Der heißeste Bachmannpreis aller Zeiten – teilweise hatte es in Klagenfurt 38 Grad Celsius – findet am Sonntag seinen Höhepunkt. Seit 11.00 Uhr laufen der Livestream und die TV-Übertragung mit der Preisermittlung.
Der Ingeborg-Bachmann-Preis in der Höhe von 25.000 Euro wird von der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee gestiftet. Es kam nach der ersten Abstimmungsrunde der Juroren zu einem Stechen zwischen Birgit Birnbacher und Yannic Han Biao Federer, das letztendlich Birgit Birnbacher für sich entschied und somit zur Bachmannpreis-Trägerin gekürt wurde.
Schrank-Story überzeugte
Als eine von sechs Österreicherinnen und Österreichern nahm sie auf Einladung von Stefan Gmünder am Bewerb teil. Im Text „Der Schrank“ geht es um eine soziologische Studie, eine an dieser Studie Teilnehmende und das plötzliche Erscheinen eines Schrankes – mehr dazu in Text Birgit Birnbacher.
Die sechsunddreißigjährige Ich-Erzählerin ist trotz ihrer Ausbildung eher mäßig erfolgreich in Beruf und Privatleben. Die Teilnahme an der Studie über Lebensverhältnisse und Neue Arbeit scheint als willkommene Abwechslung wahrgenommen zu werden. Eher unaufgeregt wird der im Stiegenhaus aufgetauchte Schrank wahrgenommen, bis er schließlich als Geschenk ihrer Mutter erkannt wird. Die Jury zeigte sich überzeugt von der Qualität des Textes – mehr dazu in Jurydiskussion Birgit Birnbacher. Im Vorjahr ging die Auszeichnung an die in Wien lebende Ukrainerin Tanja Maljartschuk.
In einem ersten Statement nach der Preisverleihung sagte die sichtlich überwältigte, frischgebackene Preisträgerin im Interview mit Zita Bereuter, die Auszeichnung bedeute ihr sehr viel. Der Plan sei dennoch, nach einem Jahr intensiven Schreibens jetzt wieder eine Stelle als Soziologin anzunehmen. Bevor sie diese antrete werde sie aber noch am Montag ab 20.04 Uhr bei der „Langen Nacht der Literatur“ dabei sein.
Deutschlandfunk-Preis für Leander Fischer
12.500 Euro stellt Deutschlandradio für den Deutschlandfunk-Preis zur Verfügung. Es kam auch in diesem Fall zu einem Stechen – diesmal zwischen Yannic Han Biao Federer und Leander Fischer. Letzterer erhielt im zweiten Wahlgang mehr Stimmen.
Der gebürtige Oberösterreicher präsentierte „Nymphenverzeichnis Muster Nummer eins Goldkopf“. Darin verschwimmt Musik mit dem Fliegenfischen. Die Jury äußerte sich sehr positiv – mehr dazu in Jurydiskussion Leander Fischer.
Julia Jost erhält Kelag-Preis
Die dritte am Sonntag vergebene Auszeichnung ist der Kelag-Preis; gestiftet von der Kärntner-Elektrizitäts-Aktiengesellschaft in der Höhe von 10.000 Euro. Auch bei diesem Preis kam es zu einer Stichwahl zwischen den Autoren Julia Jost und Yannick Han Biao Federer. Aus dem Stechen ging Julia Jost als Siegerin hervor.
Die Autorin wurde in St. Veit an der Glan geboren und lebt in Hamburg. Sie präsentierte auf Einladung von Klaus Kastberger den Text „Unweit vom Schakaltal“, in dem die Ich-Erzählerin ein Bild Kärntens zeichnet. Zwar voll geographischer Schönheit, doch voll persönlicher Tragik – mehr dazu in Text von Julia Jost.
Federer mit 3sat-Preis ausgezeichnet
Der letzte von der Jury vergebene Preis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur war der 3sat-Preis in der Höhe von 7.500 Euro. Er wird von 3sat, dem Gemeinschaftsprogramm der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ZDF, ORF, SRG und ARD gestiftet. Es kam auch bei dieser Abstimmung zu einem Stechen – diesmal zwischen Yannic Han Biao Federer und Daniel Heitzler. Federer entschied den zweiten Wahlgang für sich und darf sich über diesen Preis freuen.
Er wurde 1986 in Breisach am Rhein geboren und lebt in Köln. Er las auf Einladung von Hildegard E. Keller „Kenn ich nicht“. In dem Text, in dem immer wieder der Name eines Autors mit dem Namen Yannic Han Biao Federer auftaucht, erzählt er die Geschichte einer Trennung und eines Neuanfangs in einer neuen Wohnung – mehr dazu in Text Yannic Han Biao Federer. Die Jury diskutierte kontroversiell – mehr dazu in Jurydiskussion Yannic Han Biao Federer.
Begründungen des Publikums:
-Ronya Othmann ist eine faszinierende und starke junge Frau, von der wir viel lernen können
-Aktuelle Thematik wurde literarisch hervorragend aufgearbeitet. Guter und mutiger Text
-Wichtiger Text mit politischer Aussage von hoher literarischer Qualität
-Der Text hat in distanzierter und zugleich unmittelbarer literarischer Weise berührt
-eine Sprache, die das laute Schweigen bricht
-Eindringlich, roh, direkt, in der Verzweiflung poetische Momente abgepresst wie kleine Fluchten
Othmann erhält BKS-Bank-Publikumspreis
BKS-Bank-Publikumspreis in der Höhe von 7.000 Euro wird von der BKS Bank gestiftet. Die 1993 in München geborene Ronya Othmann überzeugte mit „Vierundsiebzig“ das Publikum – mehr dazu in Text „Vierundsiebzig“. Sie beschreibt darin eine beklemmende Reise in den Irak, bei dem die Ich-Erzählerin, die in Deutschland lebt, ihre jesidischen Verwandten besucht und auf den Spuren der Gräueltaten des IS aus dem Jahr 2014 wandelt. Die Juroren hatten am zweiten Lesetag heftig darüber diskutiert, wie man über Unsägliches schreiben könne – mehr dazu in Jurydiskussion zu Ronya Othmann.
Othmann wird somit im nächsten Jahr das Stadtschreiber-Atelier in Klagenfurt beziehen. Seit 2009 vergibt die Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee ein Stadtschreiberstipendium in der Höhe von 5.000 Euro an den Gewinner/die Gewinnerin des BKS-Bank-Publikumpreises.
Reaktionen
"Das Unvorhersehbare macht das Wettlesen jedes Jahr spannend, so konnte auch heuer das literaturbegeisterte Publikum im Studio miterleben, wie über Texte diskutiert wird oder auf 3sat live dabei sein“, sagte Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) in einer Aussendung. Seit über vier Jahrzehnten zähle der Ingeborg-Bachmann-Preis zu den bedeutendsten Wettbewerben in der deutschsprachigen Literaturszene. Er biete allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine große Bühne, denn Menschen aus dem gesamten deutschen Sprachraum würden die Lesungen verfolgen.
Erfreulich sei heuer die hohe Frauenquote im Teilnehmerfeld, die bei mehr als 50 Prozent liege. „Die Tage der deutschsprachigen Literatur sichern das Gedenken an Ingeborg Bachmann und heben Kärnten ins Rampenlicht der internationalen Literaturszene. Ich gratuliere der diesjährigen Gewinnerin zu ihrem hervorragenden Text sowie allen Preisträgerinnen und Preisträgern“, so der Kulturreferent.
Klagenfurts Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz zeigte sich sehr stolz auf die Veranstaltung. „Das ist eine wunderbare Tradition, die wir auch in den nächsten Jahren fortsetzen wollen.“