PK mit Landesarchiv-Direktor Thomas Zeloth, Landeshauptmann Peter Kaiser und Landtagspräsident Reinhart Rohr (v.l.n.r.)
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„75 Jahre Selbstbefreiung Kärnten“

75 Jahre ist es her, als mit dem Ende des zweiten Weltkrieges auch die NS-Herrschaft in Kärnten zu Enge gegangen ist. In einer Pressekonferenz erinnerte das Land Kärnten am Montag an die historischen Ereignisse von damals, als das NS-Regime beendet und das Fundament für Demokratie und Selbstbestimmung gelegt worden ist.

Auf Grund der Corona-Situation musste die angedachte Gedenkfeier und das Symposium im Kärntner Landesarchiv (urspr. 6. Mai) anlässlich „75 Jahre Selbstbefreiung Kärnten“ abgesagt werden. Nichts desto trotz war es Landeshauptmann Peter Kaiser, Landtagspräsident Reinhart Rohr (beide SPÖ) und Landesarchiv-Direktor Thomas Zeloth wichtig, an die denkwürdige Zeit, an die dramatischen Tage im Mai 1945 zu erinnern und damit jener zu gedenken, die vor 75 Jahren ihr Leben riskiert haben, um der Demokratie den Weg zu ebnen.

Pressekonferenz „75 Jahre Selbstbefreiung Kärnten“

Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg in Kärnten. Aus diesem Anlass gaben Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), Landtagspräsident Reinhart Rohr (SPÖ) und Landesarchivdirektor Thomas Zeloth eine Pressekonferenz.

Provisorische Landesregierung unter Hans Piesch

Am 8. Mai 1945 trat im Landhaus die erste provisorische Landesregierung zusammen, unter Hans Piesch, der noch im Dezember zm ersten Landeshauptmann Kärntens nach dem 2. Weltkrieg gewählt werden sollte. Piesch war es auch, der gemeinsam mit weiteren Parteikollegen den Weg für eine Demokratie und die ersten freien Wahlen in unserem Bundesland geebnet hat.

Die provisorische Landesregierung bestand damals aus Landeshauptmann Hans Piesch, Landeshauptmann-Stellvertreter Stephan Tauschitz, LR Hans Ferlitsch, LR Hans Herke, LR Silvester Leer, LR Josef Ritscher, LR Julius Santer und LR Ferdinand Wedenig.

Gewaltherrschaft endete mit Selbstbefreiung

Thomas Zeloth beschrieb die Entwicklungen in dieser ersten Mai-Woche im Jahr 1945. „Überall herrschte Widerstand im Land, die britische Armee stand vor den Grenzen, jugoslawische Truppen drohten von Süden, die Bevölkerung war kriegsmüde, die Städte in Kärnten waren schwer geschädigt und der Gauleiter Friedrich Rainer wollte in den letzten Tagen des NS-Regimes nicht zurücktreten, sondern die nationalsozialistische Gewaltherrschaft mit allen Mitteln verlängern. Ein Umsturz war also dringlich", berichtete Zeloth.

Die Männer der ersten Stunde trugen laut dem Landesarchiv-Direktor ein hohes Risiko, denn der Umsturz bedeutete nichts weniger als Hochverrat gegenüber dem NS-Regime. „Diese Männer wollten einen unblutigen Umsturz, ohne Kampfhandlungen und die Besetzung durch die jugoslawische Armee verhindern. Zwölf Jahre Diktatur, sieben Jahre erbarmungslose Gewaltherrschaft endeten mit dem Aufstand dieser Männer“, sagte Zeloth. Der 7. Mai 1945 wurde zum Tag der Selbstbefreiung und der erste Schritt zu Wahlen.

1945: „Schwere Zeiten liegen hinter uns…“

Landeshauptmann Kaiser zitierte aus der Proklamation der provisorischen Landesregierung, die in der Kärntner Zeitung vom 8. Mai 1945 unter der Überschrift „Kärnten – ein freies Land Österreichs“ gedruckt worden war. In der Proklamation appellierte die provisorische Regierung an die Menschen. „Schwere Zeiten liegen hinter uns, schwere liegen vor uns. Es gilt nun zusammenzustehen und alles für den Aufbau der Heimat und die Erhaltung kostbaren Lebens zu tun.“ Und weiter hieß es, „Kärntner deutscher und slowenischer Sprache, schart euch um die Regierung.“

Kaiser erinnerte an die Situation in Kärnten damals. „Eine Million Menschen lebten damals in Kärnten. Die Bevölkerung, deutsche Soldaten, Kriegsgefangene und vertriebene Volksdeutsche. Die Zeit war gezeichnet von ungeheurer Brutalität und war geprägt vom NS-Schreckensregime. Trotzdem haben zum zweiten Mal für Kärnten ein paar wenige das Heft des Handelns in die Hand genommen, sich in ihrem Demokratieverständnis nicht brechen lassen und ihr eigenes Leben riskiert, indem sie den Rücktritt des damaligen NS-Gauleiters Friedrich Rainer erzwingen konnten, damit dem NS-Regime für Kärnten ein Ende und ein deutliches Zeichen für die Demokratie und für die Selbstbestimmung setzen", fasste Kaiser zusammen.

„Wiedererstehen der freien Meinungsbildung“

Diesen acht Menschen, die den Aufstand wagten, die hohe Verantwortung auf sich genommen haben und für ein freies Land Kärnten in Österreich eingetreten sind, wolle das Land laut Kaiser nun auf diesem Wege die Referenz erweisen. „Es ist mir besonders wichtig, jener zu gedenken, die ihr Leben für die Demokratie riskiert haben“, so Kaiser.

Auch der Präsident des Kärntner Landtages, Reinhard Rohr, verwies auf die dramatische Zuspitzung der Lage in den ersten Mai-Tagen 1945. „Es waren bewegende Tage für das Wiedererstehen der Demokratie und der freien Meinungsbildung. Es ging aber nicht nur um das klare Bekenntnis zu einer demokratischen Republik. Es ging auch um das Widerrufen der Deportationen von Kärntner Slowenen. Kärnten war vor 75 Jahren ein Trümmerfeld – buchstäblich und auch demokratiepolitisch. Heute leben wir den Geist des Ausgleichs und des Dialoges, beides wurde Bestandteil unserer politischen Kultur“, betonte Rohr.

Bekenntnis zu Mehrsprachigkeit und Vielfalt

Der Präsident erinnerte in diesem Zusammenhang auch daran, dass diese Kultur auch in der Kärntner Landesverfassung festgeschrieben worden ist. „Wir haben 2018 mit dem Verankern der slowenischen Volksgruppe in der Landesverfassung ein klares Bekenntnis zur Mehrsprachigkeit und kulturellen Vielfalt abgegeben“, sagte Rohr.

In einer Aussendung mahnte Team Kärnten-Chef Gerhard Köfer zu mehr Wachsamkeit und Erinnerungskultur. „Noch immer bestehen innerhalb unserer Zivilgesellschaft radikale Strömungen an den rechtsextremen, aber auch an den linksextremen Rändern. Alle demokratischen Parteien in Kärnten stehen in der Verantwortung, die Demokratie für unser Bundesland zu schützen.“