Großer Schwurgerichtssaal voll besetzt
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Gericht

Mord, Betrug: Prozess gegen okkulte Frauen

Ein Prozess wegen Mordes, Betrugs und Brandstiftung gegen ein okkultes Frauentrio hat am Montag am Landesgericht Klagenfurt begonnen. Eine der Angeklagten sagte, sie wurde von einem „göttlichen Wesen“ beeinflusst. Die Hauptangeklagte wies alle Vorwürfe empört zurück.

Damit die Geschworenen besser vor Augen haben, was den drei Frauen vorgeworfen wird, wurde ein mehrere Meter langes Plakat entworfen, auf dem die Delikte detailliert dargestellt werden. Dazu Fotos von Opfern und Informationen zu den Straftaten. Die 48-jährige Hauptangeklagte, die in Haft sitzt und in Handschellen vorgeführt wurde, wurde von Staatsanwältin Bettina Dumpelnik als „Mastermind“ bezeichnet. Die Hauptangeklagte hatte am Montag beim Mordprozess in Klagenfurt lediglich die Betrügereien zugegeben, und das nur zum Teil, denn „zeitweise ist es von oben gekommen“, sagte die Angeklagte vor Gericht.

Hauptangeklagte „empört“

Die 48-Jährige wurde erst als zweite am Montag befragt. Sie wies die Vorwürfe der Anstiftung zu Mord und Brandstiftung empört zurück. „Ein Mord hätte mir ja überhaupt nichts gebracht“, erklärte sie. Warum die zweitangeklagte 44-jährige Ungarin, die als erste aussagte, sie diesbezüglich belaste, könne sie sich überhaupt nicht erklären, sagte die 48-Jährige.

Wie schon bei einem Betrugsprozess im Jahr 2011 behauptete die Angeklagte, ihrerseits von einem Dritten, einem Wünschelrutengänger, beeinflusst worden zu sein. Daher habe sie immer wieder Betrügereien gemacht. Dieser Mann habe stets Geld gefordert, das habe sie ihm gebracht. Dagegen wehren hätte sie sich nicht können, „der hätte mit mir weiß Gott was angestellt“.

Liste der Verbrechen
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Ein Plakat mit allen Straftaten, die den drei Frauen vorgeworfen werden

„Ich höre Stimmen“

„Ich höre von oben Stimmen, das entspricht der Wahrheit. Nur die Aussagen der Zweitangeklagten stimmen nicht, dass ein Mord angeordnet worden ist, das ist nicht richtig.“ Sie höre Stimmen von oben, wie sich das genau anfühle, könne sie nicht erklären. Aber einen von Stimmen befohlenen Mord, wie von der Zweitangeklagten behauptet, würde der Herrgott nie anschaffen, „bei aller Liebe“. Die Betrügereien seien teilweise bewusst erfolgt, teilweise habe es Anweisungen „von oben“ gegeben. Von dem späteren Mordopfer habe sie „sehr viel Geld“ bekommen. Die Begründungen waren Ausreden, von Hagelschlag bis Herzinfarkt.

Der alte Bekannte, der sie als Erbin eingesetzt habe, hätte dies aus Dankbarkeit getan. Ein Haus zu erben, hätte ihr ja nichts gebracht, „ich hatte ja selbst ein schönes Haus“. Und bei dem Villacher Mordopfer hätte ihr ein Mord ja überhaupt nichts gebracht, da im Testament ein zehnjähriges Belastungs- und Veräußerungsverbot festgeschrieben gewesen sei. Ihr einen Mord zu unterstellen, „das geht unter die Gürtellinie“.

„Nichts von Mord gewusst“

Den Mord könne sie überhaupt nicht verstehen, sie habe auch nichts davon gewusst. Die Behauptungen der Zweitangeklagten, sie habe von der Erstangeklagten den Auftrag dazu erhalten, wies sie empört zurück. Sie wiederholte, Stimmen von oben würden doch niemals einen Mord befehlen. Richter Dietmar Wassertheurer wollte dann wissen, ob die Stimmen von oben Betrügereien gutheißen würden. „Nein, das eigentlich nicht“, konzedierte die 48-Jährige.

Von den Brandstiftungen habe sie im Vorhinein gewusst, sagte die Angeklagte. Allerdings habe sie keine Details gekannt und sie schon gar nicht angestiftet. Wassertheurer fragte sie dann, warum sie nichts dagegen unternommen habe. Im Nachhinein betrachtet sei das ein Fehler gewesen. Vom letzten Brand habe auch die Drittangeklagte gewusst. Diese hatte die 44-Jährige mit dem Auto zu dem Objekt gefahren, das sie anzündete.

15 SMS hatte die 48-Jährige am Tag vor dem Mord an die Zweitangeklagte geschickt, ebenso am Tag einer Brandstiftung. Staatsanwältin Bettina Dumpelnik wollte wissen, was das zu bedeuten hätte. Die Angeklagte wiegelte ab, sie würde immer kurze Texte schicken, „da kommt schnell so was zusammen“.

Tötung von 72-Jähriger zugegeben

Als erstes wurde beim Prozesauftakt die Zweitangeklagte vernommen. Richter Dietmar Wassertheurer hatte sich entschieden, die 44-Jährige als Erste zu vernehmen, die 48-jährige Hauptangeklagte musste inzwischen den Saal verlassen. In der Befragung war viel von Energie, Beeinflussung und göttlichen Wesen die Rede. Einerseits hatte die 44-Jährige vor der Polizei detailliert die Abläufe der Tötung der Villacherin und der Brandstiftungen geschildert und nannte auch im Gerichtssaal Einzelheiten.

Andererseits berief sie sich bei heiklen Details stets auf eine Beeinflussung durch ein „göttliches Wesen“. Durch dessen Energie seien die Dinge passiert, auch wenn ihr Körper sie durchgeführt habe. Daher fühle sie sich auch nicht schuldig. Einmal sagte sie zum Mord: „Das war nicht ich, das war diese Energie, ich habe dagegen gekämpft.“

Aussage: Erstangeklagte ist „Medium“

Die Erstangeklagte sei ein „Medium“. Auf Befragung durch den Richter erklärte sie, das manifestiere sich etwa dadurch, dass sie „einen völlig fremden Blick“ bekomme, auch die Stimme verändere sich. Sie glaube daran, weil sie viele derartige Dinge selbst erlebt habe. Die Angeklagte sprach von guter und böser Energie, von der sie „übernommen“ werde, von einer dunklen Seite, von SMS, die in Versalien eine Botschaft Gottes darstellen würden.

Das göttliche Wesen habe durch die Erstangeklagte zu ihr gesprochen und ihr gesagt, dass sie die Frau umbringen müsse. Der Richter versuchte auszuloten, wie es sein könne, dass die Angeklagte einerseits genau wisse, was sie getan hatte, genau zum Zeitpunkt der Tötung der Frau jedoch keine Kontrolle mehr über sich gehabt hätte. Auf die Frage, ob sie das vorzeigen könne, was sie getan habe. „Ich kann mich nur erinnern, dass eine Hand auf ihrem Mund war und eine am Hals, dann habe ich einen Blackout gehabt.“

Richter Wassertheurer
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Richter Dietmar Wassertheurer leitet den aufsehenerregenden Geschworenenprozess

„Energie empfangen“

Unmittelbar darauf sagte sie aus, die Erstangeklagte habe ihr ausführlich vorgezeigt, wie sie die Frau töten solle. Als sie wieder zu sich gekommen sei, habe sie gesehen, dass die Villacherin am Boden liege. Warum und wie sie die Leiche ins Schlafzimmer gebracht habe, wisse sie nicht. Mit ihren eigenen Körperkräften sei das für sie keinesfalls möglich gewesen, sie habe dafür die Energie der Erstangeklagten empfangen.

Anschließend schilderte sie detailliert, welche Anweisungen die Erstangeklagte ihr erteilt hätte, vom Suchen nach Papieren bis zum Einräumen von Schmuck und Gold sowie Bargeld. Auch das Handy des Opfers nahm sie mit und entsorgte es später in der Drau.

Richter: Es ist nur ums Geld gegangen

Eigentlich sei es der Erstangeklagten nur um Geld gegangen, stellte der Richter fest. Die Zweitangeklagte meinte dazu: „Für mich ist Spiritualität etwas anderes, in meiner spirituellen Welt gibt es so etwas nicht.“ Aber Mord schon, kommentierte der Richter. „Das war nicht ich“, so ihre Antwort. „Ich musste alles so machen, wie dieses göttliche Wesen zu mir gesagt hat.“ Auf die gleiche Weise seien die Anweisungen für die Brandstiftungen gekommen. Begründet habe die Erstangeklagte die Brandstiftungen damit, dass Feuer die negative Energie vernichte, damit komme „die göttliche Reinigung“ in die Ortschaft.

Durch Esoterikinteresse kennengelernt

Kennengelernt hatte die gebürtige Ungarin die Erstangeklagte bei dem betagten Mann, der die Hauptangeklagte als Alleinerbin eingesetzt hatte. Die 44-Jährige hatte dort gewohnt. Er hatte laut ihrer Aussage auch einen Hang zur Esoterik, über diese Schiene hatte er auch die Erstangeklagte kennengelernt. Die später getötete Villacherin sei ebenfalls auf diese Weise in Kontakt mit der Hauptangeklagten gekommen. Diese habe der Erstangeklagten immer wieder Geld gegeben. Dabei sei es immer wieder zu Streitereien gekommen, weil die Villacherin Bestätigungen für die übergebenen Summen verlangt hätte.

Manipulation und Abhängigkeiten

In den ausführlichen Erzählungen der 44-Jährigen entstand ein sehr klares Bild von Manipulation und der Schaffung von Abhängigkeiten. So soll die Erstangeklagte dem späteren Mordopfer eingeredet haben, deren Tochter wolle sie besachwaltern lassen. Daher solle sie ihr Auto auf die Angeklagte überschreiben und möglichst viel Geld von ihren Konten abheben, damit der Sachwalter nicht darauf zugreifen könne.

Die Zweitangeklagte sagte aus, sie sei von der Erstangeklagten dazu gebracht worden, der Villacherin Geld herauszulocken, etwa für eine Operation. Das Geld habe sie dann an die Erstangeklagte weitergeleitet. Auf die Frage des Richters, warum sie das gemacht habe, sagte sie: „Sie hat immer damit gedroht, mit meiner Tochter oder meiner Familie wird etwas Schlimmes passieren.“ Sie habe zu viel Angst um ihre Tochter gehabt, um Nein zu sagen.

„Hochintelligent, aber manipulativ“

Der Geschworenensaal des Landesgerichtes war am Montag beinahe bis auf dem letzten Platz gefüllt. Auch das Interesse der Medien war groß – mehr dazu in Blitzlichtgewitter bei Mordprozess. Die Anklägerin schilderte zu Prozessbeginn, wie sich die Taten zugetragen haben sollen. Dabei schlug sie einen weiten Bogen über mehr als zehn Jahre. Die Hauptangeklagte habe alle Taten geplant, und zwar bis ins Detail. Sie habe den anderen angeschafft, was sie zu tun gehabt hätten.

„Die Angeklagte ist eine hochintelligente Frau, aber auch hoch manipulativ“, betonte Richter Dumpelnik. Sie habe als Energetikerin gearbeitet, dabei ihre Opfer ausgewählt und um große Summen erleichtert. 2010 wurde sie deshalb auch verurteilt und musste ins Gefängnis. Nach ihrer Entlassung habe sie aber laut Dumpelnik sofort weitergemacht. Insgesamt habe sie rund eine Million Euro durch ihre Betrügereien lukriert. Sie redete ihren Opfern ein, sie habe schwerste Krankheiten und brauche dringend Geld. Ihr großes Ziel sei es aber gewesen, Alleinerbin ihrer Opfer zu werden.

Brei aus Maiglöckchen verabreicht

Das sei ihr 2017 auch gelungen, ein 95-Jähriger setzte sie als Erbin ein. Als dieser Bedenken bekam, so die Anklägerin weiter, beschloss die 48-Jährige, ihn aus dem Weg zu räumen. Sie habe die Zweitangeklagte veranlasst, den Mann zu vergiften. Ihm wurde ein Brei aus vermeintlichen Maiglöckchenblättern verabreicht, allerdings kam es zuvor zu einer Verwechslung, das betagte Opfer erhielt Bärlauch und blieb daher auch unversehrt. Bald darauf änderte er sein Testament und strich die Hauptangeklagte wieder heraus.

Erste Mordversuch ging schief

Ebenfalls als Alleinerbin eingesetzt wurde die 48-Jährige von dem späteren Mordopfer, einer 72 Jahre alten Villacherin. Diese gab ihr große Summen an Bargeld, brach den Kontakt zu ihrer Familie ab und hörte offenbar nur noch auf die Energetikerin. Ein Polizeibeamter, der das Treiben der Betrügerin im Auge behielt, warnte die Villacherin vor ihrer Bekannten. Diese habe zwar keine Anzeige erstatten wollen, sei aber doch nachdenklich geworden, sagte Dumpelnik.

Sie zog sich zurück, worauf die Hauptangeklagte beschlossen hätte, die Frau müsse sterben. Ein erster Versuch sei Ende September 2018 erfolgt, da hätten die Erst- und Zweitangeklagten ihr einen Pflanzenbrei in eine Cremesuppe gemischt. Der Versuch ging laut Anklage schief. Nach einigen Tagen habe die Zweitangeklagte bei der Villacherin angerufen und „bald einen Herzkasper bekommen“, weil die vermeintlich Tote das Telefon abhob.

„Grünes Licht im Kosmos“

Danach sei der Beschluss gefallen, die Villacherin zu erwürgen. Die Hauptangeklagte habe der Zweitangeklagten den Auftrag dazu erteilt, ihr genau erklärt, wie sie es machen müsse. Das Ganze müsse zwischen dem 4. und 6. Oktober passieren, weil in dieser Zeit „grünes Licht im Kosmos herrscht“. Sie werde mit ihrem Mann inzwischen nach Kitzbühel fahren, um ein Alibi zu haben. Die Zweitangeklagte habe – nach zwei vergeblichen Anläufen – das Opfer dann am 6. Oktober tatsächlich erwürgt.

Sie habe von hinten zugepackt und mit der linken Hand den Kehlkopf zusammengedrückt, bis die 72-Jährige tot zusammenbrach. Danach habe sie den Tatort gesäubert und die Leiche ins Schlafzimmer gezogen. Sie habe die Wohnung durchsucht, Unterlagen, 900 Euro und Schmuck mitgenommen. Die Unterlagen habe sie verbrannt, Schmuck und Geld an die Auftraggeberin übergeben. Der Schmuck wurde teilweise im Haus gefunden, teils im Dorotheum, wo die Drittangeklagte die Stücke für sie versetzt habe. Zwei Wochen nach dem Mord wurde die Leiche gefunden.

Erste Festnahme im November 2018

Der dritte Vorwurf ist jener der Brandstiftung. Diese Idee entstand laut Anklage, weil die 48-Jährige mit 500.000 Euro verschuldet war, das Haus aber auf 550.000 Euro versichert. Die 48-Jährige brachte die Zweitangeklagte dazu, mehrere Brände zu legen, damit es einen „Feuerteufel“ gebe und sie nicht verdächtig werde, wenn auch ihr Haus niederbrenne. Nach mehreren Bränden wurde die Gegend observiert, bei einer neuerlichen Brandstiftung am 24. November 2018 wurde die Zweitangeklagte auf frischer Tat ertappt und festgenommen, ebenso die Drittangeklagte, welche sie chauffiert hatte. Noch in der gleichen Nacht wurde auch die Erstangeklagte festgenommen.

Angeklagte will Tonband anhören

Der Verteidiger der Hauptangeklagten, Hans Gradischnig, hielt seiner Mandantin nach ihrer Aussage belastende Aussagen der Zweitangeklagten vor, die die 48-Jährige samt und sonders als unwahr bezeichnete. Die Zweitangeklagte konterte, sie habe die Wahrheit gesagt, die Behauptungen der Erstangeklagten seien unwahr. Anschließend bat die Erstangeklagte darum, nicht mehr weiter befragt zu werden. Richter Wassertheurer vertagte daraufhin die Verhandlung, die Befragung der Erstangeklagten soll am Freitag fortgesetzt werden.

Die 48-jährige Angeklagte bat noch darum, das Gericht solle sich eine Tonbandaufnahme anhören, da diese sie entlasten würde. Was auf dem mehrstündigen Mitschnitt zu hören ist, wollte sie nicht sagen. Nun werden sich die Verteidiger das Band anhören.