Autor Martin Seger stellt Playmobilmännchen auf Landkarte
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Buch: Was man über Österreich wissen muss

Wie sich Kärnten im Laufe der letzten Jahre verändert hat, welche Einflüsse in Hinblick auf Städtebau, Architektur und das soziale Gefüge Österreich prägen zeigt das aktuelle Buch des 80-jährigen Wahlkärntners Martin Seger. Das Monumentalwerk liefert umfassende Antworten auf Fragen rund um Raum und Gesellschaft in Österreich.

Zahlen, Daten und Fakten bestimmten jahrelang den Berufsalltag von Martin Seger. Geografie und Biologie sind seine Steckenpferde. Der gebürtige Mödlinger lebt seit seinem 35. Lebensjahr in Kärnten, wo er an der Universität Klagenfurt unterrichtete. In den 1980er Jahren war er auch Schulbuchautor.

Ziel: Komplexe Inhalte einfach erklären

Komplizierte Inhalte verständlich darzustellen war ihm auch bei seinem neuesten Buch ein Anliegen: In „Raum und Gesellschaft“ liefert er auf 648 Seiten einen detaillierten Überblick über alles wissenswerte Rund um Österreich, wie die Struktur des Landes, die einzelnen Bundesländer und deren Bewohner: „Es ist ein Buch der Kulturlandschaften Österreichs. Es ist quasi ein Beispiel dafür, was alles an Interessantem und an Schönem und an Anmerkenswertem sich in Österreich befindet. Es ist nicht nur ein Buch der Geografie, sondern auch etwas, das stark mit Biologie zutun hat oder mit Umweltfragen oder mit der naturräumlichen Reichhaltigkeit Österreichs.“

Martin Seger
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Martin Seger

Dazu gehöre auch ein Wissen über die geologische Struktur, über die Differenzierung der Vegetation und über klimageografische Aspekte, sagt Seger.

Kartenerstellung heute „ein Kinderspiel“

Das Buch bietet auch 450 Karten und Grafiken zur besseren Veranschaulichung der Inhalte: „Früher war die Produktion jeder Landkarte ein äußerst komplizierter Prozess, wo man verschiedene Rasterstufen für die vier Druckfarben gebraucht hat. Das ganze war teuer und ist abgerechnet worden nach Quadratzentimetern. Seit den 1990er Jahren hat sich diese Situation vollkommen verändert. Wir am Institut für Geografie der Uni Klagenfurt haben diese Digitalisierung von Abbildungen und Karten schon früh mitgemacht.“ Bei der Illustration von „Österreich – Raum und Gesellschaft“ wurde er von seinen Kollegen unterstützt.

Martin Seger fotografiert ein Marterl
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Martin Seger fotografiert ein für Kärnten typisches Marterl

Seger: Fotos belegen kulturellen Reichtum

Bei seinen Recherchen hatte Martin Seger nicht nur seinen Notizblock, sondern auch seinen Fotoapparat dabei. Entstanden sind unzähligen Farbfotos, die er in sein Buch einbrachte: „Es war mir ein Anliegen, das Land quasi bis in die hintersten Winkel kennenzulernen. Sie sehen in dem Buch viele Beispiele dafür. Wir können in den Fotografien einen Teil der kulturellen Identität abbilden, die man mit Worten ganz wenig nur zum Ausdruck bringen kann.“

„Österreich – Raum und Gesellschaft“

Wie hat sich Kärnten im Laufe der letzte Jahre verändert? Welche Einflüsse in Hinblick auf Städtebau, Architektur und das soziale Gefüge Österreichs geprägt? Wohin geht die Tendenz?

Auch der Kontakt mit den Bewohnern Österreichs ist Martin Seger in Erinnerung geblieben: „Ich hab sehr viele nette Bekanntschaften gemacht bei meinen Tätigkeiten, bei meinen Fotografieexkursionen in die hintersten Gräben und zu den obersten Berghöfen und habe mich mit allen Leuten unterhalten und weiß daher, dass das Leben in der Peripherie ein schönes Leben ist – so wie ich an und für sich zum Kärntner geworden bin.“

Bild von Altbauer in Buch von Martin Seger
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Die Menschen stehen neben den vielen Zahlen, Daten und Fakten im Mittelpunkt der Publikation

„Kärnten ist reich an Tradition“

Seine Wahlheimat könne stolz sein auf die Traditionen, sagt Seger: „Es ist ein Land der Burgen, Einmal habe ich gesagt: Hinter jedem Hügel gibt es einen gotischen spitzen Kirchturm. Also ein klassisches Land alter Kultur. Eines der ältesten, wenn nicht das älteste selbstständige Land Österreichs eigentlich, als Herzogtum und damit ein wesentlicher und wertvoller Teil Österreichs als Ganzem.“

Zentralräume gewinnen an Bedeutung

Die Bevölkerung im südlichsten Bundesland Österreichs werde in den nächsten Jahren stabil bleiben, so der Experte. In Wien wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine Bevölkerungssteigerung um 22 Prozent verzeichnet. „Unter der Bevölkerung Österreichs sind etwa 1,4 Millionen Ausländer. Die Hälfte davon stammt aus EU-Staaten. Sehr viele aus den östlichen EU-Staaten. Die größte einzelne Gruppe sind aber die, die aus Deutschland kommen“, fasst Seger eine zentrale Erkenntnis seiner Forschungen zusammen.

Innerhalb Österreichs werde es zu einer Konzentration in den Zentralräumen kommen, sagt Seger: „Die Peripherien werden an Bevölkerung verlieren, die Pendlerräume werden sich ausdehnen. Das ist das Umland der großen Städte.“ In den Städten selbst sei durch das vergleichsweise große Angebot an Arbeitsplätzen eine Konzentration der Bevölkerung zu erwarten.

Playmobilmännchen auf Landkarte (Symbolbild für Gesellschaftsentwicklung)
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Zuwanderer machen laut Seger Österreich bunter

Rückgang der Peripherie auch in Kärnten

Diese Zentrierung in sogenannten Zentralräumen werde sich auch in Kärnten fortsetzen, so Seger. Vor allem der Raum Klagenfurt-Villach werde weiterhin wachsen und das Pendler-Umland werde durch sehr gute Straßenverbindungen und andere Verbindungen positive Effekte erfahren.

"Die Peripherie wird zurückgehen und wir werden damit leben müssen, dass in manchen Teilen des Landes die Bevölkerung stark zurückgeht und auch die Einrichtungen mit dem Bevölkerungsrückgang mehr oder weniger schrumpfen.

Landkarte von Kärnten die die Bevölkerungsverteilung im Raum Klagenfurt-Villach darstellt
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Diese Landkarte zeigt die Bevölkerungskonzentration in den Zentraläumen Klagenfurt und Villach

Naturwissenschaftlicher Verein unterstützt Publikationen

Herausgeber des Buches ist der Naturwissenschaftliche Verein für Kärnten. Ehrenamtlich kommen die Mitglieder zahlreichen Aufgaben nach – dazu zählen Vorträge und Exkursionen. In regelmäßigen Abständen unterstützt er auch heimische Autoren bei der Veröffentlichung neuer Publikationen, sagt Helmut Zwander, der Präsident des Vereins.

Helmut Zwander und eine Mitarbeiterin des Naturwissenschaftlichen Vereins für Kärnten bestücken einen Bücherständer
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Einige der Publikationen des Naturwissenschaftlichen Vereins für Kärnten

An die 400 kamen im Laufe der Zeit zusammen. Die Bandbreite reicht vom Fischereiwesen Kärntens über die Verbreitung der Brutvögel bis hin zur Flora Istriens. Das neue Buch von Martin Seger war für den Verein etwas Besonderes, sagt Zwander: „Sowohl was den Umfang betrifft, als auch was das Geld betrifft, aber natürlich das Wichtigste war: wo gibt es in Österreich noch einen Menschen, der von seinem Wissen her in der Lage ist, so ein Buch überhaupt zu publizieren. Da muss ja im Kopf dieses Menschen ein gewaltiges Wissen vorhanden sein. Wir haben natürlich das Glück gehabt, und mit Stolz konnten wir auch die Zusage geben.“

„Qualität ist wichtiger als Zeit“

Nach der Zusage wird fixiert, wann ein Buch erscheinen soll, sagt Zwander. Auch diesbezüglich war Martin Seger ein Sonderfall: „Beim ersten Gespräch war es so in zwei Jahren, dann sind es drei Jahre geworden, vier Jahre geworden, fünf Jahre geworden. Sechs Jahre, sieben Jahre. Aber wir habe immer gesagt: Nur keine Hektik. Die Qualität ist wichtiger als die Zeit.“

Dann müsse jemand für die ehrenamtliche redaktionelle Betreuung gesucht werden, sagt Zwander: „Wir können nicht dem Autor freie Hand lassen. Dann würde das Ganze ja wie eine Lawine anschwellen.“

Ausnahmepublikation als Herausforderung

Susanne Aigner hat ihre Dissertation bei Martin Seger geschrieben und übernahm die redaktionelle Betreuung des „Mammutwerkes“. Für sie stellte die Arbeit eine Herausforderung dar: "Normalerweise sind die Publikationen kleiner, überschaubarer und befassen sich schwerpunktmäßig mit einem Thema. Das Buch ist dermaßen umfangreich und hat so viele verschiedene, komplett konträre Themenbereiche, dass das wirklich eine große Herausforderung war von Seiten der Redaktion.

Das Buch

„Österreich Raum und Gesellschaft – Vermessung der Landschaft. Porträts der Bundesländer“ von Martin Seger
Erschienen 2019 bei Naturwissenschaftlicher Verein f. Kärnten
Sprache: Deutsch
648 Seiten
ISBN 978-3-85328-087-4

Sie sieht sich selbst als „Geburtshelferin des Buches“: „Man hat die Vermittlungsrolle zwischen Autor, Grafik und natürlich den Interessen des Vereins und darf die Kosten auch nicht aus den Augen verlieren. Das ist bei so einem großen Buch natürlich schwerer als bei einer kleineren Publikation und hat mich manchmal auch an die Grenzen gebracht.“

Helmut Zwander, Martin Seger und Susanne Aigner
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Helmut Zwander, Martin Seger und Susanne Aigner bei einer Besprechung

Buch für Jedermann

Sie ist stolz darauf, ihren Teil dazu beigetragen zu haben, dass ein Buch für jedermann entstand: „Es ist für Studenten, die zu einem Thema recherchieren, sei es jetzt Geografie, Biologie, alles zur Bevölkerungsentwicklung ist drinnen, aber es ist auch genauso für jeden Haushalt interessant. Selbst wenn man irgendwohin auf Urlaub fahren möchte schlägt man das entsprechende Bundesland auf und kriegt Ideen und Tipps, wo man hinfahren kann oder was man machen kann.“

Die Qualität mache den Unterschied, ist Aigner überzeugt: „Sich auf die Suche nach so einer Grafik oder Karte zu begeben ist im Internet nicht wirklich möglich. Es ist wirklich sehr kompakt und gut und birgt einen riesengroßen Fundus an Informationen.“ In Zeiten von Suchmaschinen im Internet würden die modernen, digitalen Informationsbeschaffungsmethoden aber dennoch keine ernstzunehmende Konkurrenz für dieses „Monumentalwerk“ darstellen.