Sinfonieorchester im Probenraum
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Kultur

Ein Orchester im Lockdown

Theater haben geschlossen, Aufführungen müssen warten. Das betrifft natürlich auch das Orchester des Stadttheaters Klagenfurt, das Sinfonieorchester Kärnten. Dennoch wird weiter für die nächste geplante Oper geprobt, die am 4. Februar in Ö1 Premiere haben soll.

Die Pandemie und der Lockdown machen die Menschen mürbe und sie werden ungeduldig. So bringt Stadttheater-Intendant Aron Stiehl die momentane Lage auf den Punkt: „Das ist für jeden einzelnen im Moment sehr schwierig. Was mach ich, was mach ich mit den anderen, ich würde ihnen gerne die Hand geben oder sie umarmen, das fehlt mir sehr und das macht etwas mit uns. Gerade deswegen brauchen wir Kunst und Kultur, um uns damit auseinanderzusetzen. Manchmal ist eine Theatervorstellung genau wie ein Gottesdienst, gibt Kraft, Hoffnung und Licht, das fehlt uns.“

Man entschloss sich erst diese Woche, bis Ostern geschlossen zu halten, sonst gebe es keine Planbarkeit. Man habe aber in Kooperation mit dem ORF-Radiosender Ö1 vereinbart, dass die Premiere von „Il canto s‘attrista, perché?“ am 4. Februar, ohne Publikum, im Radio stattfinden werde – mehr dazu in Stadttheater verlängert Pause bis Ostern.

Stadttheaterintendant Aron Stiehl
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Intendant Aron Stiehl

Wenigstens Proben erlaubt

Ein Hoffnungsschimmer ist, dass die Musikerinnen und Musiker wenigstens proben können, wenn auch mit Maske und Sicherheitsabstand. Derzeit laufen die Proben für „Il canto s’attrista, perche“ von Salvatore Sciarrino, der zu den bekanntesten Komponisten in Italien gehört. Die Uraufführung musste im März 2020 schon einmal verschoben werden.

Für Stiehl ist dieses Auftragswerk ein großer Stolz: „Wir sind stolz als Stadttheater, den Sciarrino hierherbekommen zu haben, der sonst an den großen Bühnen der Welt Uraufführungen hat wie in der Berliner Staatsoper oder Dresden. Da können wir stolz drauf sein.“ Möglich gemacht wird das durch eine Kooperation mit der Oper Wuppertal.

Geigerin des Sinfonieorchesters
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Die Musiker müssen Maske tragen und Abstand halten

Tragödien im Mittelpunkt

In „Il canto s’attrista, perche?“ stehen die Tragödien des Aischylos im Mittelpunkt. Klytämnestras Rache ist furchtbar. Sie verzieh ihrem Mann Agamemnon weder, dass er ihre Tochter Iphigenie geopfert hatte, noch den Ehebruch mit der Seherin Kassandra.

Salvatore Sciarrinos Musik ist eine Herausforderung, die sich aber lohnt. „In dieser Musik ist nichts mehr harmonisch, kein Wohlklang weit und breit. Musik kann Flucht in eine andere schönere Welt schenken, kann aber auch ganz anders, viel näher am Hier und Jetzt sein. Das ganze Orchester wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich wieder einmal auf der Bühne zu stehen.“ Die Vorbereitungen laufen im ganzen Haus.

Sinfonieorchester im Probenraum
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Probe unter Sicherheitsmaßnahmen

Herausforderung für Musiker und Musikerinnen

Das Sinfonieorchester muss sehr flexibel sein. Einmal Oper, dann Operette, dann ein Konzert. Der Italiener Salvatore Sciarrino komponiert zeitgenössische Opernmusik. Für die Musikerinnen und Musiker ist das eine Herausforderung, die sie mit Begeisterung annehmen.

Der Cellist Lukas Mostetschnig sagte, es sei eine tolle Erfahrung, der Dirigent mache das fantastisch. Auch für ihn sei die Musik kein Beruf, sondern eine Berufung. Man brauche das Publikum, die Bühne, den großen Auftritt und den Applaus. Im Lockdown zu proben ist für das Orchester vor allem deshalb so schwierig, weil es ein Arbeiten ohne konkretes Ziel ist.

"Musik passt zu dieser spannenden Zeit

Die Proben für diese Oper sind für das Orchester eine Herausforderung, so Mostetschnig. Dieser Meinung ist auch Klarinettist Stefan Potzmann: „Es ist eine spannende Zeit, die Musik passt gut dazu. Man weiß am Anfang bei den Proben nicht genau, was auf einen zukommt. Nächste Woche kommen die Sänger, dann wird sich das Gesamtbild zeigen.“

Man fühle sich oft doch ein wenig unnütz. Die Musiker wollen spielen und dürfen nicht. Potzmann betonte, dass die Sicherheitskonzepte so ausgeklügelt waren, dass es zu keiner einzigen Ansteckung gekommen ist. Die Opfer, das Theater, die Musik gebe Sicherheit und sei eine Bereicherung, sagte Potzmann.

Musiker üben auch zu Hause viel

Auch, wenn das Stadttheater geschlossen ist und keine Aufführungen stattfinden können, haben die Musikerinnen und Musiker viel zu tun. Mirela Gergova sagte, die Pflichten seien jeden Tag zu erfüllen. Man spiele jetzt zu Hause die Stücke durch, jeder übt, um in Form zu bleiben.

Seit fast einem Jahr befindet sich das Orchester in diesem Ausnahmezustand. Alle haben gelernt flexibel zu sein. Cäcilia Smole-Maurer ist die Leiterin des Orchesterbüros. Sie weiß, wo im Arbeitsalltag die Tücken liegen: „Große Abstände sind musikalisch schwierig, sie sind gewohnt, eng beisammen zu sitzen und sich abzustimmen.“

„Mehr Psychodrama als Oper“

Der britische Dirigent Tim Anderson ist begeistert, dass er bei dieser Uraufführung am Pult stehen darf. Eine große Chance, die er mit beiden Händen ergriff: „Mit dieser Musik muss man anderes als normal zuhören. Es gibt zarte Linien, die vokal und menschlich sind, dann gibt es wieder einfach Atmosphäre, es ist mehr Psychodrama als Oper.“