Stoparhof
Tomo Weiss
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Lifestyle

Alternativ als Selbstversorger leben

Longo mai ist ursprünglich eine antikapitalistische Jugendinitiative, die 1973 in der Schweiz gegründet worden ist. Man lebt und arbeitet in Kooperativen an zehn Standorten in aller Welt zusammen. Seit 1977 gibt es auf dem Stoparhof hoch über Bad Eisenkappel ebenfalls eine Gruppe Longo mai als Selbstversorger.

Longo mai bedeutet „Es möge lange dauern“ auf provenzalisch, einer Sprache die in der Provence, einer Region im Südosten Frankreichs, gesprochen wird. In Frankreich wurde nach dem Gründungskongress im Schweizer Basel auch die erste Kooperative gegründet. In fünf Ländern leben und arbeiten rund 200 Menschen auf Bauernhöfen zusammen.

Als Motivation für diese Art des Lebens als Kooperative heißt es auf der Homepage von Longo mai: „Die Jagd nach kurzfristigen Profiten zerstört unsere Welt. Die Natur leidet. Die Menschheit verliert den Boden unter den Füßen. Wir müssen uns besinnen und umdenken. Longo mai zeigt in kleinen praktischen Schritten, dass ein anderer Weg möglich ist. Neue solidarische und ökologische Lebensformen sind dringend notwendig, damit auch zukünftige Generationen eine Chance haben.“

Sieben Erwachsene und vier Kinder auf dem Hof

Auf dem Hof Stopar betreiben neun Personen aus Österreich, Deutschland, Frankreich und der Schweiz den Bergbauernhof mit Schafen, Bienenvölkern, Schweinen, Hühnern und Kaninchen. Insgesamt leben sieben Erwachsene und vier Kinder auf dem Hof. Heike Schiebeck wohnt bereits mehr als 40 Jahre hier in Bad Eisenkappel: „Wir sind Menschen aus verschiedenen Ländern und in verschiedenen Altersstufen.“ Es kommen auch neue Personen, manche bleiben ein paar Jahre, aber im Grunde sei es eine feste Gruppe, sagte Schiebeck.

Stoparhof von oben
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Stoparhof hoch über Eisenkappel

Hauptsächlich können sich die Longo mai mit ihren landwirtschaftlichen Produkten selbst versorgen. Sie versuchen, selbstbestimmt und selbstorganisiert auf Grundlagen der Menschenrechte und Solidarität zu leben: „Die Solidarität mit Schwächeren, mit Ausgegrenzten, mit Minderheiten war immer ein ganz wichtiges Element. Ohne das wäre es auch nicht Longo mai. Hier in Eisenkappel ist das auch die Solidarität mit der slowenischsprachigen Volksgruppe und international mit Flüchtlingen. Es geht auch darum, Dinge bekannt zu machen.“

„Als erstes slowenisch gelernt“

Robert Kauer, gebürtiger Wiener lebt seit 28 Jahren auf dem Stoparhof. Er sitzt auch im Vorstand des Slowenischen Kulturvereins. Bei der Verständigung zwischen den Volksgruppen half er auch mit und lernte als erstes slowenisch: „Das ist ganz einfach. Als ich viele Kontakte mit dem slowenischen Kulturverein gehabt habe, war für mich klar, dass ich diese Sprache lernen will. Als ich nach Longo mai gekommen bin, habe ich französisch gelernt, als ich nach Eisenkappel gekommen bin, habe ich slowenisch gelernt.“

Zufahrt zum Stoparhof
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Zufahrt zum Hof

Insgesamt gibt es zehn Longo mai Gruppen, sagte Heike Schiebeck: „Es gibt fünf Höfe in Frankreich, eines ist eine Wollspinnerei. Dann gibt es einen in Mecklenburg-Vorpommern, einen in der französischen Schweiz, einen in der Ukraine und einen in Costa Rica.“ Diese zehn Gruppen haben zwar verschiedene Funktionsweisen, sie alle betreiben jedoch eine selbstbestimmte Landwirtschaft und treffen ihre Entscheidungen demokratisch und gemeinsam.

Entscheidungen ohne Hierarchie

Schiebeck sagte, man habe jede Woche ein Plenum, wo Entscheidungen getroffen werden, die Arbeit eingeteilt oder auch besprochen, wer zu Besuch komme. „Dann gibt es auch gruppenübergreifende Treffen, wo Entscheidungen fallen. Wir versuchen das ohne Hierarchie zu machen, was nicht so einfach ist, denn Leute, die schon sehr lange dabei sind und viel Erfahrung haben, sind oft vielleicht auch dominant.“

Stoparhof
Tomo Weiss

100 Personen leben bei einer Gruppe in der französischen Provence, sie ist die größte Longo mai Kooperative. Dort leben Österreicher, Deutsche, Schweizer, Franzosen, Norweger, Belgier, Spanier und Italiener. Die 73-jährige Französin Giselle, die am Stoparhof drei Wochen Urlaub macht, sagte, sie sei seit 47 Jahren bei den Longo mai in Frankreich. Man heiße auch Migranten aus dem Sudan, Eritrea und anderen Ländern willkommen. Giselle sagte, die Gemeinschaft kümmere sich auch um die älteren Mitglieder, die Hilfe benötigen.

Auf dem Hof aufgewachsen

Ebenfalls zu Besuch ist im Moment Susanne Peissl. Sie wuchs bei den Longo mai in Eisenkappel auf: „Ich habe mit 19 ein soziales Jahr in Kolumbien gemacht in einer normalen Familie und habe dort das Familienleben kennen gelernt. Da ist mir aufgefallen, was ich bei Longo mai gehabt habe. Es hat positive und negative Seiten, ich würde aber mit niemandem tauschen wollen.“

Die Physiotherapeutin schätzt vor allem das Zusammenleben mit Menschen aus verschiedenen Kulturen: „Viele meiner Kindheitsfreunde kommen aus Frankreich und der Ukraine. Es ist für mich selbstverständlich, dass man internationale Freunde hat, auch wenn das im Alltag nicht so ist, dass man sich am Nachmittag auf Kaffee trifft. Aber man hat ein Zuhause in mehreren Ländern.“

Momentan sind auch Urlaubsgäste auf dem Hof, denn es wird ein Ferienhaus vermietet. Außerdem kann jeder in die Gemeinschaft der Longo mai aufgenommen werden, sagte Schiebeck: „Da haben wir keine richtigen Regeln. Wenn jemand sich interessiert, sagen wir, komm auf einen Kaffee und lass uns reden und dann bleib eine Woche oder länger. Das geht mehr nach Gefühl.“

Niemand ist der Chef

Auf dem Stoparhof gibt es keinen Chef, die Aufgaben sind aber klar verteilt. Für die Selbstversorgung gibt es nicht nur die Tiere, sondern auch einen Kräutergarten. Die Arbeitsbereiche hätten sich entwickelt, sagte Schiebeck, das habe sich nach dem Interesse der Bewohner entwickelten.

Sie kümmerte sich zum Beispiel von Anfang an um die Bienen. Wenn das keiner mehr mache, höre man damit einfach auf. Die Longo mai in Kärnten werden von der Longo-mai-Stiftung in Frankreich finanziert, wie auch die anderen neun Gruppen.

Sturm zerstörte Wald der Gemeinschaft

Ausschließlich von den Einnahmen, die sie für ihre landwirtschaftlichen Produkte bekommen, können die Longo Mai in Bad Eisenkappel nicht leben. Sie erlitten auch Einbußen durch die Stürme in der Region, die fast den gesamten Wald der Gemeinschaft zerstörten. Nicht zuletzt sorgte auch die Coronavirus-Pandemie für finanzielle Einbußen. So konnte mit der Vermietung der Ferienwohnung nur verspätet begonnen werden und auch das Coppla Kaša Fest, das für 12. September geplant war, musste abgesagt werden.

Die Longo mai leben zwar abgeschieden, aber nicht von der Außenwelt abgekapselt: „Wir haben unsere Freundschaften auch außerhalb der Gruppe. Ich tanze orientalischen Tanz, dafür muss ich nach Klagenfurt fahren. Andere habe andere Interessen“, sagte Schiebeck.