Kinder fördern - aber nicht überfordern

Wann soll man Kinder fördern, wann fordern und wann droht Überforderung? Coach Doris Schober-Lesjak ermutigt Eltern, auf ihr Gefühl zu vertrauen und ihr Kind in seiner Individualität zu begleiten. Druck schaffe keine Motivation, sondern Blockaden.

Doris Schober-Lesjak ist Kindergarten- und Hortpädagogin, Lebens- und Sozialberaterin, Elternbildnerin und -beraterin sowie Coach in der Erwachsenenbildung. Sie macht die Erfahrung, dass manche Eltern an ihren Kindern verwirklichen möchten, was ihnen selbst verwehrt blieb und es könne dadurch zu Überforderung kommen: „Es ist ein In-Beziehung-Bleiben mit dem Kind, um zu spüren, ob es dem Kind zuviel wird. Aber auch den Eltern kann es zuviel werden, das muss man beachten. Im Austausch findet man das richtige Maß, was ist nötig und was ist zuviel.“

Kind spielen Kinder

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Eltern sollten ein wachsames Auge haben, doch dem Kind den Freiraum geben, die Welt zu entdecken

Immer früher Stresssymptome

Die eigene Intuition sollte einem sagen, was für das Kind richtig sei, so Schober-Lesjak, die auch regelmäßig Vorträge zum Thema hält. Schulzeugnisse sagen einem zwar, wo das Kind gerade stehe und man könne sehen, wo müsse gearbeitet werden. Aber auch, wo man Stress herausnehme könnte. Damit helfe man dem Kind weiter und blockiere weniger, als mit zuviel Druck. Zuwenig Förderung könnten Chancen vergeben, ein Zuviel sei aber auch nicht gut: „Stresssymptome treten bei Kindern immer mehr auf, auch immer früher. Es kommt zu psychosomatischen Erscheinungen wie Bauch- oder Kopfschmerz oder Schulverweigerung. Das sind Alarmzeichen.“

Kind spielen Kinder

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Selbst machen wollen und nicht alles vorgezeigt bekommen

„Was ist wirklich notwendig?“

Eine Faustregel für Eltern seien, dass man sich genau überlegen müsse, was notwendig sei. Aus der Gehirnforschung wisse man, dass Druck keine Motivation bringe, sondern blockiere. Kinder und Jugendliche sollten auch selbst ihre Fähigkeiten kennenlernen und damit auch arbeiten. „Wir haben eine starke Fehlerkultur entwickelt, wir sollten wieder ein bisschen mehr auf die Stärken der Kinder schauen.“ Eltern sollten auch versuchen, sich Hilfe zu holen, weil man einfach nicht alles selbst machen könne.

Sendungshinweis:

Radio Kärnten Family, 26.2.2018

Kein Wettkampf zwischen Eltern

Oft gebe es einen Wettkampf zwischen Eltern, was ihr Kind alles schon könne oder eben nicht, die Spielplatzgespräche sind berüchtigt. Viele schätzen ihre Kinder auch falsch ein und überfordern sie. „Heute werden Kinder eher weniger unterfordert.“ Im Glauben, für das Kind das Beste zu wollen, tue man zuviel. „Es passiert oft schon sehr früh, dass Kinder überfordert sind. Viele machen sich schon in der Schwangerschaft Gedanken, was das Kind brauchen werde, um erfolgreich zu werden.“ Da beginne es schon, dass man Frühförderkurse suche. „Da sage ich Stopp, Kinder brauchen vor allem eines, um sich bestmöglich zu entwickeln, und das ist Zeit.“

Kind Bub Blätter

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Fühlen, spüren, Spaß haben

Kind sein dürfen

Kind sein dürfen, spielen dürfen, freie Zeit zu haben sei ganz wichtig. „Laut einer Studie haben Kinder in den letzten 20 Jahren zwölf Stunden pro Woche an Freizeit verloren haben, weil die freie Zeit immer mehr durchorganisiert wird mit Kursen oder Angeboten. Das ist aber verplante Zeit", so die Erziehungsexpertin. Irgendwann werde es zuviel. Kinder werden auch früh schon institutionell in Kindergärten oder Horten bzw. dann in der Schule betreut. Sie seien fix eingeplant. Wenn die Eltern ihren Kindern am Wochenende dann „etwas bieten“ wollen, gebe es dann auch noch Programm. Damit können sich die Kinder nicht mehr richtig erholen.

Kinder bestimmen ihr eigenes Lerntempo

„Kinder bestimmen ihr Lerntempo selbst, als Erwachsener sei es die Aufgabe, das Kind in seinem Tempo zu begleiten. Wo das Kind Hilfe will, wird es darum bitten. Wo es nicht sein muss, soll man es lassen. Wenn man als Vater mit dem Kind spaziert, entdeckt einen Käfer und referiert über den Käfer wo das Kind aber nur den Käfer ansehen will. Man sollte warten, bis das Kind fragt.“

Kinder haben ja eine angeborene Motivation zu lernen und Dinge zu erforschen. Erwachsene sollten dafür nur den Rahmen schaffen. Das Überstülpen von Fachwissen sei nicht so das Wahre. In ihren Vorträgen gehe es darum, Eltern die Möglichkeit zu geben, auf sich zu vertrauen. Auch wenn ihre Lösungen und Wege anders seien, als die anderer Eltern. Sie müssten ihre Intuition wieder finden, denn Kinder seien genau so individuell wie Erwachsene. „Diese Individualität darf auch gelebt werden.“