Politik

Änderungen im Sozialhilfegesetz

Das Sozialhilfegesetz hat zwei Jahre lang für Unruhe gesorgt. Nach heftigen Protesten kippte der Verfassungsgerichtshof wesentliche Teile als verfassungswidrig. Nun haben die Bundesländer etwas Spielraum, wie Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) am Mittwoch bekannt gab.

Die Bundesländer können aus Kann-Bestimmungen Muss-Bestimmungen machen und Zulagen gewähren, so Prettner. Man habe in Kärnten jede Möglichkeit genutzt, um das Grundsatzgesetz des Bundes zu einem Ausführungsgesetz des Landes zu machen, das zu Recht den Begriff ‚Sozial‘ in seinem Namen trage.

Das Gesetz wurde am 26. Juni in Begutachtung geschickt, am 24. Juli endet sie. Kärnten habe dem Gesetz „die Schärfen genommen". Es würden vor allem fünf Personenkreise profitieren: Alleinerziehende, Kinder, pflegende Angehörige, Menschen mit Beeinträchtigung und Senioren.

Änderung auch beim Ausgleichszulagenrichtsatz

Bei der Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe werde von einem Basiswert von 917,35 Euro ausgegangen. Dieser entspreche dem so genannten Ausgleichszulagenrichtsatz, der österreichweit gelte und jedes Jahr valorisiert werde. So bekomme ein Alleinstehender, dem die Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe zu 100 Prozent zustehe 917,35 Euro. „In Kärnten haben wir nun besonderen Personengruppen Zulagen gewährt oder haben das, was der Bund als Kann-Bestimmung definiert hat, als verpflichtenden Rechtsanspruch festgeschrieben.“

Jedes Kind erhalte nun eine Zulage von 21 Prozent. In der ursprünglichen Gesetzesfassung, die der VfGH schlussendlich kippte, hieß es, dass das dritte Kind einer Familie nur noch fünf Prozent bzw. 44 Euro erhalten solle. Nun bekomme jedes Kind 192 Euro, so Prettner.

Mehr Geld für Menschen mit Beeinträchtigung

Mit einer fixen Zulage von 18 Prozent dürfen alle Menschen mit Beeinträchtigung rechnen. Diese werde unbürokratisch gewährt, es reiche die Vorlage eines Behindertenpasses. Außerdem werde die erweiterte Familienbeihilfe nicht mehr abgezogen. Seniorinnen und Senioren erhalten eine Zulage von zehn Prozent. Laut Prettner wollte man auch diese Seniorenzulage ursprünglich verbieten. „Das hätte für jeden älteren Menschen in der Sozialhilfe einen Verlust von 1.100 Euro pro Jahr bedeutet.“ Voraussetzung sind: älter als 60 Jahre, zumindest ein Kind erzogen und kein eigener Pensionsanspruch.

Bonus für Alleinerzieher

Alleinerziehende bekommen zusätzlich zu der Kinder-Zulage den Alleinerzieher-Bonus. Dieser beträgt für das erste Kind zwölf Prozent und sinkt dann bis zum vierten Kind auf drei Prozent. Prettner mit einem Rechenbeispiel: „Eine Alleinerziehende mit einem Kind erhält somit 1.219 Euro – nämlich 917 Euro für sich plus 302 Euro für das Kind (21 Prozent plus zwölf Prozent).“

Eine Änderung gibt es auch für pflegende Angehörige: Das Pflegegeld wird für diese nicht als Einkommen angerechnet. „Kann ein pflegender Angehöriger aufgrund der Betreuungspflichten nicht mehr oder nur teilweise einer Arbeit nachgehen, wird das Pflegegeld nicht als Einkommen angerechnet – womit sich ein Bezug der Sozialhilfe ermöglicht bzw. der Bezug erhöht wird“, sagte Prettner.

6.000 Menschen bezogen Mindestsicherung

Wie Claudia Unterrider von der Sozialabteilung ausführte, bezogen im Jahr 2019 knapp mehr als 6.000 Menschen in Kärnten eine Mindestsicherung. Die durchschnittliche Bezugsdauer belief sich auf 6,8 Monate, der Durchschnittsbezug auf knapp 600 Euro. 17,6 Millionen Euro hat Kärnten im Vorjahr für die Mindestsicherung aufgewendet. „Ein Drittel der Bezieher waren Kinder. Ein gutes Drittel sind so genannte Aufstocker“, so Unterrieder. Wie sie betonte, wurde im Jahr 2019 ein leichter Rückgang der Mindestsicherungsbezieher beobachtet – offensichtlich zurückzuführen auf die gute Konjunkturlage. Seit April 2020 werde wieder ein Anstieg registriert.

„Absturz kann schnell gehen“

Laut Prettner werde die Coronavirus-Krise wohl erst zeitverzögert schlagend werden. Die Krise führe vor Augen, dass der ‚Absturz‘ sehr schnell gehen und dass er jeden treffen könne. Er habe unter anderem Menschen getroffen, die nie gedacht hätten, dass sie von heute auf morgen mit Arbeitslosigkeit und damit Existenznöten konfrontiert sein könnten. Es sei daher unumgänglich, das letzte Auffangnetz, das ein Land zu bieten hat, menschenwürdig zu gestalten und als Sprungbrett zu verstehen, damit es die Betroffenen wieder zurück in die Mitte der Gesellschaft schaffen.

Kritik der Opposition

Kaum nachvollziehbare Verzögerungen ortet Team Kärnten-Chef Gerhard Köfer, was die Umsetzung des Kärntner Sozialhilfegesetzes betrifft. Es sei bereits am 1. Juni des Vorjahres in Kraft getreten. Die Ausführungsgesetze auf Landesebene hätten eigentlich innerhalb von sieben Monaten nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes beschlossen werden sollen, was in Kärnten nicht passiert sei. Er hätte sich mehr Tempo auf Landesebene gewünscht, das Team Kärnten habe bereits seit Jahren auf die wichtige Änderung gedrängt, dass das Pflegegeld nicht mehr auf das Einkommen gerechnet werde.

Von der FPÖ hieß es in einer Aussendung, der von Prettner mit dem Sozialhilfegesetz Neu eingeschlagene Weg „wird Kärnten zur neuen Wunschdestination für illegale Migration machen“. FPÖ-Chef Gernot Darmann rechnete vor, dass ein Ehepaar mit vier Kindern nach dem neuen Sozialhilfegesetz über 2.000 Euro Mindestsicherung bekäme. Mit Familienbeihilfe und die Wohnbeihilfe seien es rund 3.000 Euro netto. „Eine solche Unterstützung darf es nur für einheimische Familien geben, wenn sie diese aufgrund einer Notlage auch brauchen“, sagte Darmann. Positiv hingegen sei die höhere Unterstützung für Alleinerzieher.

ÖVP: Neue Gerechtigkeit

ÖVP-Sozialsprecherin Silvia Häusl-Benz sagte in einer Aussendung, endlich sei es gelungen, das Sozialhilfegesetz auch in Kärnten umzusetzen. Damit schaffe man eine neue Gerechtigkeit für jene, die Hilfe benötigen, sich aber im Moment nicht selbst helfen können. Die Erhöhung des Anteils an Sachleistungen erhöhe die Treffsicherheit der Sozialhilfe, Missbrauch werde verhindert.