Agriopis leucophaearia
Foto Gailberger
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Umwelt

Ausgestorbener Nachtfalter wiederentdeckt

Zoologe Christian Wieser vom Kärntner Landesmuseum hat vor Kurzem einen Nachtfalter gefunden, der seit mindestens 80 Jahren in Kärnten als ausgestorben galt. Diese und auch einige andere Arten starteten mit den ersten höheren Temperaturen in die heurige Flugsaison.

In Virunum entdeckte Wieser einen speziellen Frostspanner, von dem das letzte Mal 1948 in Kärnten berichtet wurde: „Das Tier war mindestens 80 Jahre verschollen und tauchte scheinbar nur im Umkreis von Klagenfurt auf sehr warmen Waldplätzen auf. Ich konnte es jetzt wieder für Kärnten bestätigen.“

Flugunfähige Weibchen locken Männchen an

Diese spezielle Frostspanner-Art ist ein ganz filigraner Nachtfalter. Die Flügel der Männchen sind gräulich-weiß gezeichnet. Das Besondere an dieser Art ist, dass die Weibchen keine Flügel haben, so Wieser: „Sie können nicht fliegen. Sie schlüpfen, sitzen und warten, bis die Männchen kommen. Nach der Begattung legen sie die Eier. Nur die Männchen müssen sich irgendwohin in Gefahr begeben und viel Energie für das Fliegen oder die Partnersuche aufbringen.“

Die Weibchen können sich rein auf die Eiproduktion und -ablage konzentrieren. „Sie scheiden Sexualpheromone aus, mit denen sie die Männchen anlocken.“

Nur wenige Aufzeichnungen vorhanden

Der Frostspanner ist im Süden, also in Slowenien oder in Ostösterreich, weit verbreitet und nichts Besonderes. Kärnten befindet sich genau an der Verbreitungsgrenze. „Vielleicht kommt er jetzt öfter hier vor, weil es wärmer wird“, so Wieser. Über diese besondere Art gibt es nur wenige Aufzeichungen im Kärntner Landesmuseum. Vorhanden ist nur ein kurzer Hinweis darauf, dass diese Art bei Klagenfurt gefunden wurde. „Es gibt keine Jahreszahl dazu, es kann daher auch sein, dass er 150 Jahre lang nicht gesichtet wurde. Wir wissen es nicht. Es gibt dazu nichts in der Sammlung. Das, was wir aktuell gefunden haben, ist völlig neu“, sagt der Experte.

Möglicher Erstfund wird gerade überprüft

Ein weiterer sensationeller Fund könnte Aufmerksamkeit erregen: Wieser entdeckte Arten mit einer Flügelspannweite von einem oder zwei Millimeter. „Vor Kurzem war eine Art dabei, die möglicherweise ein Erstfund für Kärnten ist. Das muss erst sicher kontrolliert werden. Es gibt eine genetische Untersuchung, ob es wirklich diese Art ist, die ich vermute.“ Die Ergebnisse, ob es sich wirklich um eine neue Art handelt, werden im Laufe des Jahres erwartet.

Saisonstart bereits Mitte Februar

Bereits seit 15. Februar ist der Zoologe und Direktor des Kärntner Landesmuseums schon im Gelände unterwegs: „Sobald es wärmere Abende gibt zieht es mich raus, um zu sehen, was schon los ist. Der erste Schmetterling war heuer schon Mitte Februar unterwegs.“

Derzeit sind in Kärnten eher mittlere und kleineren Arten aktiv. Größere Exemplare, wie das Nachtpfauenauge mit einer Flügelspannweite von 18 Zentimeter, oder Seidenspinner sind erst im Mai bzw. Juli oder August zu unterwegs: „Mit besonders großen Exemplaren kann ich derzeit nicht auftrumpfen, aber dafür mit der Seltenheit.“

Bestimmte Arten verlegen Aktivitätszeiten vor

In manchen Gebieten Kärntens ziert sich der Schnee zwar noch ein wenig, zu schmelzen, doch in den vergangenen Wochen konnte man schon in vielen Teilen Kärntens Schmetterlinge sehen: „Gewisse Arten haben sich darauf eingestellt, dass sie ihre Aktivitätszeiten haben, wenn zum Beispiel Singvögel oder Fledermäuse noch nicht da sind. Damit haben sie eine Lücke gefunden, dass ihre Verfolgung noch geringer ist.“

Schmetterling im Kräutergarten von Romana Seunig
Romana Seunig
Tagpfauenauge

Zitronenfalter, Kohlweißlinge oder Tagpfauenaugen fliegen schon Mitte März umher, aber auch der kleine Fuchs. Seine Flügel weisen eine braune Zeichnung auf. „Er überwintert bei uns als Schmetterling und versteckt sich ihn Höhlen oder Ritzen. Sobald es warm ist unternehmen sie die ersten Blütenbesuche.“

Nachtfalter überwintern als Puppen

Aber es gibt auch schon die ersten Nachtfalter, die heuer geschlüpft und jetzt bereits unterwegs sind. Sie haben zwar nicht als Schmetterlinge überwintert, sondern als Puppen, wie beispielsweise der Frostspanner. Wenn die ersten Nächte Temperaturen über null Grad aufweisen, kann man die Nachtfalter schon beobachten und da beginnt die Forschungsarbeit von Christian Wieser.

„Wahre Feinschmecker“

Bis zu 70 Nächte pro Jahr liegt Wieser auf der Lauer, um die Nachtfalter-Welt Kärntens zu erforschen. Seine Erkenntnisse werden in Datenbanken gespeichert, registriert und genau betrachtet: „Erst dann sieht man die Besonderheiten und wie häufig Tiere vorkommen. Was sind Raritäten oder was kann man zum Schutz dieser Arten machen.“

Die Nachtfalter werden nicht nur mit UV-Licht, sondern auch mit einer speziellen Ködern angelockt, verrät Christian Wieser: „Sie sind Feinschmecker. Man macht eine Mischung aus möglichst saurem Weißwein, der mit Zucker angereichert wird. Das bringt man auf Schnüren auf und damit kann man die Tiere anlocken. Es ist eigentlich so wie Vogelfüttern.“

In Kärnten gibt es zirka 3.000 Schmetterlingsarten, davon sind ungefähr 200 Arten am Tag aktiv, der Rest sind Nachtfalter. Für Wieser gilt das Motto: „Je kleiner die Tiere, desto interessanter.“