Kontroversielle Ansichten zum Wolf

Die ORF Kärnten „Streitkultur“ hat sich am Montag mit dem Thema Wolf beschäftigt. Laut Almwirtschaftsverein wurden heuer rund hundert Schafrisse von acht verschiedenen Wölfen nachgewiesen. Der Abschussbescheid wurde ausgeweitet, Naturschützer fordern mehr Förderungen für Herdenschutz.

Es sind nicht viele, dennoch fallen sie auf: Wölfe in Tallagen, in der Nähe von Bushaltestellen, Siedlungen und Landesstraßen sorgen in jüngster Vergangenheit immer wieder für Aufsehen. Für ÖVP-Jagdreferent Martin Gruber mit ein Grund, warum er für zwei Abschussbescheide im Gail- und Drautal die Genehmigung erteilte: „Wenn man sie schon in der Nähe von bewohntem Gebiet sieht zeigt das mir vor allem, dass solche Jungtiere keine Scheu mehr vor Menschen haben. Ich möchte mir nicht ausmalen, wenn Menschen oder vielleicht sogar Kinder tatsächlich auch auf den Wolf treffen. Ich bin der Meinung: Wehret den Anfängen, weil im Nachhinein ist es dann zu spät.“

Gruber hält auch den Schutzstatus des Wolfes, angesichts der 20.000 Individuen in Europa, nicht mehr für notwendig. Von einer aussterbenden Art könne längst keine Rede mehr sein.

Sendungshinweis:

Radio Kärnten Streitkultur; 4.10.2021

„Wolf muss Mensch als Gefahr betrachten“

Auch Landesjägermeister Walter Brunner pflichtete Gruber bei und sprach sich sogar für eine grundsätzliche Bejagung des Wolfes aus, damit der Wolf lernt, dass vom Menschen eine Gefahr ausgeht: „Wenn er nicht bejagt wird, wird er die Scheu nicht mehr wieder bekommen. Er muss den Menschen, menschliche Behausungen, Weidetiere, Almen als Gefahr betrachten. Wer heute nichts tut, muss verantworten, was heute in zehn Jahren passiert. Wenn wir heute acht Wölfe haben, die genetisch nachgewiesen wurden – zwei weibliche fehlen – dann haben wir nächstes Jahr 16 Stück Minimum. Wenn es dann Rudel gibt, dann gute Nacht, wenn jemand draußen auf einer Skitour ist und ihm begegnet.“

Herdenschutz in Kärnten „noch in Kinderschuhen“

Dem widersprach Christian Pichler, Artenschutzbeauftragter des World Wildlife Fund (WWF). Es gäbe seit mehr als 15 Jahren Wolfsnachweise in Österreich. Derzeit gehe man von 50 Wölfen und ein bis zwei Rudeln aus. Von einer exponentiellen Entwicklung könne keine Rede sein. Der Wolf sei die Gesundheitspolizei im Ökosystem, seine Wiederkehr wichtig für eine intakte Natur. Laut EU-Richtlinie müsse Österreich auch weiterhin seinen Beitrag zum Schutz leisten.

Anstatt gleich mit der Büchse zu kommen, müsse viel mehr in den Herdenschutz investiert werden. Der stecke in Kärnten noch in den Kinderschuhen. So sehe es auch der österreichweite Wolfsmanagementplan vor, den der Bund mit den Ländern, Almbauern und Umweltschutzorganisationen ausgearbeitet hätte: „Den Managementplan gab es schon 2012. Seither ist aus meiner Sicht viel zu wenig passiert. Ich hätte gerne, dass Kärnten ähnlich wie Salzburg und Tirol den Herdenschutz stärker unterstützt.“

Radio Kärnten Streitkultur: Der Wolf kehrt zurück: Schützen oder schießen?

„Hirten besser ausbilden“

Wie solche Herdenschutzmaßnahmen aussehen, wird im Österreichzentrum für Bär, Wolf und Luchs erprobt. Geschäftsführer Albin Blaschka plädierte auch für eine bessere Ausbildung der Hirten und Herdenschützer. In anderen Ländern gebe es etwa auch Herdenschutzhunde: „Im Tal kann ich mit einem technischen Herdenschutz mit Zäunen sehr gut arbeiten. Das sind alles Dinge, die sind machbar mit einer entsprechenden Unterstützung.“

Almbauer: Herdenschutz nicht immer praktikabel

Almbauer und Biolandwirt Martin Martin erprobte den Herdenschutz nach Wolfsrissen auf der Kirchbacher Wipfelalm. Seine Erfahrungen mit Behirtung, Nachtpferche und Schutzzäunen: „Es funktionierte zwei Monate lang. Es ist aber eine riesige Arbeit dahinter.“ Die Wetterverhältnisse in den Staulagen der karnischen Alpen seien aber äußerst instabil und so könne es vorkommen, dass man vorlauter Nebel plötzlich die Tiere nicht mehr sehe.

Neue Verordnung in Arbeit

Mit ein Grund, warum Gruber solchen zusätzlichen Förderungen auch eine Absage erteilt. Stattdessen will er Gebiete, wo Herdenschutz nicht möglich ist, als Weideschutzzonen ausweisen. Dort sollen dann künftig Wolfabschüsse schnell und unbürokratisch erlaubt werden. Eine entsprechende Wolfsverordnung sei gerade dazu in Ausarbeitung.

Einen Mix aus Herdenschutzmaßnahmen und Abschüssen hält Roman Kirnbauer, Wolfbeaufetrager und Wildbiologe des Landes, künftig für naheliegend. Er gibt in dem Zusammenhang auch zu bedenken, dass es auch Wölfe gebe, denen kein auffälliges Verhalten nachgewiesen werden könnne: „Sie werden oft garnicht gesehen. Sie ernähren sich von Wildtieren und da gibt es überhaupt kein Problem in der Gesellschaft“, sagte der Wildbiologen.

Reaktion

Eine gezielte Entnahme des Wolfes forderte Team Kärnten-Chef Gerhard Köfer in Bezug auf die aktuelle Wolf-Diskussion. Andere Möglichkeiten, wie verstärkter Herdenschutz mit Hirten und Herdenschützer, seien vielerorts nicht praktikabel und nicht umsetzbar.