Schild der Kärntner Landesregierung
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Politik

Landesregierung will EU-Schuldenbremse lockern

Die Regierungskoalition hat sich am Montag für ein Umdenken in der Fiskalpolitik der Europäischen Union ausgesprochen. Die Schuldenbremse nach Maastricht dürfe nicht länger Hemmschuh für Investitionen in Klima- oder Bildungspolitik sein.

Seit ihrem Inkrafttreten 1992 sind die Maastricht-Kriterien kaum verändert worden. Weil aber „enorme Investitionen“ in erneuerbare Energien und Umweltschutzmaßnahmen notwendig seien, brauche es neue Budgetregeln ohne „Investitionsbremsen“, so Landeshauptmann Peter Kaiser nach der Regierungssitzung. Der Landeshauptmann wird noch am Montag nach Brüssel zum „Ausschuss der Regionen“ (AdR) reisen und die Problematik auch dort thematisieren. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union müssten jetzt die Weichen in Richtung Zukunft stellen.

Klimaneutralität bis 2040 nur mit Investitionen möglich

Konkret spricht sich Kaiser dafür aus, dass die Schuldenbremse künftig für Investitionen in Bildung und Umwelt nicht angewendet werden soll. Die im Regierungsprogramm der Bundesregierung verankerte Zielsetzung „Klimaneutralität bis 2040“ könne nur erreicht werden, wenn auch Geld in die Hand genommen werde.

Gerade jetzt seien wichtige Investitionen nötig: „Was wir brauchen, sind Infrastruktur- und Klimaschutzprojekte, wo wir auch Präventionsmaßnahmen setzen können. Denn die Quadratur des Kreises ist bei diesem Beispiel folgende: Wenn wir Geld in den Klimaschutz investieren, dann ist das einerseits Maastrichtschädigend, wenn wir die Klimaziele aber nicht erreichen, dann drohen Strafzahlungen.“

Derzeit müsse beispielsweise eine Gemeinde, die in ein Kindergartenprojekt investiere, dieses Geld an anderer Stelle noch im selben Jahr einsparen – eine für Kaiser völlig überholte Form der Finanzpolitik. Investitionen zur Finanzmarktstabilität, wie zum Beispiel Kärntens Aufwendungen bei der Heta-Auflösung, könnten hingegen aus Maastricht herausgerechnet werden. "Das ist gegen die Interessen der Menschen. Die Maastrichtkriterien gehören so geändert, dass man Vernünftiges tun kann“.

„Grüne Schulden“ als „Sparmaßnahmen von Morgen“

Klimaneutralität lasse sich nur erreichen, wenn die notwendigen Investitionen in Infrastruktur, Wohnbau und zukunftsfähige, ökologische Technologien getätigt würden, so Finanzreferentin Gaby Schaunig. Schließlich seien budgetär zulässige „grüne Schulden“ die eigentlichen „Sparmaßnahmen von Morgen“.

Schaunig nannte als Beispiel Investitionen in die Schutzwasserwirtschaft. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass Unwetterereignisse zunehmen und Hochwasserschutz immer wichtiger werde. 1,1 Millionen Euro Landesmittel werden mit Regierungsbeschluss dafür eingesetzt.

Neue Bewertungskriterien für Ausgaben gefordert

„Wenn wir Geld in die Hand nehmen, um so wie jetzt Schutzwasserbauten zu realisieren und die Bevölkerung vor den Auswirkungen von Naturkatastrophen zu schützen, dann sind diese Ausgaben Maastrichtverschlechternd. Wenn wir diese Ausgaben unterlassen würden, Katastrophen eintreten und diese dann beheben, würden diese das Maastrichtergebnis nicht verschlechtern, sondern könnten herausgerechnet werden.“

Schaunig forderte ein Umdenken, was die Kriterien der Finanzmarktregeln anbelangt. Derzeit werde jeder Euro gleichbewertet: „Eventmarketing wird gleich bewertet wie der Neubau einer Schule und das ist nicht mehr zeitgemäß.“

Enorme Unwetterschäden in Straßeninfrastruktur

Gerade die Unwetter im vergangenen November haben enorme Schäden im Straßennetz hinterlassen. Diese werden das Land noch langfristig beschäftigen. Schäden im Ausmaß von etwa sechs Millionen Euro sind im ländlichen Wegenetz entstanden, so Landesrat Martin Gruber von der ÖVP. Er ist zuständig für den ländlichen Raum und das ländliche Wegenetz sowie Straßen und Brücken. Einsparungen von etwa einer Million verzeichnet Gruber allerdings beim Winterdienst. Gruber: „Das liegt einerseits daran, dass wir weniger Salz verbraucht haben, andererseits durch die Einsparung von Maschinen- und Überstunden und vor allem durch einen geringeren Treibstoffverbrauch. Fünf- bis Zehntausend Tonnen Salz werden wir uns heuer aufgrund des milden Winters einsparen können.“

Hohe Investitionen in Schutzmaßnahmen

Heuer werden mit einem Landesanteil von 4,8 Mio. Euro insgesamt 25 Mio. Euro in den Hochwasserschutz investiert. Für 2021 seien bereits 4,9 Mio. Euro an Landesmitteln vorgesehen und für 2022 seien es 5,4 Mio. Euro. In die Wildbach- und Lawinenverbauung würden heuer bei einem Landesanteil von 3,8 Mio. Euro insgesamt 18 Mio. Euro investiert.

Quelle: Amt der Kärntner Landesregierung

Das Geld könne man „sehr gut gebrauchen“ – etwa für kleinflächige Fahrbahnsanierungen oder die Sofortmaßnahmen wegen der Unwetter 2019. Die Arbeiten, die die Unwetterschäden am Wegenetz nötig gemacht haben, würden das Land aber gewiss bis weit in das Jahr 2020 hinein beschäftigen, so Martin Gruber.

Team Kärnten sagt Nein zu „Politik auf Pump“

Gegen die Aufweichung der EU-Finanzspielregeln spricht sich das Team Kärnten in Person von Gerhard Köfer aus: „Die EU darf keinen Millimeter von den Bestimmungen wie der Schuldenbremse oder den Maastricht-Kriterien abkehren. Es muss verhindert werden, dass es, wie von Kaiser gefordert, zu einer Renaissance der Schuldenpolitik á la Kreisky kommt“.

Der „Kärntner Schuldenwahnsinn“ sei kein Vorbild, das von der rot-schwarzen Landesregierung nach Brüssel exportiert werden dürfe. „Man kann nur das ausgeben, was man hat. Politik auf Pump führt dazu, dass die Spielräume zukünftiger Generationen eingeschränkt werden und ihnen eine erhebliche Belastung aufgebürdet wird. Kärnten ist ein Beispiel, wie es nicht gehen darf.“

FPÖ sieht Ablenkung von „finanzpolitischem Versagen“

Laut FPÖ-Obmann Gernot Darmann handelt es sich bei der Regerungsforderung um eine „Flucht nach vorne“ mit der man „ganz offensichtlich vom rot-schwarzen Versagen im Bereich der Finanz- und Wirtschaftspolitik ablenken“ wolle. Um „Budgetlöcher zu stopfen“ wolle man einen „Persilschein von der EU“ bekommen. Die Schulden des Landes Kärnten steigen von 2019 bis 2023 um eine weitere halbe Milliarde Euro an, so Darmann. „Kärnten macht unter Rot-Schwarz seit 2013 pro Jahr im Schnitt rund 100 Millionen Euro neue Schulden“ Durch Überalterung und Abwanderung verliere das Land den Anschluss an andere Bundesländer, die sich anders als Kärnten „positiv entwickeln“ würden. Nun wolle „die SPÖ der eigenen Schuldenpolitik das neue Mascherl des Klimaschutzes geben“.