Verwachsener Christbaum
ORF/Peter Matha
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Chronik

Der Trend zum Christbaum mit Charakter

Die meisten Menschen suchen für Weihnachten einen geraden, perfekten und dicht gewachsenen Baum. Doch immer mehr zeigt sich ein gegenläufiger Trend zu einem natürlich schiefen und krummen Baum. Manche suchen extra besonders verwachsene Exemplare, quasi „Charakterbäume“.

Pensionist Ewald Enzi und seine Frau Christine holten sich schon ihren heurigen Christbaum aus der Plantage. Er ist ca. 1,80 hoch. Die Baumspitze ist mit mehr als 80 Zentimetern sehr sehr lang. Christine Enzi erinnerte sich, dass in ihrer Kindheit nur der schönste Baum mit aus dem Wald kommen durfte: „Aber mein Mann hat immer gesagt, die tun ihm so leid. Wenn man die anderen Bäume schmückt, sind sie schöner, weil sie etwas Eigenes haben.“

Ewald Enzi sagte, der Baum solle auf keinen Fall perfekt sein: „Das hat sich vor zig Jahren so entwickelt. Jeder will immer nur Symmetrie. Ich habe immer geschaut, hat er ein zwei oder drei Wipfel, ist er gebogen, ist er schief oder hat er einen längeren Ast. Etwas Besonders, Außergewöhnliches muss er haben.“

„Auf keinen Fall wird gekürzt“

Der extrem lange Trieb auf dem der Stern angebracht werden soll könnte ja gekürzt werden, aber Ewald Enzi sagt, das werde er auf keinen Fall tun: „Ich bin bei einem Holzschlag vorbeigekommen, wo große Bäume geschlägert wurden und die Wipfel sind auf dem Boden gelegen. Ich habe den Besitzer gefragt, ob ich ein oder zwei Wipfel mitnehmen darf, das hat er genehmigt. Der Baum wird nicht gekürzt und bleibt wie er ist. Es wird ins schon etwas einfallen, um ihn zu dekorieren.“

Aber auch bei Tannen mit drei Wipfeln werde nicht gekürzt, die Bäume seien wie das Leben, so Ewald Enzi: „Ich bin viel im Wald unterwegs, man sieht immer wieder verwachsene und verbogene Bäume vom Schneedruck. Auch alte Bäume sind oft verbogen und werden trotzdem groß und mächtig.“

Ewald und Christine Enzi
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Verwachsen und kahl – für Familie Enzi ist das Bäumchen schön

Ehefrau kommt ins Grübeln

Die Bäume spiegeln das echte Leben wider, sagte Enzi, der die verwachsenen Bäumchen liebt. Beim Sinnieren über die Form von Christbäumen kommt Christine Enzi ein Gedanke über ihren Mann: „Als wir uns kennen gelernt haben, habe ich vielleicht auch etwas Schiefes, Eigenartiges an mir? Aber da es gut läuft, passt das schon.“ Ihr Ehemann lacht, „jeder Mensch hat Ecken und Kanten, aber es passt sehr gut.“

Ein ungewöhnlicher Baum ist für das Wohnzimmer gedacht. Eine in sich verschlungene Fichte steht vor der Tür – als Dekoration. Christine Enzi hat sich an die Leidenschaft ihres Mannes für die Charakterbäume gewöhnt und teilt sie mittlerweile.

Christbaumwipfel
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Dekorieren kann man auch einen krummen Baum

Christbaumprofis seit 30 Jahren

Das Ungewöhnliche schätzen auch Christa und Hans Haberle. Sie betrieben in Sussawitsch 30 Jahre lang eine Christbaumplantage als Hobby. Heuer ist es das letzte Mal. Gut sieben Jahre dauert es, bis aus einer Pflanze ein Christbaum wird, wenn alles gut geht, so Hans Haberle: „Die Tannen wachsen sehr wild, es ist die Aufgabe des Christbaumbauern, sie wieder in die Richtung zu bekommen und Schönschnitte zu machen. Wipfel müssen nachgeschnitten werden.“ Bei schiefen Bäumen könne man nur hoffen, dass sich jemand finde, der auf Nachhaltigkeit achte und ihn trotzdem mitnehme.

Christa und Hans Haberle
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Familie Haberle auf ihrer Plantage

„Jeder kann einen schönen Baum schmücken“

Christa Haberle meinte, sie sage immer, einen schönen Christbaum kann man bald einmal schmücken, da brauche es keine große Kunst: „Ich habe mir das Ziel gesetzt, auch einem gezeichneten Christbaum die Chance zu geben schön geschmückt im Wohnzimmer zu strahlen.“ Also auch bei Familie Haberle stehe ein eher ungewöhnlicher Baum, denn die schönen habe man für die Kunden auf.

Hans Haberle über die Psychologie des Christbaumaussuchen: „Ich habe oft gedacht, das ist ein Baum, den man nicht verkaufen kann weil er schief ist oder vier Wipfel hat. Am Anfang habe ich gedacht, ich muss den Baum den Leuten ausreden. Aber viele sagen trotzdem, das ist der Baum, den ich haben will.“

Christbaumplantage Haberl im Schnee
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Die verschneite Christbaumplantage

„Perfektion macht auch Stress“

Oft sind es die Kinder, die entscheiden, worunter die Geschenke liegen werden. Dann gibt es Kunden, über die sie schmunzeln können, so Christa Haberle. Manche sagen, sie hätten heuer besondere Gäste und fahren landauf und landab und sie frage sich manchmal, ob die bis 24.12. den perfekten Baum finden. Mit Perfektion könne man sich schon viel Stress machen.

Hier gibt es keinen Rabatt, wenn ein Baum aus der Norm ist, sagte Christa, die fürs Geschäftliche verantwortlich ist.