Leonie Wutscher wurde zwei Mal im LKH Wolfsberg operiert und brauchte zwei weitere Operationen im Klinikum. Im August ist der fünfte Eingriff geplant. An die Operationen vor zwei Jahren will sie gar nicht zurück denken: „Ich habe sehr schlechte Erinnerungen. Ich weinte viel, weil sie auch sehr unfreundlich waren. Ich fragte mich, ob man wirklich so mit einer Zwölfjährigen umgeht. Ich wurde ohne Betäubung eingespritzt. Es war alles sehr unangenehm und hat sehr weh getan.“
Aufgezeigt „Endloses Leiden“
Seither kann sie weder ins Schwimmbad gehen, noch Skifahren und braucht tägliche Fußpflege. Leonies Mutter Sonja Wutscher ergänzt, dass die Zeit für die gesamte Familie eine Belastungsprobe gewesen sei: „Die Einschränkungen, die sie erlebt hat, waren sehr schlimm und haben sich sehr auf die Psyche niedergeschlagen.“

Langer Leidensweg
Markus Wutscher, Leonies Vater, ist überzeugt davon, dass bei den ersten Operationen im LKH Wolfsberg etwas schief gegangen sei. Er fordert Schadenersatz und Schmerzensgeld für seine Tochter: „Ich glaube, dass ihr einfach etwas zusteht. Es wäre schön, wenn man ihr etwas geben könnte, um zu sagen, das ist eine kleine Abgeltung für diese schlimmen zwei Jahre, die du miterlebt hast.“

Dafür spricht, dass selbst erfahrene Chirurgen nicht nachvollziehen können, wieso Leonies Nagel in zwei statt einer Operation entfernt wurde. Auch das Gutachten, das die Patientenanwaltschaft in Auftrag gab, bestätigt, was Markus Wutscher vermutet: „Es war eine Standardoperation am Zeh – ein eingewachsener Zehennagel ist ja keine komplizierte Geschichte. Dass der Leidensweg dann so lange dauerte machte mich sehr misstrauisch.“

KABEG bietet direkte Aussprache an
Die KABEG – also das LKH Wolfsberg – lehnt aus Datenschutzgründen eine offizielle Stellungnahme ab, bietet der Familie aber eine lösungsorientierte Aussprache mit der medizinischen Direktion an.
Sendungshinweis:
Kärnten heute, Radio Kärnten, 14.6.2022
Rechtsanwalt Paul Wolf ist auf Kunstfehler spezialisiert und nahm sich des Falles Leonie Wutscher an. Nach Durchsicht der Unterlagen war für ihn klar, dass der operative Eingriff nicht kunstgerecht, also sorgfältig genug und zu frühzeitig durchgeführt worden sein dürfte: „Leonie hatte erst über wenige Wochen Schmerzen und wurde aus meiner Sicht auch nicht ausreichend konservativ austherapiert.“ Dass zwei Operationen durchgeführt worden sei laut Wolf sinnlos: „Das verstehen auch nicht die eigenen nachbehandelnden Ärzte des Klinikums, dass die Operation nicht in einem einzigen Eingriff durchgeführt wurde. Dazu kommen gravierende Aufklärungsfehler. Auch eine Aufklärung, die nicht geleistet wird, führt zur Haftung.“

Anwalt: Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz
Deshalb ist für Rechtsanwalt Paul Wolf klar, dass Leonie Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld hat. Er spricht von einem Leistungsbegehren in der Höhe von jenseits der 10.000 Euro an Schmerzensgeld, dazu kommen Aufwendungen für eine Haushaltshilfe und Unterstützungstätigkeiten, Zureisen zu den Ärzten usw. Zusätzlich gebe es ein Feststellungsbegehren, das aus seiner Sicht zu stellen sei, weil eine Nachoperation anstehe und bereits Dauerfolgen vorliegen würden. Die Gegenseite, das Klinikum Wolfsberg der KABEG, für alle derzeit noch nicht bekannten Folgen aus dem Vorfall hafte. Dazu zählen weitere Operationen, Eingriffe, Behandlungsnotwendigkeiten, wie etwa kosmetische Korrekturen.

Klagsoption offen
Leonies Familie will von Rechtsanwalt Wolf begleitet und vertreten werden. Er rät zunächst zum friktionsfreisten Weg, also zu einer außergerichtlichen Einigung. Er verstehe nicht, aus welchen Gründen sich die Gegenseite sperre: „Hierzu gibt es eine klare Stellungnahme, wo von einer nicht lege artis, also nicht kunstgerechten Behandlung, gesprochen und dies auch wesentlich begründet wird. Dazu kommt hier, dass dokumentiert auch Aufklärungsmängel vorliegen. Deshalb würde ich der Gegenseite dringend empfehlen Kontakt mit uns aufzunehmen und uns ernst zu nehmen.“ Sollte keine Kontaktaufnahme durch die Gegenseite erfolgen, müsse er der betroffenen Familie zu einer Klage raten.
UNIQA: Risikofall trat ein
Die UNIQA legte sich als Haftpfichtversicherung der KABEG von vorne herein quer. Die Operationen im LKH Wolfsberg seien „lege artis“, also nach den Reglend der ärztlichen Kunst, ausgeführt, behauptet die UNIQA und weiter: „Bevor Leonie Wutscher operiert wurde, fand im LKH Wolfsberg eine umfassende Aufklärung der Patientin und ihren Eltern über die Risiken des Eingriffes statt. Dazu zählte auch der ausdrückliche Hinweis, dass bei der gewählten Operationsmethode Nagelwurzelreste verbleiben können, die ein geringes Risiko auf Komplikationen bergen. Leonies Eltern haben mit ihrer Unterschrift auf dem umfangreichen Aufklärungsbogen zu der besprochenen Behandlungsmethode ihre Einwilligung gegeben. Unglücklicherweise trat bei Leonie Wutscher exakt dieses aufgezeigte Risiko ein und führte zu den beschriebenen Komplikationen.“

Mit dem Gutachten konfrontiert, das im Auftrag der Patientenanwaltschaft erstellt wurde und zu dem Schluss kommt, dass die Operationen nicht lege artis durchgeführt worden seien, weil ein Nagelrest im Zeh verblieben sei, sagte die UNIQA: "Eine Begründung oder Ausführung, die seine Ansicht stützt, gibt der Gutachter nicht an. Der Definition nach bedeutet lege artis „nach den Regeln der ärztlichen Kunst, was jedoch nicht gleichzusetzen ist mit dem Erfolg einer medizinischen Behandlung. Vielmehr ist damit gemeint, dass eine Ärztin oder ein Arzt eine Leistung entsprechend dem aktuellen Stand der Medizin erbringt. Im Fall von Leonie hat der behandelnde Arzt diese Leistung erbracht, womit eine Haftung seinerseits ausgeschlossen ist.“

Die UNIQA bleibt also nach wie vor bei ihrer Position und zeigt keine Bereitschaft zu einer Kulanzleistung für Leonie: „Wir bedauern, dass sich der Behandlungserfolg bei Leonie Wutscher nicht eingestellt hat und Komplikationen aufgetreten sind. Wir bitten um Verständnis, dass dennoch kein Anspruch auf Leistung abzuleiten ist, weil kein Behandlungsfehler des behandelnden Arztes vorliegt.“
Privatversicherung springt teilweise ein
Kulanter zeigt sich Leonies private Taggeld- und Krankenversicherung bei der Wiener Städtischen. Vertragsgemäß steht Leonie auch aus dieser Versicherung nichts zu: „Ein Aufenthalt gilt gemäß den Versicherungsbedingungen nur dann als stationäre Heilbehandlung, wenn der Aufenthalt der Patientin mindestens 24 Stunden dauert. Beide Operationen im LKH Wolfsberg wurden ambulant durchgeführt, daher kann kein Taggeld gewährt werden. Für die dritte Operation im LKH Klagenfurt besteht zwar ebenfalls kein Anspruch, da dieser Eingriff aber unter Allgemeinnarkose stattfand, können wir entgegenkommend eine Leistung in der Höhe von 96,00 Euro anbieten."

Ein Taschengeld immerhin. Leonie wird bis zur nächsten Operation im August die Ferien genießen: „Ich hoffe, dass dann alles besser wird und normal weiter geht.“ Bleibt also offen, was Familie Wutscher mit Unterstützung des Rechtsanwaltes Paul Wolf noch bewirken kann.