Alois Brandstetter bei der Buchmesse 2018
Kultur

Alois Brandstetters Lebensreise

Der Autor Alois Brandstetter, der von 1974 bis 2007 eine Universitätsprofessur für Ältere deutsche Sprache und Literatur an der Universität Klagenfurt innehatte und in Klagenfurt lebt, hat in seinem neuen Buch „Lebensreise: Wallfahrt, oder Werdegang und Lebenslauf“ Erinnerungen verarbeitet.

Die „Lebensreise“ ist ein Erinnern an die wichtigsten Stationen seines Lebens. Brandstetter ist das siebente Kind eines Müllers und Bauern. Seit Jahrzehnten sind die Wissenschaft und Literatur seine Welt. Im neuen Buch kommen aber Social Media genauso vor wie die Coronavirus-Pandemie.

Der Schriftsteller betont, die Lebensreise sei kein Durchmarsch, sondern ein „umwegfreundliches Schlendern“, bei dem es sehr viel zu entdecken gibt: "Es hätte noch viel Stoff gegeben, ich habe mich dann aber selber diszipliniert. Trotzdem sind es fast 400 Seiten voll Wissen, über Gott und die Welt geworden. Brandstetter ist ein Gelehrter und ein neugieriger Mensch.

Namenspatron Heiliger Aloysius

Also erfährt man auch viel über den Heiligen Aloysius, den Jesuiten, der mit nur 23 Jahren 1591 starb und sein Namenspatron ist: „Er war ein Hochgelehrter, viele Sprachen Sprechender, vor allem Spanisch, Italienisch, Toskanisch und Latein. Er ist mit 23 Jahren gestorben und hat doch auch schriftlich Einiges hinterlassen, was mir Respekt abgerungen hat.“

Alois Brandstetters Buch Lebensreise
Residenz Verlag
400 Seiten, Format: 125 x 205, ISBN: 9783701717354, Erscheinungsdatum: 01.10.2020, € 26,00

Das Lebensprogramm von Aloysius mag heute sehr zeitfern erscheinen. Seine Keuschheit soll soweit gegangen sein, dass er nicht eimal seine Mutter ansehen wollte. Dass Papst Johannes Paul II Aloysius auch zum Patron von homosexuellen Menschen ernannte, hält auch Alois Brandstetter für eine vielleicht doch etwas merkwürdige Nominierung.

Auch Romane kommen im Buch vor

Leben und Werk sind bei Brandstetter untrennbar miteinander verbunden. Also spielen auch seine Romane in „Lebensreise“ eine Rolle: „In ‚Aluigis Abbild‘" habe ich ja eigentlich neben dem heiligen Aloysius den Maler Peter Paul Rubens behandelt, der in Mantua Hofmaler war. Es wäre sich fast ausgegangen, dass er den Aloysius gesehen oder gemalt hätte, er war ja der Maler der Gegenreformation und der Jesuiten. In allen Jesuitenkirchen gibt es große Bilder, aber den Aloysius hat er nicht gemalt.“

Brandstetter kann sich vorstellen, dass das Keuschheitskonzept von Aloysius dem doch sehr lebensfrohen Maler Rubens nicht gefiel. Für den Schriftsteller ist Rubens der größte Maler überhaupt.

Viele Querverbindungen im Buch

Seine „Lebensreise“ folgt keinem strengen Fahrplan. Brandstetter kommt dabei aber nicht vom Hundertste ins Tausendste. Es fällt ihm schon allein zu einem Begriff, einem Namen, sehr viel ein: „Die Erinnerung an den James Joyce, der ja ein Jesuitenschüler war, die kommt auch immer wieder vor. Den habe ich jetzt erst so richtig entdeckt, auch das Buch ‚A Portrait of the Artist as a young man‘ oder ‚Ulysses‘ kommt immer wieder vor. Ich bin assoziativ ziemlich gesprungen.“

Betroffen von Covid in der Lombardei

Italien war und ist von der Coronavirus-Pandemie schwer betroffen. Das gilt auch für die Region, in der der Heilige Aloysius 1568 in Castiglione delle Stivere geboren wurde: „Betroffenheit, die sich ergeben hat, dass gerade die Lombardei und Castiglione sehr stark von der Pandemie betroffen ist. Früher war es so, dass die Leute fromm geworden sind und gebetet haben, heute ist es eher so, dass sie fluchen und zornig sind. Vielleicht kann man es mit den Jesuiten sagen ‚Sie wissen, was sie zu tun haben, tun Sie, was sie wollen.‘“

Abgekanzelt von Reich-Ranicki

„Lebensreise“ ist auch ein berührendes Buch über das Leben eines Menschen, der sonst sein Herz nicht unbedingt auf der Zunge trägt. Brandstetter erinnert sich auch an seine Erfahrungen mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis. 1977 verfasste er einen kritischen Artikel in einer Zeitung. Im nächsten Jahr sprang er in der Jury für den erkrankten Hans Weigel ein. Brandstetter erinnert sich an eine Begegnung mit dem Kritiker Marcel Reich-Ranicki.

"Der hat sich noch erinnert, was ich ein Jahr vorher geschrieben habe. Und das war wohl einer der Gründe, warum er mich ziemlich brutal bei dieser Schlusssitzung, wo der Preisträger bestimmt wurde, abgekanzelt hat und in seiner schneidenden Art gesagt hat ‚Wer hat eigentlich den Brandstetter eingeladen?‘.

Rom mit dem Rad erleben

Ein ganz besonderes Erlebnis war auch die Romreise 1956 mit dem Fahrrad. Brandstetter war ein junger Mann, der schon von den ersten Eindrücken überwältigt war. Erst viel später erfuhr er, dass die beeindruckenden Bildstöcke, die er sah, von Max Weiler waren. In seinem neuen Buch kommt dieser österreichische Maler auch vor. Nach zehn Tagen war Rom erreicht: „Da habe ich auch Parallelen gefunden, wie der Heilige Aloysius Rom sieht, begeistert und erschrocken.“

Bisher ging man davon aus, dass Ingeborg Bachmann in der Schule Elfchen gerufen wurde. Laut Brandstetter war es aber so, dass sie Elschen genannt wurde, weil sie für die Oper Lohengrin von Richard Wagner schwärmte und ihr der Name Elschen nach Elschen von Brabant gefiel.

Möglicherweise letztes Buch

Es kann sein, dass die „Lebensreise“ das letzte Buch von Alois Brandstetter ist. Er schreibt zumindest, dass er sein literarisches Leben abschließe: „Das ist schon ernst. Wenn man 82 Jahre wird, 100 werde ich nicht werden. Insofern ist es schon ein bisschen auf Vermächtnis gestimmt. Hinterher habe ich kleinere Essays geschrieben. Ich habe nicht vor, große Romane zu schreiben, aber kleinere Geschichten machen mir Freude.“ Am 5. Dezember wird Alois Brandstetter 82.