Szenenausschnitt
ORF
ORF
Kultur

„Die Stunde, da wir nichts…“

Donnerstagabend feiert am Stadttheater Klagenfurt das erste Schauspiel dieser Spielzeit Premiere. „Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“ von Peter Handke kommt ganz ohne Worte aus und ist eines der sehenswertesten Theaterstücke der zu Ende gehenden Intendanten-Ära von Florian Scholz.

Was sich in „Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“ nach außen hin vollzieht, ist ein wortloses Schauspiel auf einem Platz in einer beliebigen Stadt – in starken Bildern.

Szenenausschnitt
ORF

Musik, Geräusche des Alltags, Menschen betreten die Bühne, gehen und kommen wieder. Treffen sich. Erzählt wird im eigentlichen Sinne nichts, und doch alles: Denn der der Mensch im Zuschauerraum beginnt sich Fragen über sich selbst zu stellen: Was zieht meine Blicke auf sich, was stößt mich ab und – warum? Wer bin ich, wenn ich gerade nicht spreche?

Was wir Menschen sind

Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten ist ein großes Theater-Experiment, und dabei doch Realismus pur. Es ist an Dramatik nicht zu überbieten, weil es ja um nichts weniger als um ALLES geht. Man bekommt viel erzählt über sich selbst, und über das was wir Menschen in dieser Welt sind. Und das hat nichts mit Esoterik zu tun, sondern mit Körperarbeit und einer uniersalen Sprache des Körpers, die überall auf der Welt verstanden wird.

Szenenausschnitt
ORF

Schauspielerin Katharina Schmölzer: „Das ist gültig überall, es ist nicht bezogen auf ein Land, auf eine Nation. Es ist einfach Menschsein, es ist eine Magie da, es ist gleichzeitig ganz pragmatisch und alltäglich. Es kommt alles zusammen, das spürt man auf der Bühne sehr“.

12 Akteure übernehmen 350 Rollen

Jeder der Schauspieler ist „viele“ in dieser Handke-Partitur. Mit nur 12 Akteurinnen und Akteuren erschafft die international besetzte KULA-Compagnie in Koproduktion mit den Vereinigten Bühnen Bozen eine ganze Hundertschaft an Figuren. Genauso wie es Peter Handke in seinem Text vorgesehen hat. „Wir sind, glaube ich, die erste Gruppe, die es wirklich mit zwölf Leuten macht. Er empfiehlt das so, er empfiehlt, dass zwölf Schauspieler das unternehmen. Meistens sind es dann doch mehr Schauspieler. Desto weniger es sind, desto weniger Zeit hat man hinter der Bühne und das brauch eine coole Crew, die wir hier auch hatten“, so Regisseur Robert Schuster.

Szenenausschnitt
ORF

Der Film ist man selber

Der Zuschauer soll „sehen“ und das wird ihm auch deutlich vor Augen geführt, denn sehen heißt hier „wissen“. Plötzlich hustet jemand im Sessel daneben, man hört von draußen eine Sirene und begreift, was sich vollzieht, was sich abspielt, der Film ist man selber.

In Peter Handkes „Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“ gibt keinen roten Faden. Denn das Leben hat ja auch keinen. Überflüssig zu sagen, dass es trotzdem nie langweilig wird.

Szenenausschnitt
ORF

Wenn Worte zu klein werden

Ohne Sprache zu sein, geht nicht mit einem Verlust oder Mangel einher. Eher im Gegenteil. Die Worte sind plötzlich für alles zu klein geworden. Am Ende geht man aus dem Theater voll mit Bildern und weiß, die Stunde, da wir nichts voneinander wussten, das ist jetzt und immer. Und nur die Sprache täuscht uns darüber hinweg, dass jeder in Wahrheit für sich selbst ist und dass es wohl nur die Sprache ist, die die Menschheit davor bewahrt, verrückt zu werden.

Das müssen Sie gesehen haben, denn das haben Sie so noch nie gesehen: Aufflatternde Tauben, Fahrradgeklingel, Menschen, die sich treffen und aneinander vorbeigehen, atmen, sterben.