80 Jährige vor Gericht
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Chronik

Verleitung zu Suizid: 79-Jährige freigesprochen

Eine 79-jährige Pensionistin ist am Freitag am Landesgericht Klagenfurt vom Vorwurf freigesprochen worden, ihren unheilbar an Krebs erkrankten Ehemann zum Suizid verleitet zu haben. Beide überlebten einen Medikamentencocktail, der Mann starb Monate später an der Krebserkrankung. Die Frau wurde frei gesprochen.

Richter Gernot Kugi sagte in seiner Urteilsbegründung, dass es keinen Schuldbeweis gegen die Frau gebe: „Wir haben uns umfassend mit den Geschehnissen auseinandergesetzt. Wir glauben Ihnen, dass Sie den Entschluss gefasst haben, aus dem Leben scheiden zu wollen.“ Es sei nicht ersichtlich, dass die Frau ihren Ehemann verleiten habe wollen. Eine Sachverständige habe in der Verhandlung auch ein Motiv des Mannes dargelegt, warum er die Schlaftablettenlösung getrunken hatte: „Er hat aus Solidarität Ihnen gegenüber gehandelt.“

Verleitung zu Suizid: 80-Jährige freigesprochen

Eine 80-jährige Pensionistin ist am Freitag am Landesgericht Klagenfurt vom Vorwurf freigesprochen worden, ihren unheilbar an Krebs erkrankten Ehemann zum Suizid verleitet zu haben. Beide überlebten einen Medikamentencocktail, der Mann starb Monate später am Krebs. Die Frau wurde frei gesprochen.

Frau pflegte schwerkranken Mann

Fast sechs Jahrzehnte waren die 79-Jährige und ihr Ehemann verheiratet. Im Herbst 2019 wurde festgestellt, dass der Mann an Demenz und Alzheimer leidet. Wenige Monate später erhielt er noch die Diagnose Darmkrebs. Da eine stationäre Behandlung nicht funktionierte, entschloss sich die Frau, sich zu Hause um ihren Mann zu kümmern. Doch dann brach die Coronavirus-Pandemie mit Lockdown und Kontaktverbot aus.

Angeklagte mit ihrer Tochter vor Gericht
Claudia Edlinger/ORF
Die Tochter der Angeklagten steht ihrer Mutter vor Prozessbeginn bei

Kaum noch geschlafen

Die Frau hatte auch keine Hilfe mehr bei der Pflege des Mannes. Sie schlief kaum noch und beschloss Ende April, sich das Leben zu nehmen. Dafür stand sie am ersten Mai extra um 4.00 Uhr auf, ging in die Küche und löste etwa 40 Schlaftabletten in einem Glas Wasser auf, als ihr Mann davon munter wurde und sich zu seiner Frau an den Tisch setzte, sagte ihr Verteidiger, der Villacher Anwalt Herwig Hasslacher: „Als sie nach einem starken Schluck das Glas absetzte langte er mit der Hand über den Tisch hin, trank den Rest in einem Sitz aus und sagte ‚egal, wo du hingehst, ich gehe dir nach, wie beim Spazierengehen‘.“

Abschiedsbrief für Kinder geschrieben

Stunden später wurden die beiden stark benommen und desorientiert gefunden. Laut den Ersthelfern bestand keine Lebensgefahr, beide wurden gerettet. Verteidiger Herwig Hasslacher plädierte bei der Verhandlung auf nicht schuldig. Sie habe ihren Mann weder zum Selbstmord verleitet, noch irgendwelche Hilfestellungen dazu geleistet, so der Verteidiger. Auch die Frau bekannte sich Freitagvormittag nicht schuldig: „Um Gottes Willen, nein!“, sagte sie auf die Frage des vorsitzenden Richters Gernot Kugi, ob sie ihren Mann zum Suizid verleitet habe. Sie habe lediglich sich selbst aus ihrer verzweifelten Lage befreien wollen. „Ich wollte aus diesem Loch heraus. Ich habe den Entschluss gefasst, jetzt ist Schluss.“ Sie habe sich erst hingesetzt und dann einen Abschiedsbrief an ihre Kinder verfasst: „Bitte verzeiht mir, ich weiß mir nicht mehr zu helfen“, stand auf dem Zettel.

Der Mann der Angeklagten kann nicht mehr befragt werden, er starb Ende 2020 an seiner Erkrankung. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Psychiater: Nicht alles alleine schultern

Psychiater Walter Wagner sagte, jeder könne in eine Situation kommen, in der er nicht mehr weiter wisse und wie man sich helfen könne, dass man verzweifle. Wenn so eine Situation länger andauere, kommen Gedanken wie alles zu beenden. Man dürfe niemanden dafür verurteilen, es gebe aber die Aufgabe, Menschen beim Weiterleben zu helfen. Wenn man in ein solche Situation komme, solle man sich Hilfe holen, nicht alles müsse man alleine bewältigen. „Es gibt immer einen Weg ins Leben.“

Hier gibt es Hilfe im Notfall

  • Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Klagenfurt am Wörthersee, Tel. 0463 53835103. E-Mail: app.klagenfurt@kabeg.at
  • Abteilung für Neurologie und Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters am Klinikum Klagenfurt am Wörthersee, Tell 0463 53838103, E-Mail: kjnp.klagenfurt@kabeg.at
  • Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin am LKH Villach, Tel. 04242 20862260, E-Mail: psychiatrie-sekretariat@lkh-vil.or.at
  • Online unter www.promente-kaernten.at.
  • Kriseninterventionszentren für Kinder und Jugendliche in außerordentlichen Übergangssituationen. Online unter www.promente-kijufa.at.
  • Psychosoziale Beratungsstellen der Caritas Kärnten, Tel. 0463 500667, E-Mail: menscheninkrisen@caritas-kaernten.at.
  • Psychosoziales Beratungszentrum/PSBZ, Tel. 0463 512035115, E-Mail: a.rosenzopf@avs-sozial.at