soll es etwa eine Impflotterie oder ein Anreizsystem für Gemeinden geben.

Hohe Strafen bei Einsprüchen für Fink „bedenklich“

Sehr kritisch sieht Fink etwa die Bestimmung, dass Einsprüche gegen Strafverfügungen die Betroffenen teurer kommen können. Wer ab Mitte März bei Kontrollen keinen Impfnachweis erbringen kann, dem drohen bis zu 600 Euro Strafe und das bis zu vier Mal. Im Fall von Einsprüchen kann die Strafe auf bis zu 3.600 Euro steigen.

Darin sieht Fink ein „rechtliches No-Go“. Im Verwaltungsstrafgesetz gelte der allgemeine Grundsatz, dass durch einen Einspruch gegen eine Strafverfügung keine schärfere Strafe in einem ordentlichen Verfahren verhängt werden dürfe. Das sei ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot. „Das halte ich für kein gutes Zeichen an die Bevölkerung und auch für verfassungsrechtlich bedenklich.“

Teilimpfpflicht für bestimmte Berufsgruppen als Alternative

Grundsätzlich sieht Fink die Impfpflicht als Ultima Ratio, als letztes Mittel, um eine Überlastung des Gesundheitssystems und weitere Lockdowns zu verhindern. Aus seiner Sicht verabsäumte es die Bundesregierung, die Bevölkerung zuvor mit mehr Aufklärung und Werbung von der Impfung zu überzeugen. „Man hätte auch überlegen können, Teilimpfpflichten einzuführen, wie das in Italien der Fall ist. Vor allem im Bereich des Gesundheitspersonals wäre es jetzt schon nach dem Epidemiegesetz möglich gewesen, dass der Gesundheitsminister eine Verordnung erlässt, wonach sich das Gesundheitspersonal durchgängig einer Impfpflicht zu unterziehen hätte.“ Das heißt also, eine Pflicht zur Impfung nur für bestimmte Berufsgruppen oder wie in Italien nur für über 50-Jährige.

Zur Umsetzung der Impfpflicht seien noch einige Verordnungen des Gesundheitsministers und der Bundesregierung zu erwarten. „Man wird auch deren Ausgestaltung abwarten müssen – ob sie gesetzeskonform sind und ob sie insgesamt mit der Verfassung in Einklang zu bringen sind“, sagte Fink von der Initiative für Grund- und Freiheitsrechte.

Mediziner Tschmelitsch gegen Zwang

Nicht nur Juristen, auch einige Wissenschaftler und Ärzte lehnen die allgemeine Impfpflicht ab. So auch der Kärntner Chirurg und Universitätsprofessor Jörg Tschmelitsch: „Ich bin selber drei Mal geimpft, aber ich glaube, dass man aus medizinischer Sicht eine Impfpflicht, wie sie durchgeführt werden soll, nicht verantworten und begründen kann. Schwere Verläufe haben wir meistens in den Risikogruppen. Sie sollen natürlich geimpft werden, auch ein drittes Mal. Aber die anderen, die nie krank werden und gerade bei der Explosion der Omikron-Variante eigentlich in den Krankenhäusern zu sehen sein müssten, aber bis jetzt nicht da sind – warum will man sie zu einer medizinischen Handlung zwingen, der sie ablehnend gegenüberstehen und von der sie auch nichts haben werden?“

Andere Experten regten in den letzten Tagen eine Verschiebung der Impfpflicht an, wie der Virologe Norbert Nowotny am Mittwoch in der „Zeit im Bild 2“: „Wenn beide alternativen Impfstoffe – der Proteinimpfstoff von Novavax und der Totimpfstoff von Valneva – zur Verfügung stehen würden wir sicher noch fünf Prozent der Bevölkerung zur Impfung bewegen, ohne sie zu strafen.“ Trotzdem bleibt es dabei: Anfang Februar tritt die Impfpflicht in Kraft.