Haus und Grundstück von Familie Wetenkamp
ORF
ORF

Hoffnung für deutsche Familie

Familie Wetenkamp aus Hannover ist mit ihrem behinderten Sohn in ein geerbtes Haus nach Kärnten gezogen. Weil für den Sohn ein Antrag auf Chancengleichheit gestellt wurde, droht die Abschiebung. Nicht berücksichtigt wurde laut Anwalt aber ein Abkommen zwischen Österreich und Deutschland.

Kevin Wetenkamp möchte in einer Behinderteneinrichtung arbeiten. Damit er nach dem Probearbeiten in der Einrichtung aufgenommen wird, stellte Familie Wetenkamp einen Antrag nach dem Kärntner Chancengleichheitsgesetz. Das rief das Bundesamt für Fremdenwesen auf den Plan, das jetzt die ganze Familie abschieben will.

Ines Wetenkamp
ORF
Die Einrichtung riet Ines Wetenkamp zum verhängnisvollen Antrag

„Komme seit 52 Jahren nach Kärnten“

Ines Wetenkamp hat in Kärnten Wurzeln, sie erbte in Schiefling ein Haus von ihrem Großvater: „Ich komme seit 52 Jahre hierher, meine Großeltern haben das Haus gebaut, und hier habe ich eine feste Bindung.“ Die Familie zog nach Kärnten, als Dirk Wetenkamp Frührentner wurde.

Aus dem Traum wurde aber ein Alptraum mit der Arbeitssuche für Kevin in einer Beschäftigungswerkstätte, so Ines Wetenkamp: „Es wurde mir dort gesagt, ich müsste einen Antrag auf das Kärntner Chancengleichheitsgesetz stellen, damit er dort arbeiten kann. Am 10.2. kam der Bescheid, dass wir aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen werden sollen.“ Die Familie sei verzweifelt, sagte sie, alles werde nun in Frage gestellt und es habe ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Die Familie hat ein Einkommen und gilt als selbsterhaltungsfähig, auch Freunde haben sie im Land.

Bezirkshauptmann Johannes Leitner
ORF
Johannes Leitner

Dass mit dem Chancengleichheitsgesetz Sozialleistungen verbunden sein könnten, war Ines Wetenkamp nicht klar: „Ich habe zu keiner Zeit eine wirkliche Aufklärung oder Erklärung bekommen, was dieser Antrag auslösen kann.“ Begründet wird Der Bescheid so: „Dass Kevins weiterer Aufenthalt eine erhebliche und dauerhafte finanzielle Belastung für das österreichische Sozialsystem darstellen würde.“

Der Antrag wurde von der Gemeinde Schiefling an die Bezirkshauptmannschaft weitergeleitet. Johannes Leitner, Bezirkshauptmann von Klagenfurt sagte, das sei der normale Vorgang, die BHs führen die Vorerhebungen durch: „Bei Personen, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, ist nach dem Chancengleichheitsgesetz zu prüfen, ob sie einem Österreicher gleich gestellt sind. Und diese Prüfung übernimmt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.“ Vor allem bei Personen, die weniger als fünf Jahre hier leben.

Keine Information durch Behörde

Auf die Frage von Aufgezeigt, ob die Familie von der Bezirkshauptmannschaft darüber informiert worden sei, dass sie mit diesem Antrag faktisch die Ausweisung provoziere, sagte Leitner, laut Auskunft seiner Mitarbeiter sei dies nicht der Fall gewesen: „Das halte ich auch nicht für sinnvoll, weil die Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt keinesfalls Prognosen zu stellen hat, wie derartige Verfahren ausgehen.“

Anwalt Rudolf Vouk
ORF
Rudolf Vouk

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl- (BFA) begründet die Ausweisung damit, dass Kevins weiterer Aufenthalt eine erhebliche und dauerhafte finanzielle Belastung für das österreichische Sozialsystem darstellen würde.
Für Kevin, der sich gerne überall nützlich macht, ist das ein harter Schlag. Ines Wetenkamp sagte, sie finde das absolut diskriminierend und menschenunwürdig. Kevin selbst sagte, er würde gerne in Österreich bleiben.

Kevin Wetenkamp
ORF
Kevin Wetenkamp möchte in Kärnten bleiben

Haus und Grundstück nicht berücksichtigt

Die Bescheide des BFA sind sehr genau. Geprüft wird, wie viel die Familie an Einkommen hat, seit wann sie gemeldet ist, wer Arbeit hat und wer nicht, ob es Verwandtschaft oder eine Vereinszugehörigkeit gibt. Dass Familie Wetenkamp seit 52 Jahren eine äußerst enge Bindung an Kärnten hat und hier Haus und Grund besitzt, findet sich hingegen nirgends im BFA-Bescheid.

Fremdenrechtsexperte und Anwalt Rudolf Vouk sagte dazu, das sei in mehrfacher Weise verfassungswidrig: "Ich habe das Gefühl, dass hier präventiv eine Ausweisung ausgesprochen wurde, damit in Zukunft keine Sozialleistungen zu bezahlen wären, das ist menschenrechtswidrig. Der Anwalt erhob für die Familie Beschwerde gegen die Ausweisung und zog den umstrittenen Antrag zurück.

Gudrun Maria Leb von Aufgezeigt
ORF
Gudrun Maria Leb

BFA will Beschwerde prüfen

Aufgezeigt fragte auch beim BFA nach. Schriftlich teilte man mit: „Im vorliegenden Fall kam das BFA zu dem Schluss, dass aktuell kein Aufenthaltsrecht gegeben ist. Das BFA wird die eingelangte Beschwerde jedenfalls zum Anlass einer sehr genauen Prüfung hinsichtlich einer allfälligen Beschwerdevorentscheidung nehmen.“ Der Einspruch hab aufschiebende Wirkung.

Sendungshinweis:

Radio Kärnten/Kärnten heute; 16.3.2021

Abkommen zwischen Österreich und Deutschland

Anfang April wurde die Beschwerde, die der Anwalt von Familie Wetenkamp eingebracht hatte, noch ergänzt. Es geht um ein bestehendes Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege, BGBL Nr. 258/1969. Gem. Art. 2 dieses Abkommens sei laut Anwalt Vouk Staatsangehörigen der einen Vertragspartei, die sich im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten, Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege in gleicher Weise, im gleichen Umfang und unter den gleichen Bedingungen wie den Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaates zu gewähren.

Die Bestimmungen dieses Abkommens seien aber bei der Bescheiderlassung unberücksichtigt geblieben. Hätte die Behörde die Bestimmungen des Abkommens berücksichtigt, wären die Bescheide über die Ausweisung nicht erlassen worden, so der Anwalt in seiner schriftliche Beschwerdeergänzung.

Gem. Art. 8 des Übereinkommens dürfe der Aufenthaltsstaat einem Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei nämlich nicht alleine aus dem Grunde der Hilfsbedürftigkeit den weiteren Aufenthalt versagen oder ihn rückschaffen, es sei denn, dass er sich noch nicht ein Jahr ununterbrochen erlaubt in seinem Hoheitsgebiet aufhalte. Familie Wetenkamp hält sich aber schon seit mehr als einem Jahr rechtmäßig in Österreich auf. Aus Gründen der Menschlichkeit hätte die Ausweisung aber auf jeden Fall unterbleiben müssen, so der Anwalt.