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Gesundheit

Psychologen schlagen Alarm

Psychotherapeuten und klinische Psychologen fordern einmal mehr eine massive Aufstockung des Therapieangebotes. Mittlerweile müssten Jugendliche mit ausgeprägten Suizidgedanken abgewiesen oder auf Wartelisten gesetzt werden. Dem widersprach am Tag darauf das Klinikum Klagenfurt.

Die klinische Psychologin Kerstin Kulterer-Prodnik sprach im ORF-Interview von einer dramatischen Situation, da man sich derzeit in einem Zustand befinde, den man so noch nie hatte. Es gebe einfach keine Therapieplätze mehr: „Die Leute suchen akut Hilfe und bekommen sie nicht. Momentan sind das vor allem junge Erwachsene und Jugendliche. Bei mir fällt mir die Altersgruppe 15 bis 25 sehr stark auf, die wirklich in einem sehr tiefen Loch momentan sind, weil sie in so jungen Jahren noch nicht zurück greifen können auf bereits durchgestandene Krisen oder negative Situationen, die ich sie durchlebt und sozusagen irgendwie als Chance haben sehen können, denen geht jetzt schlichtweg die Luft aus.“

Angebote fehlen auch in den Krankenhäusern

Auch in den Krankenhäusern in Kärnten fehlen ausreichende Angebote, wie ja eine Anfrage der NEOS im Parlament gezeigt hat. „In meiner Praxis hab ich schlimme Erfahrungen mitgeteilt bekommen von meinen Klientinnen, die sehr konkrete Suizidgedanken haben deswegen natürlich in die Psychiatrie verwiesen werden und dort dann auf einer Warteliste landen. Das heißt, mit Suizidgedanken, mit akuter Selbstgefährdung können die nicht aufgenommen werden,“ so Kulterer-Prodnik.

Therapien für Viele kaum leistbar

Eine Psychotherapiestunde in einer Praxis kostet zwischen 85 und 110 Euro. Wobei Selbstständige rund 40 Euro von der Sozialversicherung zurückbekommen, Unselbständige deutlich weniger. Im Schnitt sind etwa bei Kindheitstraumata 30 bis 50 Stunden an Therapie notwendig und damit fallen Kosten von bis zu 4.000 Euro an, für viele nicht leistbar. Überhaupt nicht bezahlt wird die klinische Psychologie, die ähnlich der Versorgung in den Spitälern ist und die gerade in der Akutphase helfen könnte, kritisiert Kulterer-Prodnik.

Das Therapieangebot müsse, wie von der Bundesregierung angekündigt, sofort massiv aufgestockt und auch bezahlt werden, forderte die klinische Psychologin: „Es geht nichts weiter. Warum, weiß ich nicht.“

Politik müsse endlich handeln

Denn Jugendliche und Erwachsene, die nicht mehr weiter leben möchten, einfach ihrem Schicksal zu überlassen, sei unerträglich, so Kulterer-Prodnik. Ausgebildete Psychologen und Psychotherapeuten gäbe es genug, um die Nachfrage abdecken zu können. Um das Angebot auszubauen, müsse die Politik aber Geld in die Hand nehmen.

Die Verhandlungen mit dem zurückgetretenen Gesundheitsminister Rudolf Anschober seien schon sehr weit fortgeschritten gewesen. Jetzt müsse endlich gehandelt werden, fordern die Therapeuten vom neuen Gesundheitsminister.

Klinikum Klagenfurt: Keine Wartelisten

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit schweren psychischen Problemen habe in Kärnten im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie um 40 Prozent zugenommen, hieß es am Freitag aus dem Klinikum Klagenfurt. Wartelisten für Kinder und Jugendliche mit Suizidgedanken gebe es aber nicht, sagte der Vorstand der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie am Klinikum, Wolfgang Wladika.

Für Jugendliche unter 18 Jahren könne er die Versorgung garantieren, sagte Wladika. „Jeder Jugendliche, der Suizidgedanken hat, wird bei uns entsprechend fachärztlich begutachtet. Der Facharzt stellt dann fest, ob eine akute Behandlung notwendig ist, dann werden Jugendliche aufgenommen.“

Mehr tagesklinische Plätze werden gebraucht

Allerdings seien die Ärzte massiv unter Druck, sagte Wladika. 30 bis 40 Prozent mehr Fälle würden die Ärzte bis ans Limit fordern. Es würden mehr tagesklinische Plätze gebraucht, sagte Wladika. „Vor allem in der Peripherie, in Wolfsberg, Spittal, St. Veit, Hermagor und Völkermarkt gebe es Nachholbedarf in der ambulanten Versorgung, in der Psychiatrie und den psychotherapeutischen Plätzen für Kinder und Jugendliche.“

Wladika fordert, wie auch die Psychologin Kerstin Kulterer-Prodnik, die sofortige Umsetzung der Psychotherapie auf Krankenschein.