Gericht

Prozess wegen Mitwirkung an Suizid

Eine 79-jährige Pensionistin muss sich wegen Mitwirkung am Suizid ihres Ehemannes vor Gericht verantworten. Sie nahm gemeinsam mit ihrem schwer kranken Ehemann Barbiturate ein, um zu sterben. Beide überlebten, der Mann starb später an seinem Krebsleiden.

Zu der Verzweiflungstat kam es im vergangenen Frühjahr. Es war der erste Mai, an dem das Ehepaar beschloss, gemeinsam die Überdosis einzunehmen und zu sterben. Der Mann war unheilbar an Krebs erkrankt und seine Frau mit der Pflege völlig überfordert. Sie lösten laut dem Anwalt der Pensionistin, Herwig Hasslacher, Tabletten in Wasser auf und tranken die Mischung nacheinander. Sie reichte aber nicht aus, um tödlich zu wirken.

Ein Nachbar bemerkte, dass das Mittagessen, das vor die Tür gestellt worden war, nicht abgeholt wurde und schlug Alarm. Das Ehepaar wurde Stunden nach dem Trinken der Mischung ins Krankenhaus gebracht, beide überlebten. Der Mann war schwer krebskrank und starb Dezember an seiner Krankheit. Laut Anwalt Hasslacher stand der Tod des Mannes in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Suizidversuch im Mai.

Strafbarkeit von Verfassungsgerichtshof aufgehoben

Die Frau wird nun nach dem Passus im Paragraph 78 Strafgesetzbuch angeklagt, den der Verfassungsgerichtshof (VfGH) im Dezember aufhob. Bei dem Prozess, der voraussichtlich im März stattfinden wird, muss das Gericht klären, wie weit das Erkenntnis auf den Sachverhalt der – Monate vor der Aufhebung – verübten Tat Einfluss hat.

Tatsache ist, dass die Hilfeleistung zum Suizid bis zum Ende des Jahres noch strafbar ist, erst dann tritt die Änderung in Kraft, erklärte Gerichtssprecher Christian Liebhauser-Karl. Der Schöffensenat werde auch prüfen müssen, ob in diesem Fall ein entschuldigender Notstand vorliege, denn es sei zu berücksichtigen, dass der Mann schwer krank gewesen sei, so Liebhauser-Karl.

Hilfe bei Suizidgedanken

Vier von fünf Österreichern haben laut Statistik schon einmal darüber nachgedacht, sich das Leben zu nehmen. Mehr als doppelt so viele Menschen wie bei Verkehrsunfällen sterben jedes Jahr durch Selbstmord. Für Menschen in seelischen Ausnahmezuständen gibt es Anlaufstellen, die Hilfe rasch und unkompliziert anbieten.

  • Telefonseelsorge: Tel. 142 (ohne Vorwahl)
  • Rat auf Draht: Tel. 147 (ohne Vorwahl)

Erratum: In einer ersten Fassung des Beitrags hätte der Eindruck entstehen können, dass der Mann in Zusammenhang mit der Aufnahme der Medikamentenmischung gestorben war. Diese unklare Formulierung bedauern wir und stellen den Beitrag richtig. Beide überlebten demnach, der Mann starb sieben Monate später an seinem Krebsleiden.