Christuskind im Strohbett
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Weihnachtsgedanken zum Nachlesen

Hier können Sie die Texte der Weihnachtsgedanken von Superintendent Manfred Sauer und Bischof Werner Freistätter nachlesen.

Superintendent Sauer:

„Er ist ein Feinsinniger, der Wendel, was Töne anbelangt.“ Er ahnt etwas, er hört es am Klingelton, ob es sich um eine gute Nachricht, oder um eine schlechte Nachricht handelt. Er ist ein Feinsinniger und Feinfühliger der Wendel, nicht nur wenn das Telefon klingelt, sondern auch im Umgang mit anderen. Vielleicht könnte man auch sagen, er ist ein Dünnhäutiger, ein Zärtlicher – etwas abschätziger – ein Sensibelchen.

Superintendent Manfred Sauer
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Superintendent Manfred Sauer

Wie ein Seismograph nimmt er Stimmungen, Gefühle, Emotionen auf. Er spürt und nimmt wahr, was in der Luft liegt und was sich hinter dem Blick und Tonfall des andern wirklich abspielt. Er hat die Gabe, sich in sein Gegenüber hinein zu fühlen. Wendel, auch Wendelin, das ist die Hauptfigur in dem gleichnamigen Roman von Gertrude Maria Grossegger, 1957 geboren u. sie lebt in der Oststeiermark – eigentlich ist sie Dichterin, denn sie hat bereits einige Lyrikbände veröffentlicht. Der Roman beginnt mit dem Klingeln des Telefons u. Wendel spürt, ahnt sofort, dass es sich um keine gute, sondern um eine bedrohliche Nachricht handelt.

Wendel, Wendelin – in dem Namen steckt auch das Hauptwort Wandel und das Zeitwort wenden, etwas zum Guten wenden. Das versucht der Hauptdarsteller in diesem Roman. Nicht nur feinfühlig und hellhörig, dünnhäutig und sensibel zu sein, sondern sich dem Leben zu stellen, den Herausforderungen zu stellen. Sich dem Bedrohlichen, Furchterregenden entgegenzustellen, das Steuer noch einmal herumzudrehen – „auf der Schussfahrt zu wenden“, umzukehren, Alles zum Guten wenden – das ist eine Monsteraufgabe, aber sie berührt. Weihnachten, das Feste der Wendelins, das Fest des Wandels. Change – Wandel mit diesem Slogan wurde Barak Obama zum Präsidenten gewählt. Er wollte vieles verändern, verwandeln – den immer noch vorhandenen Rassismus, soziale Kälte, ein Gesundheitssystem u. mehr Frieden. Einiges ist gelungen, vieles ist auf der Strecke geblieben und einiges wird durch seinen Nachfolger wieder zurückgenommen. Weihnachten das Fest des Wandels.

Zuballerst ein innerlicher Wandel. Etwas in uns zu verändern – den Blick, die Haltung, die Einstellungen, unsere Vorurteile. Bereits die Umstände und der Ort des Geschehens provozieren ein Umdenken. Gott kommt in einer Futterkrippe zur Welt und die ersten Gratulanten sind Hirten. Gott, der große, allmächtige, von dem wir uns kein Bild machen können, kommt ganz nah, in einem Kind. Wir alle sind Gottes Kinder – das sollte uns zum Wandel ermutigen. Gottes Geist ist in jedem von uns lebendig. Er will uns immer wieder erneuern, inspirieren und verwandeln. Mache dich auf, werde Licht! Dass ist der Wandel, zu dem uns Weihnachten ermutigen möchte. Dass wir uns der Finsternis stellen, dass wir nicht wegschauen, uns nicht verstecken, sondern selber zu einem Lichtblick werden.

Es muss kein Halogenscheinwerfer sein, es genügt eine zarte Flamme. Die Weihnachtsbotschaft ist eine gute Nachricht, die Freude, Jubel hervorruft. Eine Freude, die nicht bei sich selber bleibt, sondern ansteckend wirkt und hoffentlich auf andere überspringt. Feinfühlig, dünnhäutig, hinhörend, mitfühlend – diese Fähigkeiten zu stärken und zu verfeinern ist der ganz persönliche Wandel, der sich vielleicht in dieser Nacht vollzieht. Es geht aber auch um den Wandel in unserem Dorf, in unserer Stadt, in unserem Land und auf der ganzen Welt. Wir wissen es: es gibt viel zu tun und schnell fühlen wir uns überfordert. Allein sind wir machtlos. Aber gemeinsam und mit Gottes Hilfe können wir kleine Schritte tun, Wendungen, Wandlungen vollziehen, die das Antlitz er Welt verändern, Gott kommt, um uns zu verwandeln. Das wünsche ich uns, dass wir in der heutigen Nacht berührt werden von der Liebe Gottes und diese Liebe uns verwandelt

Amen

Bischof Freistetter

Heute ist Weihnachten. Die Adventzeit steuert an diesem 24. Dezember auf ihren Höhepunkt zu: „Endlich ist der Heilige Abend da“, denken sich wohl viele Kinder „nach der langen Zeit des Wartens“. „Schon Heiligabend, dabei gibt es noch so viel zu tun“, so womöglich die Sorge vieler Erwachsener und Eltern. Bis zur letzten Minute wird im Stress für Familie und Freunde das „perfekte Fest“ vorbereitet.

Bischof Werner Freistetter im Gebet
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Bischof Werner Freistetter

Doch was macht das perfekte Weihnachtsfest aus und gibt es so etwas überhaupt? Ein strahlender, prachtvoller Christbaum, tolle Geschenke, eine festlich gedeckte Tafel, und obendrauf noch ein paar Schneeflocken – aber nicht zu viele, man möchte ja schließlich bei den Besuchen bei der Verwandtschaft mit den Auto gut durchkommen. Wir hängen diesen „Idealen“ nach, die uns Jahr für Jahr wieder, bedingt durch Werbung und den Wunsch nach Perfektion, unter immensen Druck setzen.

Dabei erzählt Weihnachten und die Geburt Jesu doch eine andere – gänzlich unperfekte, unvollkommene Geschichte. Jesus wird hineingeboren in eine Welt voller Ungleichheit und Armut. Nackt und schutzlos verbringt er die ersten Stunden seines Lebens in einem ärmlichen Stall. In einer Krippe liegend, aus der normalerweise die Tiere fressen. Im Bild der Krippe finde ich das, was für mich den Kern von Weihnachten am besten darstellt. Nicht das Schrille, das Glänzende, das Überbordende steht hier im Vordergrund, sondern das kleine, unscheinbare, aber im Grunde zutiefst Menschliche. Auch Papst Franziskus hat sich dieses Jahr im Besonderen mit der Krippe auseinandergesetzt und die Menschen in einem Brief ermutigt, die „schöne Tradition" zu stützen, und "in den Tagen vor Weihnachten eine Krippe aufzubauen“.

Die Weihnachtsgeschichte lenkt den Blick auf das Unvollkommene, auf die Not, auf die Gewalt – bedingt durch den Befehl des Herodes werden Jesus und seine Eltern bald zu Flüchtlingen. Auch wir leben heute in einer unvollkommenen Welt, in der wir mit Ungerechtigkeiten konfrontiert sind. Es ist wohl öfter das Bild der Krippe, als das des strahlenden Christbaums, das unseren Alltag bestimmt.

Die Geschichte, die sie uns erzählt, ist aber auch eine zutiefst tröstliche. Gott setzt mit der Geburt Jesu einen Neuanfang und entfacht die Hoffnung in die Zukunft. Weil er sich uns als Kind zeigt, klein und ärmlich und gleichzeitig stärker als alle Mächte und Kräfte dieser Welt. Gott liebt uns so sehr, dass er unsere Menschlichkeit und unser Leben, und alles was damit zu tun hat, alles Gute aber auch alles Schlechte, mit uns teilt.

Die Krippe lehrt uns also im tieferen Sinne die Achtsamkeit vor dem Kleinen, Unscheinbaren, das aber auch so mächtig und stark ist. Sie lehrt uns die Achtsamkeit der Worte, der Taten und schlussendlich die Achtsamkeit des Herzens. Folgen wir diesem Gedanken, brauchen wir für das perfekte Weihnachtsfest keinen prachtvollen Christbaum, keine überbordende Gabentische. Wir können gemeinsam, im Miteinander vor der Krippe, Weihnachten feiern. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien, Ihren Freunden und allen die Ihnen nahestehen, ein gesegnetes und friedvolles Weihnachtsfest!