Geld in Brieftasche
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Wirtschaft

Schuldnerberatung nach Weihnachten boomt

Auf die Schuldnerberater wartet auch in diesem Jahr viel Arbeit. Zwei Jahre Pandemie hinterließen ihre Spuren, die Schuldnerberatung Kärnten spricht von einer Lage, die immer prekärer wird und erwartet für heuer einen großen Ansturm. Betroffen von den finanziellen Krise sind mittlerweile alle Bevölkerungsschichten

Schon vor den Weihnachtsfeiertagen standen die Telefone bei der Schuldnerberatung in Kärnten nicht still. Auch für die nächsten Tage und Wochen erwartet der Leiter der Kärntner Schuldnerberatung, Karl Kleindl, einen großen Ansturm.

 Karl Kleindl Kärntner Schuldnerberatung
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Die Telefone in der Schuldnerberatung laufen heiß

Beratungsbedarf in allen Gesellschaftsschichten

Es seien Leute wie Du und ich, die verzweifelt sind und bei der Schuldnerberatung anklopfen. 700 Erstberatungen und 2.600 Folgeberatungen verzeichnete Karl Kleindl im abgelaufenen Jahr: „Die Stückzahl selbst sagt nicht immer alles aus. Es gibt Leute, die schon über Jahre hinweg bei uns in Beratung sind und wo Fälle wieder akut werden. Es gibt aber auch zum Beispiel 700 Leute, die das erste Mal die Schuldnerberatung in Anspruch nehmen.“

Der Beratungsbedarf gehe quer durch alle Bevölkerungsschichten, niemand sei vor einer Verschuldung gefeit: „Es ist unabhängig davon, ob es Hilfsarbeiter, Arbeiter, Angestellte, Lehrer, Ärzte oder ehemalige Politiker sind. Wir haben den gesamten Querschnitt bei uns vertreten.“

Schuldnerberatung erwartet Ansturm

Nach fast zwei Jahren Pandemie erkennen viele, dass sie finanziell so nicht mehr weitermachen können. Die Schuldnerberatung rechnet mit einem Ansturm noch im Jänner.

Viele Leben über ihre Verhältnisse

Im Durchschnitt umfasst der Schuldenberg 70.000 Euro pro Person. Manchmal müsse das Haus verkauft werden und auch die Autos, so Kleindl: „Wenn jemand 10.000 Euro Schulden hat und 900 Euro Einkommen, kann er diese Schulden nicht mehr bedienen. Wenn Zinsen und Kosten höher sind als das, was er monatlich ausgeben könnte, geht sich das nicht mehr aus.“

Viele Klienten der Schuldnerberatung schieben über Monate Rechnungen ungeöffnet zur Seite. Laut Kleindl werde es kritisch, wenn – so wie aktuell – zum Beispiel die Energie teurer werde: „Strom, Gas, Heizung – das betrifft einen dann direkt. Wenn die Leute merken, dass sie dadurch dann nicht mehr einkaufen gehen können oder wenn ihnen der Strom abgedreht wird, dann brennt es schon lichterloh.“

 Karl Kleindl Schuldnerberatung Kärnten
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Karl Kleindl

Arbeitslose trifft es meist besonders hart

Die Pandemie sei nur ein kleines Mosaikstückchen, so Kleindl. Vor allem Arbeitslose treffe es besonders hart: „Die Lage wird immer präkärer und es wird immer schwerer, wirklich durchzukommen. Wir müssen den Leuten klar machen, dass sie gewisse Prioritäten setzen müssen.“ Raucher zum Beispiel seien sich oft nicht bewusst, wie viel Geld sie für Zigaretten im Monat ausgeben.

Akten Schuldnerberatung
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Die Aktenstapel in der Schuldnerberatung werden immer größer

Zuschüsse alleine lassen aus Sicht des Schuldnerberaters ein Almosensystem entstehen: „Jedes Jahr den Zuschuss politisch zu verkaufen und dann gut dazustehen kann aus meiner Sicht nicht die Lösung sein. Es müsste entweder das Grundeinkommen für die Leute gesteigert werden oder es müssten die Gesamtausgaben bzw. die Fixkosten eingefroren werden. Das ist ein großes, politisches Thema. Wir in der Schuldnerberatung sind dazu da, den Leuten wieder in die Spur zu helfen.“

14.400 Personen sind in Kärnten in den vergangenen 20 Jahren schon in den Privatkonkurs geschlittert. Mehr als 3.000 Beratungstermine gab es im letzten Jahr, Tendenz steigend. Ein Ende oder in diesem Fall weniger Beratungen sind nicht in Sicht, schätzt die Schuldnerberatung. Denn noch gebe es einen gewissen Verzögerungseffekt. Das große Erwachen werde kommen, so Kleindl.