Die Übersetzung der Gedichte durch Handke kann in seiner Tragweite für die Kärntner Slowenische Literatur nicht hoch genug eingeschätzt werden. Bisher übersetzte der Literaturnobelpreisträger ja nur zwei Kärntner Slowenen: Florjan Lipuš und Gustav Janus. Nun tritt Fabjan Hafner als Dritter im Bunde hinzu. Der Beginn der Coronavirus-Krise war vielleicht der schlechteste Moment, sich mit den Gedichten eines außergewöhnlich ernsthaften Mannes auseinanderzusetzen, vielleicht aber auch der beste.

„Ein genialer Mensch“
Heimo Strempfl, Leiter des Musil-Museums und ein langjähriger Freund erinnert sich an Fabjan Hafner: „Er war, ich glaube, das kann jeder bestätigen, der ihm begegnet ist, ein genialer Mensch. Schriftsteller, Übersetzer und was er vor allem auch war, ein Literaturvermittler von hohen Gnaden, der es geschafft hat, komplizierteste Inhalte auf eine Art und Weise zu vermitteln, sodass es jeder verstehen konnte.“
Viele seiner Gedichte übersetzte Fabjan Hafner aus dem Slowenischen ins Deutsche. Nicht aber jene ersten und letzten Gedichte, die bei Suhrkamp erschienen. Peter Handke wählte sie alle aus, „nachbuchstabierte“ sie, wie er selbst im Vorwort über seine Übersetzertätigkeit schreibt.

Durch Lipuš-Übersetzung kam „goldenes Zeitalter“
Literaturexperte Dominik Srienc sagte, Handke habe durch das Übersetzen bewusst Akte gesetzt. „‚Zögling Tjaž‘ von Lipuš war damals ein großes Ereignis für die Kärntner slowenische Literatur. Handke verhalf ihr durch die Übersetzung zu enormer Präsenz.“ Das Interessante sei gewesen, dass Lipuš durch diese Übersetzung erst in Slowenien bekannt wurde und im gesamten deutschsprachigen Raum. „Handke hat durch die Übersetzung ein goldenes Zeitalter eingeläutet.“
Srienc verfasste das Nachwort zum nun erschienenen Hafner-Lyrikband. „Wenn man das Vorwort von Peter Handke liest, ist es im Gegensatz zum Nachwort bei Lipuš keine literaturpolitische Aufgabe, sondern eine ästhetische Entscheidung zugunsten der Gedichte.“ Nüchtern und präzise sind Fabjan Hafners Gedichte. Handke hatte sie als „Hafnerisch ernst“ bezeichnet.
„Übersetzen aus einer Sprache, die es nicht gibt“
Es gibt wohl einen zentralen Satz für das Verständnis des Werks von Hafner: Gedichte schreiben ist Übersetzen aus einer Sprache, die es nicht gibt. Die ersten Gedichte Fabjan Hafners umfassen den Zeitraum 1982 bis 1987. Die letzten entstanden in den 2000er Jahren. Wie viel Hafner, wie viel Handke steckt darin? Dazu sagte Srienc: „Wort, Bild und Rhythmus sind drei zentrale Begriffe für Handke, und die kann man auch in den ersten und letzten Gedichten sehen: Wie sich Handke nicht nur an den tieferen Sinn der Worte heranwagt, sondern auch mit dem oberflächlichen Sinn der Worte spielt. Ich glaube, darin liegt die Finesse des handkeschen Übersetzens.“
Schreiben, Übersetzen, Lesen sind bei Hafner wie Handke die verschiedenen Seiten derselben Sache. Die ersten und letzten Gedichte fordern jeden heraus, gerade jetzt, wenn es in dem Gedicht „Zwei Gesichtspunkte“ heißt:
Von weitem
schien mir:
die Lebenden
tot
Jetzt
aus der Nähe
die Toten
scheint mir
leben
Das letzte Gedicht im Buch ist Fabjan Hafner nur gewidmet, es stammt von Gustav Januš. Darin heißt es am Schluss: „Das verstreute Wort, Richtschnur der Dauer“. Fabjan Hafners Worte mögen in diesem Sinne ewig sein.