Hände masieren Rücken
Katrin Reichstamm
Katrin Reichstamm

Internationaler Tag der Physiotherapie

Am 8. September wurde der internationale Tag der Physiotherapie begangen. Katrin Reichstamm ist die Vorsitzende des Kärntner Landesverbandes von Physio Austria mit mehr als 300 Physiotherapeuten als Mitglieder. Hauptthemen sind der chronische Schmerz und die alternde Gesellschaft.

Heute wisse man, dass Schmerzpatienten Reize, wie Wärme, Kälte oder einen kleinen Stich in der Region, die schmerzt, immer als Schmerz empfinden, sagte Reichsstamm. „Das Gehirn kann nicht mehr unterscheiden, was eine normale Empfindung und was eine Schmerzempfindung ist.“ Es gebe unterschiedliche Lösungsansätze, allerdings müsse bei einem chronischen Schmerzpatienten eine ganzheitliche Therapie angewendet werden.

Katrin Reichstamm hilft einer Patientin am Gymnastikball
Katrin Reichstamm
Katrin Reichstamm ist die Vorsitzende des Kärntner Landesverbandes von Physio Austria

Frailty-Syndrom: Gebrechlichkeit nimmt zu

In einer alternden Gesellschaft nimmt auch die Gebrechlichkeit zu. Als Frailty-Syndrom wird diese chronische, altersbedingt herabgesetzte Belastbarkeit bezeichnet. „Dieser Begriff wird sich in der Medizin erst festigen. Es geht um Menschen im Alter von über 65 Jahren, die auf Stressfaktoren nicht mehr so angemessen reagieren können, wie das ein gesunder Organismus kann. Das kann in einem Todesfall sein, oder man muss umziehen oder hat eine Knieprothese bekommen und kann höhere Stockwerke nicht erreichen.“ Als Auslöser kommen dazu noch soziale Aspekte, psychische Aspekte, Aspekte der Ernährung und der Physiologie. „Das alles kann dann zu einem Gesamtproblem führen.“

Sendungshinweis:

Radio Kärnten; 6.9.2019

Die Patienten können dann mit ihrem sozialen Umfeld, auch der Familie nicht mehr kommunizieren und das kann zur Isolation und Immobilität führen, sagte Reichstamm. „Das ist einer der größten Risikofaktoren für die alternde Gesellschaft, vor allem, wenn man davon ausgeht, dass wir immer mehr ältere Personen in unserer Gesellschaft haben werden. Da müssen wir in unserem Gesundheitssystem vorausschauend etwas ändern.“

Katrin Reichstamm mit gespanntem Band im Nacken
Katrin Reichstamm
Zwei bis drei Trainingseinheiten in der Woche zur Vorbeugung

Physiotherapie in allen Spezialisierungen

Der Bundesverband der PhysiotherapeutInnen Österreichs, ist die berufliche Interessenvertretung für Physiotherapeuten. Die Physiotherapie sei heute in allen Spezialisierungen in der Medizin vertreten, sagt Reichstamm. So findet sie sich in der Geriatrie, der Pädiatrie und in der Arbeitsmedizin und hat damit eine große Bandbreite. Physiotherapeuten arbeiten in der Prävention, in der Beratung, in der Therapie, in der Rehabilitation, aber auch in der palliativen Pflege und im Hospizwesen. Der Landesverband soll auch die Qualität der Behandlung sichern, sagte Reichstamm.

Ein guter Therapeut zeichne sich dadurch aus, dass er sich mit dem Patienten auseinander setzt und schaut, was das Hauptproblem ist, was sind subjektive und objektive Gründe. „Dann macht man einen Therapieplan, wo und mit welchen Methoden Interventionen gesetzt werden. Und im Fokus ist immer der Mensch: Er soll gesund bleiben, er soll mobil bleiben und er soll dort, wo er nach einer Verletzung wieder hin will, zufrieden sein.“

Reichstamm sagte, sie selbst habe den Beruf gewählt, weil sie immer schon Bewegung geliebt habe. „Ich habe mir nie einen Beruf vorstellen können, bei dem ich acht oder zehn Stunden am Tag vor dem Computer sitze.“ Die Physiotherapie biete heute viele Möglichkeiten, „man kann in die Praxis gehen, aber auch in die Forschung oder die Wissenschaft. Es wird nie langweilig, immer kommen neue Techniken dazu. Auch wenn man bei den Patienten Verbesserungen beobachten kann, gibt einem das viel zurück.“

Ausbildung bis zum Master an Fachhochschule

Die Ausbildung von Physiotherapeuten geschieht an der Fachhochschule. Nach drei Jahren schließt man mit einem Bachelor of Science (B.Sc.) ab. Die Ausbildung ist wissenschaftlich fundiert und hat einen hohen Praxisanteil. „Zusätzlich hat sich auch das Aufbaustudium – der Master – etabliert. Mittlerweile gibt es Physiotherapeuten als Experten in der Atemtherapie, in der Neurologie, in der Geriatrie oder in der Unfallorthopädie.“

Bei Spitzensportlern sind Physiotherapeuten längst nicht mehr wegzudenken. Die Physiotherapie sollte schon vorbeugend zum Einsatz kommen. „Die Menschen in Österreich sitzen durchschnittlich 7,5 Stunden am Tag. Im Vergleich zu früher ist das ein enormer Anstieg.“ Für dieses Sitzen ist der Körper nicht gemacht. „Die Wirbelsäule braucht die Bewegung, damit sie Nährstoffe bekommt, die hat keine Blutgefäße, die sie versorgt.“

Kindern das Bewegen ermöglichen

Die Vorbeugung sollte schon in der Kindheit beginnen. „Kinder sollten sich bewegen, laufen, springen, klettern, schwimmen, aber auch wo runterfallen dürfen. Derzeit sitzen die Kinder immer mehr vor dem Videospiel, im Schulwesen gibt es immer weniger Turnstunden, hier könnte mehr getan werden.“ Für Schulkinder ist das richtige Tragen der Schultasche ein Thema. Betriebe könnten Wirbelsäulentraining anbieten, sagte Reichstamm.

Als vorbeugende Übungen nennt Reichstamm allein das zu Fuß in die Arbeit gehen, oder das Radfahren. „Wer ein Morgenmensch ist kann den Yoga-Sonnengruß machen oder sich einfach nur in alle Richtungen strecken. In der Früh, im Zeitstress, ist wohl nicht zu einem Programm zu raten. Obwohl es einige zustande bringen und schon vor der Arbeit eine Stunde trainieren, das tut dem Körper einfach gut.“ So eine Bewegungseinheit sollte man seinem Körper zwei bis drei Mal in der Woche gönnen, „es muss ja nicht jeden Tag sein“, sagte die Physiotherapeutin.