Unterricht in der Pflegeschule
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Unbezahlte Praktika in Pflegeausbildung

Pflegerin und Pfleger sind in ganz Österreich Mangelberufe, es fehlen 75.000 Kräfte. Doch die Ausbildung zum Pflegeassistenten bietet große finanzielle Hürden. Das nötige Praktikum von 1.200 Stunden ist unbezahlt. Alexander Reiter wird während der Ausbildung von seiner Familie unterstützt, einige müssen aber abbrechen.

In der Caritasschule für Sozialbetreuungsberufe in Klagenfurt werden pro Jahr etwa 1.000 Pflegerinnen und Pfleger ausgebildet, sie alle müssen für den Abschluss 1.200 Stunden bzw. 7,5 Monate Pflichtpraktika leisten und diese werden mit keinem Cent bezahlt. Einer von ihnen ist der 26-jährige Alexander Reiter aus Kraig. 2018 entschied er sich für die berufsbegleitende Schule zum Pflegeassistenten. Ihm geht es um die Dankbarkeit der Pfleglinge, es sei für ihn ein Beruf fürs Leben.

Alexander Reiter
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Alexander Reiter möchte Pflegeassistent werden

Eigene Wohnung muss bezahlt werden

Bis November 2019 arbeitet er nebenbei in einer Behindertenwerkstätte. Dann musste er dort aus Zeitmangel aufhören: „Weil die Zeit bis zum Abschluss knapp wurde, ich hatte noch einige Praktika zu absolvieren. Angefangen habe ich bei der mobilen Hauskrankenpflege. Während des Praktikums habe ich dann vom AMS erfahren, dass ich keine Förderung bekomme, ich habe keinen Anspruch auf die Mindestsicherung. Man kann sagen, wenn ich auf Praktikum bin, kriege ich gar nichts.“

Vielfältiger Arbeitseinsatz

Die Praktika sind in Seniorenheimen, in der mobilen Pflege, in Behinderteneinrichtungen und in Tagesstätten zu leisten: „Ich habe seit zwei Jahren eine eigene Wohnung, da ist einiges zu zahlen, das finanziert sich nicht von allein.“ Alexander Reiter wird während der Praktika von seinen Eltern finanziell unterstützt, das wird bis Ende des Jahres ungefähr 10.000 Euro kosten, schätzt seine Mutter Andrea Reiter.

Sendungshinweis:

Aufgezeigt, Radio Kärnten, 29.9.2020

„Ich habe eigentlich gedacht, wenn er vom AMS die Unterstützung kriegt, dass das während dem Praktikum weiterläuft. Das ist aber nicht so. Wir haben uns beim Land erkundigt und die gleiche Auskunft bekommen. Er bekommt auch nicht die Fahrtkosten zum Praktikum bezahlt. Wir sind in der Lage, ihn zu unterstützen. Aber wir haben gesagt, dass muss man aufzeigen, weil es in seiner Klasse mehrere Schüler gibt, die die Ausbildung nicht abschließen können, weil sie die Praktikumszeiten nicht bezahlt bekommen und sie niemand unterstützen kann.“

Schuldirektor Wilfried Hude
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Schuldirektor Wilfried Hude kennt die finanziellen Probleme der Schüler

Die Ausbildung kostet die Eltern rund 10.000 Euro, weil ihr Sohn kein Einkommen hat. Damit sei das Ersparte weg, so Andrea Reiter. Sie habe noch einen studierenden Sohn, daher müsse man sich stark einschränken.

AMS: Paradox aber rechtens

„Aufgezeigt“ fragte beim Leiter des Arbeitsmarktservices, Peter
Wedenig, nach. Er bestätigte, dass Alexander Reiter seit November 2019 Arbeitslosengeld bekommt. Allerdings nur, wenn er kein Praktikum macht. Wenn er seine unbezahlten Pflichtpraktika-Stunden im Seniorenheim, Behinderteneinrichtungen oder in der mobilen Pflege leistet, bekommt er kein Geld vom AMS, so Wedenig: „Das ist eine paradoxe Situation, das ist aber geschuldet dem Arbeitslosenversicherungsgesetz das besagt, dass Personen, wenn sie Arbeitslosengeld beziehen, auch vermittelbar sein müssen. Von Montag bis Frreitag muss er tagsüber zur Verfügung stehen.“ Und das ist während der Praktikumszeit nicht möglich.

Auf die Frage, ob es eine Umschulungsförderung gebe, sagte Wedenig, prinzipiell sei das möglich. In diesem Fall sei das aber nicht möglich, weil Alexander Reiter erst nach Beginn der Ausbildung zum AMS gekommen sei, nachträglich könne man da nichts machen.

Klasse in der Pflegeschule
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Klasse an der Pflegeschule

Familie Reiter versuchte allerdings noch vor Beginn der Ausbildung, ein Fachkräftestipendium zu bekommen. Das Problem dabei: 2018 gab es dieses Fachkräftestipendium nicht für die Schule für Sozialbetreuungsberufe. Jetzt gibt es das zwar, aber das nützt Alexander Reiter nichts mehr.

Drei Förderungen kommen nicht in Frage

Auf der Suche nach weiteren Fördermöglichkeiten im Land kam „Aufgezeigt“ auf die Schulbeihilfe des Bundes. Die bekommt er nicht, weil die Caritasschule nicht als höhere Schule für Berufstätige gewertet werde.

Dann gebe es die Förderung der beruflichen Weiterbildung vom Land Kärnten. Die bekommt er auch nicht, weil Pflegeassistent gleichwertig sei mit Reisebüroassistent. Das ist der Erstberuf, den Alexander Reiter erlernte. Pflegeassistent ist für ihn also keine Höherqualifizierung. Und die Sozialhilfe-Förderung der Sozialabteilung bekommt er nicht, weil er schon einen Berufsabschluss hat, jenen als Reisebüroassistenten.

Vier Abteilungen zuständig

„Aufgezeigt“ fragte bei vier Abteilungen der Landesregierung nach, weil jede irgendwie für die Pflegerinnen und Pfleger zuständig ist. Das Ergebnis bei allen vier Abteilungen war aber eine Abfuhr. Alexander Reiter müsste Pflegefachassistent werden, noch einmal drei Semester in die Schule gehen und weitere 800 Stunden gratis Praktika leisten, damit er gefördert werden könne. Alexander Reiter sagte, egal, was noch komme, er wolle das durchziehen. Egal, welche Steine ihm in den Weg gelegt werden.

Viele kämpfen mit finanziellen Problemen

In der Klasse von Alexander Reiter sitzen viele erwachsene Mitschülerinnen und Mitschüler. Die jüngste ist 23 Jahre ist, die Älteste 52. Viele haben finanziell zu kämpfen während der langen Praktikumswochen, sagte der Caritas-Schulleiter Wilfried Hude: „Die Leute, die nicht gefördert sind, hören zu etwa 50 Prozent im Lauf der drei Jahre dauernden Ausbildung auf. Es muss jemand zum Arbeiten aufhören, versuchen, eine Bildungskarenz zu bekommen, oder das Geld zusammensparen. Es gehen Urlaubszeiten drauf, oder sie arbeiten die Praktikumszeiten in den Betrieben ein, in denen sie tätig sind.“ Viele schaffen es mit Härte und Verzichten auf Einkommen und Freizeit, so Hude.

Tatsächlich gab es im ersten Semester 30 Mitschüler, jetzt sind es noch 13, die vielleicht bis Februar durchhalten werden. Natürlich habe sich Manches gebessert und es sei leichter geworden, eine Förderung zu bekommen, sagte Direktor Hude.

Assistent oder Fachassistent

In den letzten Jahren änderte sich in der Pflegeausbildung Einiges. In Villach kam eine neue Schule dazu, es gibt ein Studium an der Fachhochschule und auch in der öffentliche Schule für Gesundheits- und Krankenpflege wird die Ausbildung zum Pflegefachassistenten angeboten. Die Ausbildung zum einfachen Pflegeassistenten, die auch Alexander Reiter macht, gibt es aber nur in privaten Schulen, daher müssen die angehenden Pflegerinnen und Pfleger Schulgeld und Prüfungsgebühren bezahlen. Nur Salzburg, Vorarlberg und Oberösterreich übernimmt diese Schulgelder.

Auch ein Fachkräftestipendium kann inzwischen von den Studenten genutzt werden, wenn sie lange genug berufstätig waren und wenn sie das im Vorfeld mit dem Arbeitsmarktservice abklären, sagte AMS-Chef Wedenig: „Das Stipendium wurde mit dem Ziel eingeführt, Personen, die in einem nicht zukunftsorientierten Beruf arbeiten, neue Wege zu zeigen und als Weiterbildung für Menschen mit niedrigem Ausbildungslevel.“