Angeklagte im Gerichtssaal
APA/GERD EGGENBERGER
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Gericht

Drogenprozess mit 20 Angeklagten gestartet

Am Dienstag hat am Landesgericht Klagenfurt einer der größten Prozesse begonnen, die je in Kärnten stattgefunden haben. Angeklagt sind 20 Männer, 18 von ihnen stammen aus Nigeria. Sie sollen Drogen im großen Stil ein- und verkauft haben.

Zu Beginn der Verhandlung machte Richter Alfred Pasterk, der dem Geschworenensenat vorsitzt, auf die umfangreichen Regelungen laut dem Coronavirus-Sicherheitskonzept aufmerksam. Der Saal, in dem die 20 Angeklagten mit ihren Verteidigern, Justizwachebeamte, 15 Geschworene, Richter, Staatsanwältin und Dolmetscher sitzen, hatte extra umgebaut werden müssen, um die Sicherheitsabstände gewährleisten zu können.

Drogenprozess in Klagenfurt gestartet

Am Landesgericht Klagenfurt hat am Dienstag der Drogen-Großprozess mit 20 Angeklagten begonnen. Alle Männer stammen aus Afrika. Sie sollen mit Kokain und Heroin im großen Stil gehandelt haben.

Übertragung per Video in anderen Saal

Da der Saal mit den Prozessbeteiligten bereits voll besetzt ist, wird die Verhandlung über einen Livestream in einen anderen Saal übertragen, in dem Pressevertreter und Zuschauer sitzen. Der Verhandlungssaal muss regelmäßig für mehrere Minuten gelüftet werden. Die Geschworenen, die Angeklagten und die Verteidiger betreten und verlassen den Raum jeweils über verschiedene Eingänge, um einen Kontakt der Gruppen so gut es geht zu vermeiden.

Polizist mit einem der Angeklagten
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Prozessauftakt in Klagenfurt

Langwierige Überprüfung persönlicher Daten

Den Einwand eines Verteidigers, wonach der Prozess eigentlich vertagt werden müsste, weil die Abstände gar nicht eingehalten werden könnten, wies der Richter zurück. Die ersten eineinhalb Stunden vergingen mit der Überprüfung der persönlichen Daten der Angeklagten.

Dann war Staatsanwältin Daniela Zupanc am Wort: „Es handelt sich hier um Drogenhandel im großen Stil, in einer in Kärnten noch nie da gewesenen Form“, sagte Zupanc. Der Drogenring mit Mitgliedern, die alle aus Afrika stammen, sei hierarchisch, „wie ein Unternehmen“, aufgebaut gewesen.

Zupanc erklärte, es habe drei „Chefs“ gegeben, ihnen droht lebenslange Haft. Sie hätten „Geschäftsführer“, also Verteiler, eingesetzt. „Auf einer weiteren, niedrigeren Ebene hat es dann die Verkäufer gegeben.“

Drogen im Körper geschmuggelt

Neben den nun Angeklagten seien noch zahlreiche weitere Verkäufer zur Verhaftung ausgeschrieben, weitere seien noch nicht identifiziert. Eine Rolle habe auch ein 67-jähriger Österreicher mit nigerianischen Wurzeln gespielt, der das Geld aus den Deals verwaltet hätte.

Die drei führenden Mitglieder hätten laut Angaben der Staatsanwältin das Suchtgift beschafft: Sie beauftragten Bodypacker, die die Drogen aus Italien und Wien nach Kärnten gebracht hätten. In Kärnten wurden die Drogen dann gewogen, verkaufsfertig verpackt und an die sechs Verteilerzellen weitergegeben. „In weiterer Folge haben dann die Verteiler die Drogen über die Läufer an die Abnehmer geschickt.“

Läufer kassierten und lieferten Geld ab

Die Läufer überbrachten das Suchtgift und kassierten das Geld, das sie natürlich an die führenden Mitglieder abgeben mussten. Diese bezahlten die Verteiler, und diese wiederum die Läufer, was darin resultierte, dass diese „fast gar nichts“ vom ergaunerten Geld sahen. „Das hat auch dazu geführt, dass diese die Drogen gestreckt haben, was die mittelmäßige bis sehr schlechte Qualität des Suchtgiftes erklärt“, führte Zupanc aus.

Das einkassierte Geld wurde extra verwaltet, von dem 67-Jährigen, den die Staatsanwältin als „Prokurist“ bezeichnete: „Er entschied, wie viel Geld er behielt, wie viel die Verteiler bekamen und wie viel wohin überwiesen wurde.“ Die Bandenmitglieder hatten nämlich noch teilweise hohe Schulden bei Schleppern, die sie von Nigeria nach Italien und dann weiter nach Österreich gebracht hatten. „Es war eine seiner Hauptaufgaben, zu schauen, dass die Schlepper das Geld bekommen.“

Jahrelange Ermittlungen

Die Anklage basiere nicht auf Mutmaßungen, sondern auf jahrelangen Ermittlungen, betonte Zupanc. Schon 2016 hatte es Ermittlungen gegen eine Drogenbande gegeben, dabei wurden mehr als zehn Mitglieder festgenommen und rechtskräftig verurteilt. „Danach wurde in dieser Causa verstärkt ermittelt, über die Läufer gelangte man zu den Verteilern und über die wiederum zu den führenden Mitgliedern.“

Seit Ende 2018 sei man der Bande auch über Telefonüberwachungen auf die Schliche gekommen: „51 Nummern wurden den Angeklagten eindeutig zugeordnet. Sie haben ständig die Rufnummern gewechselt, also die SIM-Karten ausgetauscht.“ 32.000 Gespräche und 12.500 Textnachrichten wurden ausgewertet: „Rund die Hälfte hatte suchtgiftrelevanten Inhalt.“ Man habe genau ablesen können, wie Verteiler kontaktiert wurden, die wiederum Läufer anriefen, die dann die Drogen abholten.

Läufer ohne Kontakt zu Bossen

Das System mit Verteilern und Läufern bezeichnete Zupanc als „geradezu typisch“. Das habe auch dazu geführt, dass die Läufer nur wenig oder gar keinen Kontakt zu den Bossen hätten. Das sei für eine Verurteilung als Bandenmitglied aber gar nicht nötig: „Es ist nicht erforderlich, dass jeder alle kennt. Wichtig ist nur, dass sie wussten, und das haben sie gewusst, dass sie Teil einer riesengroßen Struktur sind, die aus einem weitaus größeren Netzwerk besteht.“ Man habe es hier nicht nur mit „ein bissl Drogenverkauf“ zu tun, sondern mit Schwerstkriminalität, appellierte sie an die Geschworenen.

Hauptangeklagte: „Nicht schuldig“

Die drei Hauptangeklagten bekannten sich nicht schuldig. Die Verteidiger meldeten unter anderem Zweifel an der Übersetzung von Telefonüberwachungsprotokollen an, die Beweisergebnisse seien alles andere als eindeutig. Verteidiger Herwig Hasslacher zeichnete ein völlig anderes Bild von seinem Mandanten, dem Erstangeklagten, als es die Staatsanwältin getan hatte: „Mein Mandant sitzt im Gerichtssaal und kann nicht verstehen, was ihm vorgeworfen wird.“

Der 32-Jährige habe sein Geld mit dem Verkaufen von Zeitungen verdient, vor Supermärkten habe er Einkaufswagen zurückgeschoben in der Hoffnung, dass er dann die Münzen behalten dürfe, das sei sein Einkommen gewesen: „Und das soll ein Boss einer Großbande sein?“ Seinem Mandanten, der Analphabet sei, fehle sowohl die Bildung wirtschaftlicher Art als auch das Organisationstalent für solche Taten, bei ihm seien weder Drogen noch Geld gefunden worden.

Anwälte: Keine Drogenbarone

Philipp Tschernitz, der Verteidiger des 29-jährigen Zweitangeklagten, erklärte, sein Mandant werde sich ebenfalls nicht schuldig bekennen. „Die Beweisergebnisse sind stark anzuzweifeln, mein Mandant bestreitet sie auch.“ Ähnlich replizierte der Verteidiger des Mannes, dem vorgeworfen wird, der dritte „Chef“ in der Bande gewesen zu sein. Die Angeklagten würden allesamt „nicht das typische Bild von Drogenbaronen“ abgeben. Sie seien alle mittellos. Sein Mandant habe lediglich zugegeben, zwei oder drei Mal „geringfügigste Mengen“ an Drogen verkauft zu haben. „Das ist natürlich strafbar, hat aber nichts mit führender Mitgliedschaft in einer Großbande zu tun.“

Auch der 67-jährige Viertangeklagte, von der Staatsanwältin als Geldverteiler der Bande angeklagt, sei nicht schuldig, erklärte sein Verteidiger: Er habe nie etwas mit Drogen zu tun gehabt. Er sei wohl ins Visier geraten, weil er sich sozial für Nigeria engagiert und es deswegen Geldflüsse gegeben habe.

22-Jähriger bekannte sich schuldig

Ein Angeklagter jedoch bekannte sich schuldig. „Er hat bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt, sowohl was die Organisation als auch was ihn selbst betrifft“, sagte der Verteidiger des 22-Jährigen. Der Mann habe sämtliche Ermittlungsergebnisse bestätigt und auch zu den Ermittlungen beigetragen. Der 22-Jährige wurde am Dienstagnachmittag als erster durch den Geschworenensenat einvernommen, und zwar in Abwesenheit der anderen Angeklagten.

Dabei meinte er zwar, dass er nichts von einer kriminellen Organisation gewusst habe. Allerdings gab er zu, dass er wohl mehr als ein Kilogramm Heroin weitergegeben habe. Er bestätigte auch, dass er die Drogen teilweise von Mitangeklagten erhalten und andere mit Deals beauftragt hätte. Einen der mutmaßlichen Bosse hatte er als „First Big Man“ in seinem Handy abgespeichert. Er sagte auch, dass er das Geld an den 67-Jährigen abgeben habe müssen.

Einvernahme wird am Donnerstag fortgesetzt

Weiters zur Sprache kam die Tatsache, dass in den Telefonüberwachungen nie Worte wie „Drogen“, „Kokain“ oder „Heroin“ auftauchten. Das erklärte der Angeklagte damit, dass man Codes verwendet habe. Ging es um Heroin, verwendete man die Bezeichnung „Our Land“, bei Kokain „Your Land“. Denn: „Heroin ist braun, Kokain ist weiß.“ Die Einvernahme der Angeklagten wird am Donnerstag fortgesetzt.

Komplexer Sachverhalt für Geschworene

Eine besondere Herausforderung dürfte der Prozess für die Geschworenen werden. Sie müssen sich mit einem sehr komplexen Sachverhalt auseinandersetzen, um am Ende dann auch ein Urteil fällen zu können. „Es geht um viele einzelne Drogen, An- und Verkäufe in verschiedenen Täterschaftsformen. Bei 20 Angeklagten hat das zur Folge, dass nach derzeitigem Stand über 100 Fragen an die Geschworenen zu stellen sein werden. Das ist mehr als eine Herausforderung für die Geschworenen“, so Gerichtssprecher Christian Liebhauser-Karl im Vorfeld des Prozesses.

Schwurgerichtssaal im Landesgericht
ORF
Der Prozess findet im Schwurgerichtssaal des Landesgericht statt, der dafür extra umgebaut wurde

20 Verhandlungstage anberaumt

20 Verhandlungstage sind derzeit dafür geplant, mit diesem Großverfahren stößt man bei Gericht an gewisse Grenzen. „Das Geschworenenverfahren ist mehr als 200 Jahre alt und derart komplexe Sachverhalte waren damals nicht der Hintergrund, um ein derartiges System zu schaffen. Wenn man sich vorstellt, dass die Geschworenen mehr als 100 Fragen beantworten werden müssen, sieht man schon, dass dieses System nicht für ein derartiges Verfahren konzipiert ist“, so Liebhauser-Karl. Für die Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.