Kärnten Landnutzung unterschiedlicher Flächen
Martin Seger
Martin Seger
Umwelt

„Biologische Wüsten“ durch Landwirtschaft

In seinem Buch „Österreich, Raum und Gesellschaft“ setzt sich der Geograf und emeritierte Professor der Alpen Adria-Universität Klagenfurt, Martin Seger, mit der Vermessung der Landschaft und dem Wandel der Landnutzung auseinander. Er warnt vor dem Verlust ökologisch wertvollen Grünlandes, intensive Landwirtschaft schaffe „biologische Wüsten“.

Der Franziszeische Kataster ist das erste vollständige, österreichische Liegenschaftsverzeichnis. Es enthält die Grundstücke des Kaisertums Österreich und entstand zwischen 1810 und 1880 und ist nach dem österreichischen Kaiser Franz I. benannt. Geograf Martin Seger arbeitete damit für sein Buch „Österreich, Raum und Gesellschaft“ und forschte bis ins Jahr 1830 nach, um einen genauen Eindruck über Land und Leute zu bekommen. Vor allem die industrielle Revolution brachte starke Veränderungen mit sich. Im Laufe der Zeit wurde ein struktureller Wandel – von vielen Selbstversorgern hin zu ökonomischen Betrieben – vollzogen.

Das Buch

„Österreich Raum und Gesellschaft – Vermessung der Landschaft. Porträts der Bundesländer“ von Martin Seger
Erschienen 2019 bei Naturwissenschaftlicher Verein f. Kärnten
Sprache: Deutsch
648 Seiten
ISBN 978-3-85328-087-4

Martin Seger: „Der Franziszeische Kataster hat im Maßstab 1:20.000 die Landnutzung festgehalten. Wenn man diese alten Karten anschaut, sieht man folgendes: Überall im Land hat es, der alten Selbstversorgungwirtschaft entsprechend, die Mengung von Ackerflächen und Grünlandflächen und Wald gegeben.“

Landschaftliche Vielfalt war in Monarchie größer

Diese Ackerflächen sieht man zum Beispiel noch in einer alten Vegetationskarte von Professor Gams, der die Tauernregion und das Gebiet um Heiligenblut kartierte. „Er hat ein buntes Gemenge von Ackerflächen gekennzeichnet, die mittlerweile längst verschwunden sind. Verschwunden sind auch die umfangreichen Weideflächen, die es damals noch gegeben hat. Vieles davon ist verwaldet, aufgeforstet worden oder wird durch Weichholz-Gehölze bestanden.“

Für die Veränderungen in der Landwirtschaft gibt es verschiedene Gründe, einer ist der Klimawandel. „Der Klimawandel ist kein Produkt der letzten Jahrzehnte, sondern hat schon im 19. Jahrhundert starke Auswirkungen gezeigt, etwa den Rückgang der Gletscher seit deren Hochstand um 1850. In ganz anderem Zusammenhang kann man den landwirtschaftlichen Strukturwandel natürlich auch weit, bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen – bis in die Zeit der industriellen Revolution.“

In dieser Zeit wurde der Rückgang der Selbstversorger massiv eingeleitet, erklärte Martin Seger, weil der eigene landwirtschaftliche Betrieb ständig erhöhte Erträge abwerfen musste, "um in der geänderten Situation mit den weiten Verkehrsnetzen, mit der ganzen Umstellung der Wirtschaft von einer Selbstversorgung zu einer marktwirtschaftlichen Position überleben zu können.“

Mit Arbeitstieren verschwanden die Weideflächen

Mit der industriellen Revolution wurden die landwirtschaftlichen Abläufe mechanisiert. Davor hatten die Bauern sehr viele Arbeitstiere. „Pferde, Ochsen, Zugtiere usw. Etwa ein Drittel der Fläche wurde zur Ernährung dieser Tiere verwendet.“ Dieses ehemalige Weideland entwickelte sich im Laufe der Zeit in der Ebene meist zu Ackerland, in den höheren Regionen begann das ehemalige Weideland zu verwalden. Nur in Ausnahmefällen wurden Tiere noch für Arbeiten herangezogen. „Wenn man in der Forstwirtschaft an die sorgsame Plenterwirtschaft wo heute noch Pferde die Bloch aus den Wäldern herausziehen – fast eine Liebhaberei“.

Mechanisierung machte Bauern zu Unternehmern

Im Jahr 1950 gab es in Österreich noch 430.000 landwirtschaftliche Betriebe. Jetzt reduzierte sich diese Zahl auf zirka 120.000. Daran sieht man, dass in dieser Zeit die landwirtschaftlichen Abläufe noch mehr mechanisiert wurden. Damit wurde der Wandel von der Selbversorgungswirtschaft zu marktorientierten Landwirtschaft endgültig vollzogen. „Der Bauer ist mittlerweile zu einem Unternehmer geworden. Er muss sich sehr genau überlegen, was er wann anbaut, welche Flächen wie genutzt werden. Er muss die Weltmarktpreise beobachten. All das, was wir an Veränderung der Ackernutzung sehen, ist ein Prozess reifer Überlegungen wie man den vorhandenen Boden bestmöglich nutzen kann.“

In den 1970 und 80er Jahren war die Hochphase des landwirtschaftlichen Strukturwandels. Die Ackerflächen in den höheren Lagen hatten stark abgenommen, weil sie zu wenig abwerfen und schwierig zu bewirtschaften sind. „Wir sprechen von einer Vergrünlandung im Berggebiet. Im Gegenzug haben die Ackerflächen in den Gunsträumen des agrarischen Wirtschaftens sehr stark zugenommen und die Grünlandflächen sind geradezu verschwunden.“

Buchcover Martin Seger: Österreich Raum und Gesellschaft
Martin Seger
Buchcover: „Österreich – Raum und Gesellschaft“

Prekäre Bauernhöfe in Hochlagen

Nach der industriellen Revolution waren vor allem die Jahre nach dem 2. Weltkrieg und die 1970er und 80er Jahre für die Landwirtschaft ausschlaggebend. Die Anzahl der Selbstversorger nahm nach und nach ab. Das wirkte sich auch auf die Nutzungsflächen aus, zum Beispiel verwaldeten in höheren Lagen die Äcker- und Weideflächen, so Martin Seger: „Mit dem Wald in Kärnten ist es so: Schon im 19. Jahrhundert haben in Mittelgebirgslagen die Waldflächen rapide zugenommen. Auch damals waren in den niederen Gurktaler Alpen oder in den Hochlagen der Saualpe und der Koralpe die Bauernhöfe in der Regel prekär.“

Aufgrund der schwierigen Bebauung der steilen Hänge hatten die Bauern bereits im 19. Jahrhundert ihr Land aufgegeben, verkauft und die Äcker wurden „von Wald- und Forstbesitzern zu Waldflächen umgewandelt. Der Begriff Bauernlegen ist damals entstanden, durchaus nicht nur auf Kärnten beschränkt, sondern in der ganzen Monarchie war üblich, dass große Wald- und Forstgüter versucht haben, ihre Flächen zu vermehren.“

Der Wald wächst und Grünland verschwindet

Heute ist die Zunahme der Waldflächen aus anderen Gründen zu beobachten. Mittlerweile ist Kärnten nach der Steiermark das waldreichste Bundesland in Österreich. Die Hälfte der Fläche ist Wald. „Wo man in Kärnten durch die Täler fährt, kann man sehen, dass Hanglagen in jüngerer Zeit – seit zehn oder zwanzig Jahren – aufgeforstet worden sind. Es droht also die Verwaldung des gesamten Berggebietes und damit ein Verlust der visuellen Qualität einer gemischten, land- und forstwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaft, die auch Basis des Fremdenverkehrs ist.“

Auch aus diesem Grund gibt es viele Förderungen. Viele Bergbauern können nur aufgrund dieser Gelder überleben. Es gehe darum, „die agrarische Nutzung, speziell als Grünland, im Berggebiet zu erhalten“.

Intensive Landwirtschaft bildet „biologische Wüsten“

All diese großen Veränderungen in der Land- und Forstwirtschaft haben jedoch auch Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen. „Das ist natürlich ein großes Problem. Jede Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung ist verbunden mit einem Rückgang der Artenvielfalt. Jede intensive Ackernutzung ist zugleich eine biologische Wüste.“

Ohne Förderungsmittel wird es in Zukunft nicht möglich sein, die vielfältige Landschaft Kärntens zu erhalten, meint Martin Seger. „Wichtig in diesem Zusammenhang ist es von staatlicher Seite, Grünlandflächen zu fördern, damit ökologisch wertvolle Flächen vorhanden sind oder inselhaft verbleiben. Die große Gefahr ist, dass auch die Grünlandwirtschaft zu einer monotonen Landnutzung wird, die geradezu ökologisch feindlich ist.“