Wörtherseemandl mit Schutzmaske
APA/GERD EGGENBERGER
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Kultur

Wie Bilder in Zeiten der Krise prägen

Das Tragen von Mundschutz, das vor allem in Asien ein gewohntes Bild ist, wird nun auch bei uns Normalität. Anna Schober, Professorin für visuelle Kultur an der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt, über die Macht der Bilder und die Rolle von Kultur und Kunst in der Krise.

Menschen singen auf Balkonen, Stars performen online. Während der Ausgangsbeschränkungen oder einem Lockdown fehlten den Menschen öffentlichen Orte oder Beziehungsräume, so Anna Schober, denn alle mussten zuhause bleiben. Um ein gemeinsames öffentliches Leben führen zu können, brauche man aber den Austausch. Dies können Kunst und Kultur bieten und dabei den Sinn für die Realität vertiefen.

Eindrucksvolle Bilder

Twitter, Whatsapp oder Facebook, den sozialen Medien wird noch mehr Bedeutung geschenkt. Die Plattformen ermöglichen es, solche Bilder rasch zu teilen, dabei entstehen aber auch sogenannten Echokammern, so Schober: „Jemand beginnt etwas, andere machen es nach. Es verbraucht sich oft schnell. Eine eindrucksvolle Performance gab es aber in Mailand, da hat jemand durch eine vergittertes Fenster Trompete gespielt. Das waren packende und aufwühlende Bilder, denn das Eingeschlossensein und der Trompetenklang standen miteinander in Spannung.“

Bilder bereiten auf neue Realität vor…

Derzeitiger Hotspot ist der Großraum von New York mit bis zu 2.000 Toten pro Tag, Särge, Kolonnen von Leichenwägen und überfüllte Intensivstationen, diese Bilder sieht man täglich. Es gibt aber auch andere: „Bilder haben die Kapazität, uns auf die Realität in einer neuen und überraschenden Weise hinzuführen. Ich denke an ein Bild, das vor ein paar Tagen in Italien aufgenommen wurde. Es zeigt einen Supermarkt, vor dem die Menschen aufgefädelt in Abständen warteten. Das Bild rufe ein anderes ins Gedächtnis, nämlich ein Bild von Magritte ‚Golconda‘. Das ist ebenso surreal und zeigt eine für uns veränderte Welt.“ (Das Bild des Surrealisten Rene Magritte zeigt einen „Regen“ aus Männern in Mantel und Hut, Anm.)

… und führen zu Irritationen

Es irritiere, dass in Italien, wo Menschen so nahe zueinander leben, so ein großer Abstand gehalten werde, so Schober. Über solche Irritationen könne man zu einer neuen Realität hingeführt werden.

Laut Schober werde oft vergessen, dass Masken auch in unseren Breiten Teil der Kultur seien. Sie habe mit den Studierenden Bilder mit Masken analysiert. Man nehme Masken nicht so wahr, weil andere davon betroffen seien. Ein Beispiel seien Flüchtlinge, die an den Grenzen von Sanitätspersonal und Polizei in Empfang genommen werden, die Mundschutz tragen. Hier gelten Flüchtlinge als ansteckend, es gelte aber eigentlich, die Flüchtlinge zu schützen, denn nach der langen Reise hätten sie ein angeschlagenes Immunsystem.

Masken als Abgrenzungssymbol

In vielen Darstellungen zeigt sich Mundschutz als Grenzsymbol: „Seuchenärzte mit Schnabelmasken werden in der frühen Neuzeit dargestellt, um ein Allgemeinwesen abzugrenzen. Das Bestürzende für uns heute ist, dass wir plötzlich selbst betroffen sind und einander schützen müssen. Dabei ist uns auch nicht bewusst, wieviel abendländisch-christliche Ikonografie in diesen Bildern steckt.“ Manche der Bilder von Einwanderern mit Masken erinnern an Pieta-Bilder, an Jesusdarstellungen. Es gebe aber noch andere Bilder in Zusammenhang mit Grablegung und Auferstehung, die Frauen zeigen, die sich Tücher vor die Nase halten.

An die Bilder von Gesichtsmasken wird man sich somit gewöhnen müssen, sie werden sich nachhaltig in das Gedächtnis prägen. Die Bilder werden laut Schober sicherlich nachwirken, man werde aber versuchen, schnell wieder darüber hinwegzugehen und den positiven Alltag zu leben. „Das, was wir jetzt erleben, ist sicher eine Art von kollektivem Trauma, die Frage ist, ob wir das zu einem identitätsbestimmenden Trauma machen.“