Kalenderblatt mit Eintrag Lockdown
Hermann Hammer
Hermann Hammer
Chronik

Langer Lockdown: Ansturm auf Hilfe

Die Maßnahmen zur Eindämmung der CoV-Pandemie in Österreich dürften wegen der hohen Infektionszahlen verlängert oder sogar verschärft werden. Die Beschränkungen sorgen bereits für immer mehr psychische Probleme. Psychologen und Psychotherapeuten werden regelrecht gestürmt.

Expertenaussagen verwiesen am Samstag nach einer Gesprächsrunde über die weitere Vorgangsweise mit der Regierung im Bundeskanzleramt auf die mögliche Verlängerung oder Verschärfung des Lockdowns. Die Neuinfektionszahlen werden weiter als zu hoch eingeschätzt. Eine zentrale Rolle spielen auch mögliche Auswirkungen der nun auch in Österreich nachgewiesenen CoV-Mutation B.1.1.7. Mit der Bekanntgabe der Maßnahmen durch die Bundesregierung wird für Sonntag gerechnet – mehr dazu in ORF.at.

Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) erklärte im Anschluss an die Unterredung am Freitagabend, er rechne mit der Verlängerung des Lockdowns „bis weit in den Februar hinein“. Lockerungen wird es seiner Ansicht nach nicht geben, auch die ab dem 25. Jänner angedachten Schulöffnung dürften seiner Einschätzung nach nicht kommen. Von der FPÖ hieß es am Samstag, einen längeren Lockdown werde das Land wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht verkraften.

Bedürfnis nach persönlichem Kontakt besteht

Indessen verursachen die Ausgangsbeschränkungen, die ungewohnte Arbeitssituation im Homeoffice und die geschlossenen Schulen immer mehr psychische Probleme. Die Psychologin und Psychotherapeutin Angela Teyrowksy verzeichnet derzeit in ihrer Praxis einen Zuwachs von rund 30 Prozent bei den Klientinnen und Klienten.

Im ersten Lockdown wurden Therapiesitzungen fast ausschließlich Online durchgeführt. Das habe sich mittlerweile wieder geändert. „Man bemerkt schon die Belastung durch Social-Distancing, durch das Homeoffice oder das Homeschooling in allen Altersgruppen, dass das Bedürfnis nach dem persönlichen Kontakt besteht.“ Die psychischen Belastungen seien größer geworden, die Situation sei insgesamt ernster, sagte die Therapeutin.

Therapeutin: Stimmung kippt zusehends

Im Frühling letzten Jahres habe man sich noch „irgendwie arrangiert“, sagte Teyrowsky, jetzt kippe die Stimmung zusehends. Das führe auch dazu, dass die CoV-Maßnahmen weniger strikt eingehalten werden. „Man hat auf der einen Seite die Nase voll, auf der anderen Seite hat man Angst. Man möchte aber wieder diese menschliche Nähe haben, es ist fast so, als möchte man vergessen, welch große Gefahr in den menschlichen Kontakten liegt.“

Besonders hart trifft der Lockdown Familien, sagte Teyrowsky. „Familien, die auf engem Raum untergebracht sind, in denen die Eltern im Homeoffice und die Kinder im Distance Learning sind, wo die Eltern mit den Grundschulkindern das Homeschooling machen müssen, diese Eltern sind extrem belastet und wir vermuten, einen Anstieg bei Erschöpfungszuständen, Burnouts und Ähnlichem.“

14- bis 25-Jährige besonders betroffen

Neben den Erwachsenen ist es aber vor allem die Gruppe der 14- bis 25-Jährigen, die am meisten unter dem Lockdown leidet. „Diese Altersgruppe ist einer besonderen Belastung ausgesetzt, weil für diese Betroffenen vor allem die soziale Gruppe zählt, die Peer-Group und weniger die Erwachsenen, die sind ja wirklich in der Ablösungsphase und gerade die sind jetzt gefordert, einen Schritt zurück zu machen und zu Hause bei den Eltern, bei der Familie zu bleiben. Die sind auch ein Stück verhindert.“

In Kontakt bleiben, den Tag strukturieren, sich auch im Homeoffice nicht gehen lassen, sind einige allgemeine Ratschläge, der Psychotherapeutin. In den kommenden Jahren brauche es aber ein besseres Therapieangebot, sagte Angela Teyrowsky. Wartezeiten von bis zu einem Jahr seien unzumutbar, hier müsse die Gesellschaft rasch reagieren.