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Chronik

Bombenopfer: Unbeschreibliche Schmerzen

Am Landesgericht Klagenfurt ist am Montag der Prozess gegen zwei Männer wegen versuchten Mordes durch einen Bombenanschlag gegen die Ex-Frau eines der Männer vertagt worden. Am Nachmittag sagte das Opfer aus und erzählte von unbeschreiblichen Schmerzen, als die Bombe an der Türschwelle explodierte.

Die 27-jährige dreifache Mutter saß gefasst vor dem Geschworenensenat unter Vorsitz von Richter Bernd Lutschounig und erzählte, was am Tag der Tat passiert war. Ihr Ex-Mann und ein Komplize müssen sich deshalb wegen versuchten Mordes verantworten. Am betreffenden Tag, dem 1. Oktober 2019, hatte die Frau gerade erst ihren Sohn in die Schule geschickt, als es zwei Mal läutete – ein Klingelzeichen, das sie mit ihrem Postzusteller ausgemacht hatte, wenn dieser ein Paket für sie vor der Tür deponiert hatte.

Bombenleger wegen Anschlag auf Ex-Frau vor Gericht

Am Landesgericht Klagenfurt hat der Prozess gegen die Bombenleger von Guttaring begonnen. Die beiden 30 Jahre alten Männer müssen sich wegen versuchten Mordes, Gefährdung durch Sprengmittel und schwerer Sachbeschädigung veranworten. Die beiden Männer haben im Oktober 2019 vor dem Haus der Ex-Frau des einen Angeklagten eine selbstgebastelte Paketbombe in die Luft gesprengt, das Opfer war dabei lebensgefährlich verletzt worden.

„Komisches Gefühl gehabt“

„Schon als ich die Wohnung verlassen habe, habe ich ein ungutes Gefühl gehabt“, sagte sie. Das Paket vor der Tür kam ihr komisch vor, weshalb sie es mit einem Finger anstieß. „Plötzlich ist ein Zäpfchen an der Außenseite des Pakets aufgestanden und es hat herausgeraucht. Ich habe einmal gehört, dass man bei einer Explosion wegen der Druckwelle von einem Gebäude weglaufen soll. Und deshalb bin ich um mein Leben gerannt“, sagte die 27-Jährige. Nach ein paar Metern detonierte die Bombe. „Die Druckwelle hat mich mehrere Meter weit weg geschleudert. Ich habe fürchterlich geschrien, hatte unbeschreibliche Schmerzen“, erzählte die Frau.

Babys schliefen noch in Wohnung

Ihre ersten Gedanken galten aber ihren einjährigen Zwillingen, die noch in der Wohnung schliefen. Sie rappelte sich auf und rannte in die Wohnung, wo sie den Notarzt verständigte. Daraufhin stellte sie sich in die Dusche. Sie wurde ins Landeskrankenhaus Graz geflogen und zwölf Mal operiert – 40 bis 50 Prozent ihrer Haut waren verbrannt, noch heute hat die 27-Jährige großflächige, sichtbare Brandnarben. Wie heftig die Explosion gewesen sein musste, wurde klar, als Richter Lutschounig die Kleidungsstücke vorzeigte, welche die 27-Jährige damals getragen hatte: Eine Jeanshose und ein T-Shirt, beides völlig zerfetzt. Auch psychisch leide die Frau noch unter dem Vorfall, sagte sie: „Aber ich versuche, für meine Kinder stark zu sein.“

Zunächst harmonische Ehe

Ihre Ehe mit dem angeklagten 29-Jährigen sei erst harmonisch gewesen – dann sei dieser aber immer wieder aggressiv geworden, was schließlich zur Trennung geführt habe. Wegen verdächtiger Aussagen des 29-Jährigen habe sie schon länger Angst gehabt, dass er ihr etwas antun werde: „Ich habe damit gerechnet, dass einmal etwas passiert, ich habe nur nicht gewusst, wann.“ Auch habe sie das Gefühl gehabt, dass sie von ihrem Ex-Mann verfolgt werde.

Zur Sprache kam auch eine Lebensversicherung, die der 29-Jährige für die Frau im Jahr 2017 abgeschlossen hatte. „Ich habe davon nichts gewusst“, sagte die 27-Jährige, „wenn ich 2017 schon den Gedanken hatte, mich zu trennen – warum hätte ich denn so etwas abschließen sollen?“

Versicherung auch auf Freundin abgeschlossen

Die nächste im Zeugenstand war eine 26 Jahre alte Frau aus Klagenfurt, nach der Scheidung die Freundin des Hauptangeklagten. Auch mit ihr hat er ein gemeinsames Kind, und auch hier gab es einen erbitterten Sorgerechtsstreit, bestätigte die Frau. Wenigstens hat er auf Sie keine Lebensversicherung abgeschlossen, sagte der Vorsitzende Richter und sorgte dafür im Saal für Erheiterung.

Mit der Antwort der Frau rechnete aber dann niemand – doch, sagte sie. Auch auf sie hätte eine Lebensversicherung abgeschlossen werden sollen, ein Angebot habe der Hauptangeklagte bereits einholen lassen. 150.000 Euro im Ablebensfall der Frau – aber auch sie habe von diesen Machenschaften nichts geahnt. Erst nach der Trennung habe sie die Unterlagen gefunden.

Mann akzeptierte Trennung nicht

Der 29-jährige Ex-Ehemann wollte sich nicht mit dem Beziehungsende mit seiner Ex-Frau abfinden, schilderte Staatsanwältin Tanja Wohlgemuth am Vormittag. Deshalb habe er gemeinsam mit seinem Freund den perfiden Tatplan geschmiedet. Dabei ging es auch um Geld, denn der Mann hatte eine Lebensversicherung auf seine Frau abgeschlossen. Und das laut Staatsanwaltschaft ohne Wissen seiner damaligen Ehefrau. Laut Vertrag würde beim Ableben der Ehefrau der Ehemann 300.000 Euro bekommen. Das sei damals aber wechselseitig vereinbart worden, sagte der 29 Jahre alte Hauptangeklagte in seiner Aussage. Nur komischerweise habe das der Versicherungsmakler nicht mit in den Vertrag hineingenommen.

Bauteile für Bombe im Internet bestellt

Schon im Sommer 2019 bestellten die beiden Angeklagten Bauteile für eine Bombe im Internet, sie führten auch Probesprengungen in einem Wald durch. Am Tag der Tat holte der Hauptangeklagte seinen Freund von der Kaserne ab, in der er seinen Dienst versah – beide waren als Bundesheerbedienstete tätig gewesen. Sie fuhren nach Guttaring (Bezirk St. Veit an der Glan), wo sie die Kennzeichentafeln des Autos mit Klebeband überklebten. Sie setzten Perücken auf und trennten sich. Der Ex-Mann des Opfers ging in Sichtweite zur Haustür in Stellung.

Währenddessen fuhr der Zweitangeklagte zum Mehrparteienhaus, in dem die Frau mit ihren Kindern wohnte. Er legte die Bombe vor die Tür. Sie befand sich in einem Amazon-Paket, darauf hatten die beiden Täter sogar ein Etikett mit Namen und Adresse des Opfers angebracht. Der Zweitangeklagte läutete bei der Frau und rannte weg. „Das Opfer stupste das Paket vor der Tür leicht an, daraufhin bewegte sich ein Zäpfchen unter dem Etikett – wie wir heute wissen, war das der Zünder“, sagte Wohlgemuth. Der Ex-Mann hatte zu diesem Zeitpunkt den Fernauslöser betätigt.

Antrag auf Einweisung in Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher

Dass die Frau überlebt hatte, sei nur durch zwei Zufälle möglich gewesen, sagte Wohlgemuth: „Zum einen eine Verzögerung bei der Zündung und zum anderen, dass die Frau ein paar Schritte zur Seite gemacht hat.“ Sie erlitt schwere Verbrennungen an Armen, Beinen und Rücken: „40 bis 50 Prozent der Körperoberfläche waren verbrannt“, sagte Wohlgemuth.

Der Erstangeklagte habe sich im Ermittlungsverfahren damit verteidigt, dass die Bombe lediglich eine „Feuerwerkskiste“ gewesen sei, er habe die Frau nur erschrecken wollen. Was ihn angeht, stellte die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher – die Gefahr sei groß, dass der Angeklagte weitere Straftaten mit schweren Folgen begeht.

Anwalt: Mandant „kranker Mensch“

Hans Gradischnig, der Verteidiger des Erstangeklagten, sagte, sein Mandant sei ein „kranker Mensch, der abgeirrte Gedanken“ gehabt und „Verfolgungs- und Verschwörungsideen“ entwickelt habe: „Alle Handlungen sind unter diesem Gesichtspunkt zu erklären“ – auch, wenn man eine solche Tat weder erklären noch entschuldigen könne. Der Mann werde sich schuldig bekennen, er habe die Sprengkraft der Bombe unterschätzt.

Gunter Huainigg, der Verteidiger des Zweitangeklagten, sagte, sein Mandant werde die volle Verantwortung übernehmen. Die Tat tue ihm irrsinnig leid und er würde sie ungeschehen machen, wenn er könnte. Huanigg beteuerte, dass sein Mandant mit dem Bau der Bombe „sehr wenig“ zu tun gehabt habe: „Er beschönigt aber nichts, was die Tat angeht.“

Komplize sollte Geld von Versicherung bekommen

Der Zweitangeklagte fühle sich vom Hautangeklagten ausgenutzt, er habe selbst eine Familie, ein Haus mit Schulden und habe dann, als er ihm zuerst 10.000 Euro und dann 100.000 Euro angeboten habe, wenn er ihm helfe, seine Frau aus der Welt zu schaffen, einfach an die Zeit danach gedacht, dass das Geld ihm eine sichere Zukunft bieten könne. Das Geld sollte von der zu erwartenden Lebensversicherung kommen.

Bombe direkt vor Opfer gezündet

„Haben Sie sich nie Gedanken gemacht, dass die Versicherung nicht zahlen wird? Oder dass der Verdacht ja sofort auf den Begünstigten fallen wird?“, fragte Richter Lutschounig. „Ich habe nicht nachgedacht und habe mich verleiten lassen“, erklärte der Angeklagte. Er bestritt auch, dass der Plan für die Bombe von ihm gekommen sei: „Ich habe mich damit überhaupt nicht ausgekannt.“ Er bekräftigte jedoch einen der schwerwiegendsten Vorwürfe der Staatsanwaltschaft: „Es war geplant, dass er die Bombe zündet, wenn das Opfer aus dem Haus kommt.“

Sachverständige am Dienstag am Wort

Die Verhandlung wurde auf Dienstag vertagt, dann soll auch das Urteil fallen. Neben Zeugenaussagen sind die Erörterungen von drei Gutachten geplant: Ein medizinischer Sachverständiger soll Auskunft über die Verletzungen der Frau geben, ein Sprengstoff-Sachverständiger über den Aufbau und die Sprengkraft der Bombe. Und auch ein psychiatrischer Sachverständiger soll zu Wort kommen – die Staatsanwaltschaft beantragte, den Ex-Mann des Opfers in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen.