Die drei Angeklagten im Gerichtssaal
ORF/Bernd Radler
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Gericht

Urteil in Prozess um Okkultistinnen erwartet

Im Prozess gegen drei Frauen, die in einer Art okkultem Zirkel waren, geht es um Mord, Betrug und Brandstiftung. Am Dienstag wurde festgestellt, dass alle zurechnungsfähig sind. Zwei Frauen haben laut Gutachten schwere Persönlichkeitsstörungen. Am Dienstagabend soll es ein Urteil geben.

Der Dienstag ist der dritte Prozesstag gegen die 48-jährige Hauptangeklagte, eine 44-jährige Ungarin und eine 62-Jährige. Die zweitangeklagte Ungarin gab bereits zu, eine 72-jährige Villacher Pensionistin erwürgt zu haben. Sie sagte aus, sie sei von der Hauptangeklagten angestiftet worden, was diese wiederum bestreitet. Die 44-Jährige gab auch die Brandstiftung eines landwirtschaftlichen Gebäudes in Umberg bei Wernberg zu. Zum Tatort wurde sie von der 62-Jährigen gefahren.

Psychiater für Einweisung bei Schuldspruch

Am Dienstag sprach der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann von einem „Jahrhundertfall“. Es sei extrem selten, dass Delikte wie Mord und Brandstiftung im Zusammenhang mit Betrug von Frauen verübt würden. Er erklärte einiges über kriminelle Energie, Gruppendynamik, religiösen Wahn und die Anziehungskraft der Esoterik. Als Anschauungsmaterial führte er einen Film der verstorbenen Sektenführerin von Fiat Lux, Urielle, vor. Auch sie sprach angeblich mit Gottes Stimme.

Die Zurechnungsfähigkeit sah Hofmann bei allen drei Angeklagten als gegeben an. Im Falle der Erst- und Zweitangeklagten sprach sich der Sachverständige im Fall eines Schuldspruchs für die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher aus. Die 62-jährige Drittangeklagte hatte mehrere Todesfälle in der Familie, ging zu Massagen zur Erstangeklagten und geriet so in ihre Fänge. Sie habe der 62-Jährigen das Gefühl gegeben, sie könne Gott helfen.

Mord und Mordversuch

Die 44-Jährige gestand den Mord an einer Villacher Pensionistin, die manipuliert und unter Druck gesetzt worden war. Sie wollte ihr Testament ändern und die Hauptangeklagte daraus streichen, daraufhin wurde sie erwürgt, da ein Mordversuch mit einem Pflanzenbrei scheiterte. Ein 95-jähriger Pensionist vom Ossiacher See setzte die Hauptangeklagte 2017 als Erbin ein, bekam aber dann Bedenken. Daraufhin sollte er an einem Maiglöckchenbrei sterben. Er bekam durch eine Verwechslung aber Bärlauch, daher blieb er unversehrt und strich die Frau aus seinem Testament. Er starb mittlerweile an einem natürlich Tod.

In beiden Fällen sah er höchste Wiederholungsgefahr, wie er auf eine entsprechende Frage des vorsitzenden Richters Dietmar Wassertheurer erklärte. Er betonte, es sei für die Frauen auch eine Chance, endlich in Behandlung zu kommen. Immerhin habe die Erstangeklagte eine Familie, die zu ihr stehe, die Zweitangeklagte ihre kleine Tochter. Bei beiden gebe es daher Zukunftsperspektiven. Bei der 62-jährigen Drittangeklagten sah Hofmann keine Notwendigkeit einer Einweisung.

Millionenschaden durch Betrug

Es geht um Betrügereien in Millionenhöhe, um zwei Mordversuche und eine ganze Reihe von Brandstiftungen, wobei nicht alle Taten angeklagt seien. Die Delikte seien über Jahre hinweg begangen worden, und das sehr erfolgreich, sagte der Sachverständige. „Dabei lernen sie auch, sie werden immer besser in dem, was sie tun“, schilderte Hofmann. Dann sei es zu Veränderungen in der Art der Kriminalität gekommen, nämlich weg von Betrugshandlungen hin zu Mord und Brandstiftungen.

Opfer Vertrauen eingeflößt

Am Anfang stand laut Psychiater der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zum Opfer: „Ihr wird Geld herausgelockt, dann gibt es Mordversuche, am Ende wird sie tatsächlich ermordet.“ Die Frauen hätten sich Tarnnamen gegeben, das heiße, es seien Vorkehrungen getroffen worden, um die Taten möglichst lange zu verheimlichen. Die große Herausforderung für die Geschworenen sei jetzt die Bewertung der Glaubwürdigkeit.

Dies sei bei Gruppen immer schwierig, vorher werde gemeinsam gearbeitet, nachher würden die Versionen divergent. Hofmann weiter: „Bei keiner der drei handelnden Personen habe ich eine Störung gefunden, die das Gedächtnis betrifft. Gehen Sie davon aus, dass alle drei in der Lage sind, kalkuliert zu antworten, zu überlegen, was sie sagen und womit sie in Konflikt geraten.“

Drittangeklagte in Abhängigkeitsverhältnis

Die Drittangeklagte sei in ein Abhängigkeitsverhältnis zur 48-jährigen Hauptangeklagten geraten. Begonnen habe das mit dem Verlust ihrer Eltern und ihrer Schwester binnen eines Jahres. Die Drittangeklagte habe Schmerzzustände gehabt und sei zur Hauptangeklagten zu Behandlungen und Massagen gegangen. Daraus habe sich eine Art Freundschaft entwickelt. Die 62-Jährige habe sicher eine psychische Störung, sei aber jedenfalls zurechnungsfähig.

Die Zweitangeklagte habe ein Leben am Rande der Gesellschaft geführt. Der Mittelpunkt ihres Lebens sei ihre Tochter. Diese wiederum habe ein komplexes psychosomatisches Problem mit hohem Leidensdruck. Die 44-Jährige habe einen Hang zur Esoterik, daher erkläre sie sich das damit, dass ihr Kind „speziell ist, göttlich und zu sensibel für diese Welt“. Sie sei in Abhängigkeit von der Erstangeklagten geraten, die sie stark unter Druck gesetzt hätte. Fazit des Gutachters: „Sie hat eine Störung, ist aber mit Sicherheit zurechnungsfähig.“

„Hauptangeklagte manipulativ“

Der Erstangeklagten schrieb der Gutachter eine sehr manipulative Persönlichkeit zu. Hofmann: „Bei meinen Gesprächen mit ihr in der Justizanstalt hat sie durchgehend geweint und geklagt, dass sie genötigt worden ist, das Geld abzuliefern.“ Im Gerichtssaal habe sie ein völlig anderes Auftreten an den Tag gelegt, sie sei resolut und kämpferisch gewesen, habe halb aggressiv Fragen mit Gegenfragen beantwortet.

Zurechnungsfähig sei die 48-Jährige auf jeden Fall, auch wenn sie unter einer histrionischen Persönlichkeitsstörung leide und einen psychopathischen Charakter aufweise. (Die histrionische Persönlichkeitsstörung weist egozentrisches, dramatisch-theatralisches, manipulatives und extravertiertes Verhalten aus; Anm.)

Richter formuliere Fragen für Geschworene

Der Richtersenat unter Vorsitz von Dietmar Wassertheurer formulierte zu Mittag die Fragen an die Geschworenen. Die ersten fünf Hauptfragen betreffen die Zweitangeklagte, die den Mord an der 72-Jährigen ebenso gestanden hat wie mehrere Brandstiftungen. Die Plädoyers von Staatsanwältin und Verteidigern waren für nach der Mittagspause geplant.

Die nächsten fünf Fragen betreffen die Erstangeklagte bezüglich der Anstiftung zum Mord und zu mehreren Brandstiftungen sowie zu den Betrügereien. Weitere Fragen an die Geschworenen bezüglich der Drittangeklagten drehen sich um Betrug, aber auch um ihre Rolle als Beitragstäterin bei der letzten Brandstiftung. Dazu kommen die Zusatzfragen bezüglich der Zurechnungsfähigkeit der Angeklagten.

Nach dem Schluss des Beweisverfahrens ging es in die Mittagspause. Danach sollte Staatsanwältin Bettina Dumpelnik den Reigen der Plädoyers eröffnen, anschließend die Verteidiger Hans Gradischnig, Wolfgang Blaschitz und Martin Prett zu Wort kommen. Angesichts der zahlreichen Fragen an die Geschworenen war mit einem Urteil wohl erst gegen Abend zu rechnen.