Flyer der Kulturschaffenden mit Titel "wo geht’z zur Gert-Jonke-Gasse
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Politik

Diskussion um Nazi-Straßennamen

„Wo geht es hier zur Jonke-Gasse?“ Diese provokante Frage stellt eine Kulturinitiative in Klagenfurt, denn diese Gasse gibt es nicht. Sie fordert, die Franz-Palla-Gasse umzubenennen, weil Palla mit Gräueltaten der Nazi-Zeit in Verbindung gebracht werde. Am Freitag gab es eine Demonstration.

Der Umgang mit solchen Namen und Umbenennungen ist österreichweit trotz allem sehr unterschiedlich. Mehrere Möglichkeiten der Beurteilung müssen abgewogen werden. Gefragt werden muss, welche Verdienste welch begangenes Unrecht aufwiegen können oder wie ein Menschenleben beurteilt werden kann. Darüber herrscht bis heute keine gesellschaftliche Einigkeit. Und so gibt es hierzulande noch einige belastete Straßennamen.

Waage mit alten Schalen und Gewichten
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Welche Verdienste wiegen Unrecht auf?

„Seit Jahrzehnten Gert-Jonke-Gasse“

Besonders umstritten scheint die Dr.-Franz-Palla-Gasse zu sein. Kulturschaffende demonstrierten am Freitag erneut für eine Umbenennung der Straße, die vom Klagenfurter St. Veiter Ring auf Höhe des Landesgerichtes nach Norden zum Klinikum Klagenfurt führt.

Die Autorin Anna Baar sagte, die Franz-Palla-Gasse sei eigentlich „schon seit Jahrzehnten“ die Gert-Jonke-Gasse: „Gert Jonke hat ja große Verdienste und hier war sein Lebensmittelpunkt. Und der Herr, nach dem die Gasse bisher benannt war, ist ja nicht einer, der unbedingt durch Verdienste geglänzt hat.“

Schild Gert Jonke Haus
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Palla mit gutem Ruf als Chirurg und Geburtshelfer

Aber genau in der Frage der Beurteilung der Verdienste gehen die Meinungen eben auseinander. Im Fall des Franz Palla stehen Hunderte Zwangsabtreibungen und Sterilisationen auf der einen Seite, auf der anderen Seite stehe sein guter Ruf als Geburtshelfer und Chirurg. So entschied eine Historikerkommission erst im Jahr 2007, Palla habe unter „Befehlsnotstand“ gehandelt.

Umbenennung belasteter Straßen gefordert

Noch immer gibt es österreichweit belastete Straßennamen, die mit Gräueltaten der Nazizeit in Verbindung stehen. Auch in Klagenfurt gibt es die umstrittene Franz-Palla-Gasse. Nun fordert aber eine Kulturinitiative die Umbenennung der Gasse in die Jonkegasse.

Herwig Oberlerchner, Primarius der Psychiatrie am Klinikum Klagenfurt, spricht hier von Pseudoargumenten: „Ich glaube, dass es immer noch schlicht und einfach problematisch ist, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die unsere Vorfahren gemacht haben, auch so zu bezeichnen.“ Oberlerchner beschrieb auch, wie schwer es ihm falle, mit dem Rad durch diese Gasse zur Arbeit zu fahren. „Ich schäme mich zutiefst für die Zwangssterilisationen, die Euthanasie und die weiteren Verbrechen durch die Psychiater dieser Zeit“, sagte er und bat die Opfer und ihre Angehörigen um Verzeihung für das begangene Unrecht, das Leid, Verdrängen und Verharmlosen.

Villacher Sraßenschild mit Zusatzinfo
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Die Stadt Villach hat sich entschlossen, belastete Straßennamen durch Zusatzschilder kenntlich zu machen

Kaiser für Umbenennung

Kulturreferent Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) kam auch vor das Jonke-Haus und betonte, dass er die Initiative der Kunst- und Kulturschaffenden begrüße, weil es höchst an der Zeit sei, diese Gasse umzubenennen. „Diese Gasse soll nach Gert Jonke, einem der Größten des Literaturlandes Kärnten, benannt werden“, so Kaiser.

Kulturwissenschaftler Klaus Amann sprach von einem „zornigen Schmerz“, weil diese Gasse nach einem Arzt benannt sei, der seinen Eid gebrochen habe und an dessen Händen Blut klebe. Sie müsse nach Gert Jonke benannt werden, „der mit seinem Schreiben stets das Glück der Menschen im Auge hatte“.

Villach: Zusatztafeln für belastete Straßennamen

In Villach wurden belastete Straßennamen mit Zusatztafeln versehen. Gegen eine solche Lösung für die Palla-Gasse hätte auch die FPÖ nichts einzuwenden, wie es am Freitag aus der Parteizentrale hieß. Klar ist eben auch, dass Straßennamen Teil des kollektiven Gedächtnisses einer Stadt sind. Der Historiker Werner Koroschitz stellte die Frage, ob man nicht von Straßennamen Abstand nehmen sollte, die nationale Geschichtsmythen bilden.

Noch keine Straße für Opfer des Nationalsozialismus

Nicht nur für eine Gert-Jonke-Gasse wurde demonstriert, sondern es wurde auch jener Kärntner gedacht, die wegen ihres Widerstandes gegen den Nationalsozialismus zum Tode verurteilt worden sind. Nicht nur Täter, auch Opfer sollten mehr Öffentlichkeit bekommen, hieß es von der Initiative. Bisher wurde noch keine Straße nach einem Opfer benannt.