Mordprozess Klagenfurt Angeklagter mit Justizwachebeamten und Anwalt
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Gericht

Mordprozess gegen Vater begonnen

Ab Mittwoch hat der Mordprozess gegen eine 27-jährigen Mann wegen des Verdachts des Mordes an seiner sechs Wochen alten Tochter begonnen. Er soll das Baby geschüttelt und den Kopf gegen einen Gegenstand geschlagen haben. Der Mann bekennt sich nicht schuldig, es wurde vertagt.

Der Prozess begann wegen der Coronavirus-Pandemie unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen. Laut Verordnung hätte der Angeklagte per Video aussagen müssen, sein Anwalt stellte aber den Antrag, dass er im Gerichtssaal befragt werden dürfe. Der Senat stimmte dem zu.

Dem 27-Jährigen wird vorgeworfen, im Sommer 2018 seine sechs Wochen alte Tochter zu Tode geschüttelt zu haben. Die acht Geschworenen saßen mit dem nötigen Abstand auf den Besucherbänken verteilt. Die drei Richter des Geschworenensenats hatten hinter einer Glaswand Platz genommen.

Mutter der Zwillinge war einkaufen

Staatsanwältin Johanna Schunn schilderte die Ereignisse, die am 20. Juli 2018 zum Tod des Kindes geführt haben sollen. Während die Mutter der Zwillingskinder einkaufen war, sei der Angeklagte mit den beiden sechs Wochen alten Zwillingsmädchen allein zu Hause gewesen. Da eines der beiden Babys geweint habe, soll er es geschüttelt und mit dem Kopf auch gegen einen stumpfen, flächigen Gegenstand geschlagen haben.

Mordprozess in Klagenfurt, Anwalt mit Schutzmaske
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Auch im Verhandlungssaal gilt eine Maskenpflicht, im Bild der Anwalt des angeklagten Vaters, Alexander Todor-Kostic

Dadurch habe das Mädchen ein großes Kopfschwartenhämatom und eine Gehirnblutung, ein sogenanntes „Shaken-Slam-Syndrom“ erlitten. Der Notarzt wurde gerufen, doch das Kind starb. Laut Gutachten sei der Tod auf dieses Schütteln zurückzuführen sein, sagte Schunn.

Verteidiger sieht kein Schuldindiz

Der Verteidiger des 27-Jährigen, Rechtsanwalt Alexander Todor-Kostic, bestritt die Schuld seines Mandanten. Es gebe kein einziges Indiz für ein Fehlverhalten des Familienvaters, der bis zu seiner Verhaftung im Dezember 2019 unbescholten gewesen sei und sich liebevoll um seine Kinder gekümmert habe. Einzig das von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebene Gutachten belaste ihn, erklärte der Anwalt.

Der Schüttelvorgang sei eine reine Vermutung, fuhr Todor-Kostic fort. Das Kind sei eine Stunde lang reanimiert worden, da könne einiges passieren. Es wurde eine gerichtliche Obduktion angeordnet, bei der Fehler in der Rettungskette und Blutungen im Gehirn festgestellt worden seien. Das Gutachten sei von einem Kinderchirurgen und nicht von einem Neurochirurgen erstellt worden, kritisierte der Anwalt.

Anwalt: Plötzlicher Kindstod möglich

Todor-Kostic meinte, das Baby könnte am Plötzlichen Kindstod verstorben sein, auch die Zwillingsschwester sei wenige Tage vor dem Vorfall aufgrund längerer Atemaussetzer mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen worden, wo man sie mit rechtzeitiger Beatmung noch habe retten können. Todor-Kostic ließ auch ein Privatgutachten erstellen. Die Hauptverhandlung wurde mit der Einvernahme des Angeklagten fortgesetzt. Für den Prozess waren vorerst zwei Verhandlungstage anberaumt.

Vater: Sofort Rettung gerufen

Vom vorsitzenden Richter Oliver Kriz zum Tag des Unglücks befragt, sagte der Angeklagte, das Baby hätte plötzlich Atemnot gehabt, er habe sofort die Rettung gerufen. Denn nur eine Woche zuvor hatte die Zwillingsschwester des Säuglings ebenfalls Atemnot. Sie habe rechtzeitig beatmet und gerettet werden können.

Der Angeklagte sagte in der Einvernahme er habe seinen Kindern – das Paar hat noch einen älteren Sohn – nie und in keiner Weise einen Schaden zugefügt. Als seine Freundin einkaufen gefahren sei, habe er das weinende Mädchen, das von Geburt an immer das schwächere der Zwillinge gewesen sei, in dessen Bett ins Schlafzimmer gelegt. Als es nach zwei Minuten ruhig geworden sei, habe er nachgeschaut. Der Säugling sei zu diesem Zeitpunkt weiß gewesen und habe offensichtlich nach Luft gerungen. Daraufhin habe er den Notruf gewählt, die Rettung sei nach etwa fünf Minuten eingetroffen. Dann folgten Notarzt und Rettungshubschrauber.

Mutter sagte vor Richter aus

Die Lebensgefährtin und Mutter des Kindes sagte aus, der Säugling sei schon zwei Tage lang sehr weinerlich und unruhig gewesen und habe auf Berührungen und laute Geräusche sehr empfindlich reagiert. Über ihren Lebensgefährten sagte sie, er sei in den sechs Jahren, in denen sie zusammen seien, nie aggressiv gewesen. Zu den Hämatomen, die bei dem toten Mädchen festgestellt wurden, erklärte sie, bei allen ihren Kindern seien bis zum ersten Lebensjahr immer wieder spontane Blutungen in der Oberhaut aufgetreten.

Notarzt „dachte nie an eine Misshandlung“

Weder die Sanitäter noch die Ärzte hatten bei der Erstversorgung irgendwelche Verletzungen bei dem Säugling feststellen können. Auch in der nachträglichen Aufarbeitung des Ereignisses habe er nie an eine Misshandlung gedacht, sagte der Hubschraubernotarzt am Mittwoch im Zeugenstand.

Der Arzt, der das Kind im Klinikum Klagenfurt übernommen hatte, erzählte ebenfalls, er habe keine äußeren Verletzungen gesehen. In jenen Bereichen des Gehirns, die man im Ultraschall habe einsehen können, seien Blutungen nicht erkennbar gewesen. Jene Areale, wo solche Gehirnblutungen in der Obduktion gefunden worden seien, könnten im Ultraschall nicht eingesehen werden, erklärte der Arzt.

Gutachter: „Stumpfe Gewalteinwirkung“

Am Nachmittag sagte der Gutachter, der von der Staatsanwalschaft beantragt wurde, aus. Er führte aus, dass auch durch eine längere, intensive Reanimation Verletzungen, wie sie in der Obduktion beschrieben seien, nämlich ein großes Kopfschwartenhämatom und eine Gehirnblutung, nicht entstanden sein können. Die Verletzungen wiesen auf stumpfe Gewalteinwirkung hin. „Und auch eine Verletzung kann zum Atemstillstand führen“, sagte der Sachverständige.

„Müsste es bei einer solchen brutalen Gewaltanwendung nicht auch äußere Anzeichen geben?“ fragte Verteidiger Alexander Todor-Kostic. „Ja, richtig“, antwortete der Sachverständige. Keiner der Zeugen, die in die Erstversorgung eingebunden waren, hatten jedoch eine Verletzung gesehen.

„Saal wird desinfiziert“

„Der Saal wird desinfiziert sein, wenn Sie am Montag wiederkommen“, sagte der Richter zu den Geschworenen. Auf diesen Tag wurde die Hauptverhandlung für weitere Zeugenaussagen vertagt. Für den Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.