Schultasche und Beine eines Schülers
ORF
ORF
Bildung

Gleichaltrige als Peer-Mediatoren

In den Fragen, wie man mit Konflikten umgeht und wie gewaltfreie Kommunikation funktioniert werden an der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe der Kärntner Caritas Peer-Mediatorinnen und Mediatoren ausgebildet. Sie sollen zwischen Gleichaltrigen vermitteln.

Mediation (lateinisch für vermitteln) ist ein Verfahren zur Konfliktlösung und kann in sehr vielen Bereichen angewendet werden. Die Schüler und Schülerinnen der dritten Klassen der fünfjährigen Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe haben die Möglichkeit, sich im Rahmen einer unverbindlichen Übung im Ausmaß von 40 Unterrichtsstunden zur Mediatorin bzw. zum Mediator ausbilden zu lassen.

Jakob Greilberger, der diesen Kurs absolvierte, sagte, im ersten Jahr lerne man die Theorien von gewaltfreier Kommunikation kennen: „Man lernt, dass ein Konflikt zwischen zwei oder mehreren Parteien ausgetragen werden kann. Wir lernen auch Spiele kennen, mit denen wir unter unseren Mitschülern in den Klassen, die wir als ‚Buddys‘ besuchen, gute Emotionen schaffen. Wir versuchen damit, die Klassen aufzulockern, damit sie für die weiteren Jahre eine gute Klassengemeinschaft bilden können.“

Buddys als Ansprechpartner im Streitfall

Nach einem Jahr Theorie geht es für die Schülerinnen und Schüler zur praktischen Anwendung. Da gilt es, wie Nadine Strauß erzählte, erst ein paar Hürden zu überwinden: „Wir betreuen als ‚Buddys‘ die ersten Klassen. Dort ist die Stimmung meist etwas peinlich, weil sich die Schüler untereinander noch nicht so gut kennen. Es kommt schnell zur Gruppenbildung von drei bis vier Personen. Wir führen sie zusammen und in den Schulalltag ein. Wir sind auch für Fragen offen, falls sie welche haben.“

Es könne auch sein, dass sich Konflikte zeigen, erinnert sich Jakob Greilberger an eine Situation in der Klassengemeinschaft: „Es waren drei Personen, die in einer Klasse waren und sich nicht so gut vertrugen. Einer der Mitschüler hatte die Religion eines anderen beleidigt, ohne, dass er es merkte. Der Dritte ergriff Partei und es entstand ein starker Konflikt mit körperlichen Übergriffen. Wir haben versucht, mit ihnen zu reden und zu vermitteln.“

Eisbergmodell gibt Aufschluss über Konfliktgründe

Zum Einsatz bei der Konfliktbewältigung kommt zum Beispiel das Eisbergmodell: „Dabei beobachten wir die Spitze des Eisberges, also das Problem selbst. In der darunterliegenden Wasserschicht studieren wir alle Faktoren, die zu einem Konflikt führen.“ So wird Beleidigungen, die ein Hobby, die Religion oder die Familie betreffen, auf den Grund gegangen.

„Es kommt oft dazu, dass ein großer Konflikt ausartet und irgendwann die ganze Klasse gespalten ist.“ Im konkreten Fall habe man alle Faktoren, die zu dem Streit geführt hatten, auf eine Tafel geschrieben. „Wir haben gemerkt, dass alle drei Streitparteien dazu beigetragen haben, dass sich dieser Streit ausbildete und dass er so arg wurde. Die Betroffenen haben sich dann darauf geeinigt, dass die zunächst ein bisschen Abstand voneinander nehmen. Heute vertragen sie sich wieder und sind gute Freunde.“

Unterschiedliche Sichtweisen

Brigitte Jost-Kristof ist Religionslehrerin, Peer-Coach und leitet die Ausbildung an der HLW der Caritas: „Einer neutralen Haltung und dem Unparteiischsein liegt ein Menschenbild zu Grunde: Es gibt zwei Sichtweisen und es man soll nicht von vorne herein beurteilen und bewerten, sondern versuchen, die unterschiedlichen Sichtweisen herauszuarbeiten.“ Gefühle sollten dabei ebenfalls berücksichtigt werden.

Schülerinnen schätzen erworbene Zusatzqualifikationen

Michelle Tofan interessiert sich für den Fachbereich Psychologie – vielleicht wird daraus auch ein Berufsziel, sagte sie: „Ich habe mich dafür entschieden, weil ich im sozialen Bereich arbeiten möchte. Ich dachte, das ist die perfekte Schule dafür, weil es auch viele praktische Einheiten gibt. Ich kann unterschiedliche Bereiche kennenlernen und feststellen, wo ich mir vorstellen könnte einmal zu arbeiten.“

Auf jeden Fall könne sie ihre Erfahrungen als Peer-Mediatorin gut brauchen, sagt sie. Wie sie ist auch Jana Vautischer im dritten Jahrgang. Auch für sie ist die Vermittlung unter den Schulkolleginnen und -kollegen eine gute Praxis: „Man lernt, besser mit Gefühlen umzugehen und weiß, welche Gefühle und Bedürfnisse wirklich hinter einem Konflikt stecken. So kann man sich besser in den Konfliktpartner hineinfühlen.“ Diskussionen in neutraler Umgebung zu führen sei hilfreich. Dass die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner nicht unmittelbar in der selben Klasse seien sei ebenfalls positiv zu werten, sagt die Schülerin: „Das wichtigste ist, zu vermitteln. Die Streitenden sollen zusammen eine Lösung finden.“

Unterschiedliche Mediationsphasen werden durchgespielt

An der HLW gibt es ab der dritten Klasse Kommunikation, Supervision und Mediation. Die Ausbildung zur Peer Mediation ist eine zusätzliches Angebot auf freiwilliger Basis, so Brigitte Jost Kristof: „Vorteil dieser unverbindlichen Übung ist, dass wir mit sehr interessierten jungen Menschen beschäftigt sind, die das freiwillig und zusätzlich immer am Freitagnachmittag machen. Das Interesse ist sehr groß und wir haben durch die Kleingruppenarbeiten sehr viele Übungsmöglichkeiten.“

Ein Mediationsgespräch bestehe meist aus vier bis fünf Phasen: „Wir können alles durchspielen. Meiner Meinung nach stärkt das auch das Selbstbewusstsein der Schülerinnen und Schüler, weil sie in Rollenspielen die unterschiedlichen Standpunkte einnehmen.“ Das Besondere sei die vernetzende Arbeit an der Schule: „Wir haben schon in der Ausbildung zwei Klassen zusammengefasst. Das geht durch die Buddy-Arbeit durch die ganzen Schultypen hindurch. Alle profitieren davon, dass sich Einzelne gezielt mit dem Thema beschäftigen.“ Natürlich könne es nicht immer eine Lösung geben, aber man versuche, das Bestmögliche herauszuholen, sodass beide Konfliktparteien letztendlich zufrieden sind und wieder miteinander zurechtkommen.

Online-Informationsveranstaltung am Freitag

Am kommenden Freitag, 21. Jänner, gibt es bei der HLW der Caritas einen digitalen Tag der offenen Tür bei dem Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer Auskunft über die verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten geben.