Buchcover Klagenfurterinnen
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Kultur

Portraits von Klagenfurter Powerfrauen

Die Historikerin Alexandra Schmidt hat mit „Klagenfurterinnern“ eine frauengeschichtliche Spurensuche in der Landeshauptstadt zusammengestellt. Die Bandbreite reicht von den Hexenprozessen und Maria Theresia, Mädchen- und Frauenbildung bis hin zur letzten Türmerin von Klagenfurt.

Klagenfurt und damit auch die Klagenfurterinnen nahmen historisch im Vergleich zum restlichen Kärnten eine Sonderstellung ein. Es gab früher Bildung für Frauen, eine Erwerbsmöglichkeit mit der Tabakfabrik und auch viele adelige Damen, die sich wohltätig engagierten. Das alles und noch viel mehr steht in dem von Alexandra Schmidt herausgegebenen Buch „Klagenfurterinnen“.

Die Autorin wurde bei ihren Recherchen darauf aufmerksam, dass nur wenige Frauen auf Denkmälern oder Gedenktafeln im öffentlichen Raum zu finden sind. Auch über 90 Prozent der nach Personen benannten Straßen würden an berühmte Männer erinnern. Wohl ein Grund mehr für sie, jene Frauengeschichten aufzuspüren, die auf vielfältige Art und Weise die Geschichte der Landeshauptstadt prägten.

Tina Modotti: Allrounderin mit Klagenfurter Wurzeln

Als eine der wohl faszinierendsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts gilt Tina Modotti. Ihre Familie stammte aus dem Friaul, einen Teil ihrer Kindheit verbrachte sie in St. Ruprecht in der Sonnwendgasse und sie ging auch in Ferlach zur Schule. Alexandra Schmid beschreibt Tina Modotti als Allround-Künstlerin: „Sie war Stummfilm-Schauspielerin, Fotografin, Model, Revolutionärin.“

Durch ihr Elternhaus sei sie schon froh sozialistisch geprägt worden. Aus ihren biografischen Aufzeichnungen gehe hervor, dass sie in Klagenfurt die Aufmärsche rund um den 1. Mai mitbekommen habe, von denen sie sehr fasziniert gewesen sei.

Alexandra Schmidt Historikerin Autorin
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Historikerin und Autorin Alexandra Schmidt

„Später ging sie in die USA und nach Mexiko, wo sie sich der kommunistischen Bewegung anschloss. Berühmt wurde sie durch ihre unglaublich ästhetischen Fotos aus dem Alltagsleben der Mexikaner der 1920er Jahre“, so die Autorin. Viele der Fotos von Tina Modotti finden sich heute in Museen auf der ganzen Welt. Mit nur 45 Jahren starb die große Fotografin in Mexico City an den Folgen eines Herzversagens.

Das Buch

Eine frauengeschichtliche Spurensuche. Alexandra Schmidt (Hg.) Verlag Heyn. Mit Beiträgen von Anna Baar, Brigitte Entner, Werner Koroschitz, Andrea M. Lauritsch, Horst Ragusch, Lisa Rettl und Alexandra Schmidt. 367 Seiten, rund 340 Abbildungen, ISBN: 978-3-7084-0649-7, 34 Euro.

Marie Tusch schaffte es bis in den Nationalrat

So verschieden wie die Frauen in diesem Buch sind so sind es auch auch die Leben, die sie führten. Vielen, wie zum Beispiel Marie Tusch, gelang auch eine wirklich außerordentliche Karriere. Sie wurde 1868 in ärmlichsten Verhältnissen geboren und musste mit elf Jahren die Schule beenden. Anfangs arbeitete Marie Tusch in der Tabakfabrik. Bald begann sie sich auch in der Gewerkschaft politisch zu engagieren.

„Der Höhepunkt ihrer politischen Karriere war, als sie im Februar 1919 als erste Kärntnerin und eine von vier Sozialdemokratinnen in den Nationalrat gewählt wurde.“ Erstaunlich sei, dass sich aus ihr – trotz ihrer kaum vorhandenen Schulbildung – eine eloquente Politikerin entwickelte. „Sie war bis 1934 Mitglied des Nationalrates und fiel durch ihre Eloquenz und ihr Selbstbewusstsein auf“, so Schmid. Sie habe sich auch sehr für Frauenthemen engagiert. Ein großer Verdienst ihres Buches ist, dass auch ganz gezielt auf blinde Flecken in der bisherigen Forschung hingewiesen wird.

Alexandra Schmidt Historikerin Autorin beim Lesen
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Alexandra Schmidt hat für ihr Buch spannende Klagenfurter Frauengeschichten gesammelt

Lore Kutschera: Ehefrau von SS-Mann

Die Historikerin Lisa Rettl weist zurecht darauf hin, dass bei Lore Kutschera keine wirkliche Beschäftigung ihres politischen Engagements während des Nationalsozialismus stattgefunden hatte. Die Botanikerin, Pflanzensoziologin und Wurzelforscherin war unter anderem beim Bund Deutscher Mädel sehr engagiert und wurde später die Ehefrau des SS-Mannes Fritz Kutschera.

Maria von Herbert legte sich mit Kant an

Das Herbert-Stöckl war um 1800 der Treffpunkt des Herbert-Kreises. Dieser philosophische Salon beschäftigte sich vor allem mit Immanuel Kant. Die Mitglieder des Kreises versuchten nach den Regeln des großen Philosophen wie dem kategorischen Imperativ auch zu leben. Man solle nur nach den Maximen handeln, von denen man zugleich auch wollen kann, dass sie ein allgemeines Gesetz werden, hieß es zum Beispiel. Es versteht sich von selbst, dass das in der Praxis alles andere als einfach ist.

Frauen waren beim Herbert-Kreis ganz selbstverständlich auch mit dabei. Alexandra Schmidt weiß zu berichten, dass sich Maria von Herbert im Alter von 22 Jahren schriftlich an den damals schon recht berühmten Philosophen Kant wandte, um ihm – in zum Teil übergriffigem und eher frechen Tonfall – mitzuteilen, dass sie ihn zwar ganz toll finde, aber dass man nach seinen Grundsätzen nicht leben könne.

Maria von Herbert erhoffte sich von Kant auch Rat in Liebesfragen. Bis die Antwort dann endlich in Klagenfurt eintraf dauerte es allerdings ein Jahr.

Bild von Marktratschn Ratsch-Thresl in Buch Klagenfurterinnen
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Historische Aufnahme der „Ratsch-Thresl“

„Ratsch-Thresl“ galt als lebendiges Tagblatt

1839 geboren lebte Theresia Kuttnig, viel besser bekannt als „Ratsch-Thresl“, in einer ganz anderen Welt. Sie ist noch heute als Klagenfurts berühmteste Marktfrau bekannt. Ihren Stand hatte sie am Alten Platz. Alexandra Schmidt sagt, sie sei ein richtiges Klagenfurter Original, eine Institution, der Anfang des 20. Jahrhunderts sogar ein Film gewidmet wurde: „Was heute die Zeitung oder das Internet für uns ist war die Ratsch-Thresl um die Jahrhundertwende. Sie wusste immer alles über jeden. Sie war eine wirkliche Berühmtheit.“

Josef Kassin schuf der Ratsch-Thresl sogar ein Denkmal, das allerdings bis heute noch nicht aufgestellt wurde. Die Gründe dafür seien unklar, so die Autorin.

Kaiserin Maria Theresia wacht über Neuen Platz

Das einzige wirklich große und repräsentative Denkmal einer Frau steht auf dem Neuen Platz in Klagenfurt und zeigt Kaiserin Maria Theresia. Sie soll sich einige Tage in Klagenfurt aufgehalten haben.

Maria Theresia Statue Neuer Platz Klagenfurt
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Statue von Kaiserin Maria Theresia am Neuen Platz in Klagenfurt

Ein Denkmal anderer Art schuf sich die berühmte Architektin Margarete Schütte-Lihotzky nahe dem Bahnhof selbst. 1949 wurde der Grundstein für das Verlags- und Druckereigebäude des „Volkswillen“ gelegt. Es zeigt ganz klare Linien und weist keine Spur von Kitsch auf. Historiker Werner Koroschitz sagt, Schütte-Lihotzky wurde erst ab den 1980er Jahren mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft: „Unmittelbar nach der Kriegszeit erhielt sie kaum Aufträge, weil sie nicht nur sozial engagiert, sondern auch Mitglied der kommunistischen Partei gewesen sei. Dadurch war sie mit einem Berufsverbot belegt.“

Bachmann-Haus soll zu Ort der Begegnung werden

Maria Lassnigs ehemaliges Atelier am Heiligen Geist Platz wurde schon zu einem Ort der Begegnung. Bei dem Haus, in dem Ingeborg Bachmann in der Henselstraße aufgewachsen ist, fehlt nur noch die Unterschrift unter den Vertrag mit Heinz Bachmann – mehr dazu in Privatstiftung Kärnten kauft Bachmann-Haus.

Bachmann Haus Henselstraße Klagenfurt außen
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In diesem Haus verbrachte Ingeborg Bachmann ihre Jugend

Eines ist Alexandra Schmidt sehr wichtig: Frauen haben auch in Klagenfurt jahrhundertelang Geschichte geschrieben und waren nicht nur Randerscheinungen in einer männlichen Welt. Sie sagt, die Frauen hätten in den vergangenen hundert Jahren viel geschafft: „Da kann man wirklich stolz darauf sein und es ist dringend notwendig, das im Bewusstsein zu verankern.“