Zwangsschulwechsel bei Down Syndrom?

Nach zehn Jahren Integrationsklasse werden Kinder mit Down Syndrom per Gesetz wieder in einer Sonderschule separiert - vorausgesetzt, es werden zusätzliche Schuljahre genehmigt. Kärntner Eltern kämpfen darum, dass ihr Kind in einer Integrationsklasse bleiben darf.

Valentina Wurzer ist eines von vielen Kindern mit Down Syndrom in Kärnten. Ihre Eltern beantragten eine Schulzeitverlängerung, damit Valentina einen Teil ihrer Entwicklungsverzögerung aufholen kann.

Zwangsschulwechsel bei Downsyndrom Valentina

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Valentinas Integrationsklasse in der Neuen Mittelschule 10.

Wenn Kindern mit Down Syndrom das 11. und 12. Schuljahr bewilligt wird, dann landen sie aber im Normalfall in einer Sonderschule.

Schulwechsel trotz großer Fortschritte

Valentinas Eltern, Andrea und Gerhard Wurzer, kämpfen gegen dieses Vorgehen an. Sie möchten, dass ihre Tochter weitere zwei Jahre in der Neuen Mittelschule 10 in Klagenfurt bleiben darf. Hier sind Valentina und ihre Betreuerin Gabi Olsacher seit Jahren ein fixes Team. Bleiben zu dürfen wäre für Valentina total wichtig, sagt auch die Direktorin der NMS 10, Ricarda Stadtmann. „Valentina hat sich so wunderbar entwickelt. Sie hat sich durch die räumliche Stabilität und ihre fixen Betreuer und Lehrer ganz gut eingelebt, sehr viel an Selbstbewusstsein bekommen und agiert auch so in der Klasse - das ist traumhaft.“

Zwangsschulwechsel bei Downsyndrom Valentina

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Valentina fühlt sich im Klassenverband wohl und hat viel Selbstbewusstsein bekommen.

Anwältin: Rückkehr in Sonderschule „ein Absurdum“

Für jedes Kinder mit Down Syndrom muss für eine Schulzeitverlängerung - über die Schulpflicht hinaus - extra angesucht werden. Die Anwältin für Menschen mit Behinderung, Isabella Scheiflinger, weiß eines aus langjähriger Erfahrung: Wenn eine Schulzeitverlängerung genehmigt wird, dann in Sonderschulen und nicht in der gewohnten Umgebung. Nach zehn Jahren Integration werden Down-Syndrom-Kinder also wieder separiert. „Das ist ein Absurdum. Wenn man bedenkt, dass ein Jugendlicher zehn Jahre erfolgreich an einer Regelschule integriert wurde und diese restlichen zwei Schuljahre an einer Sonderschule absolvieren muss.“

Zwangsschulwechsel bei Downsyndrom Valentina

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Valentina und ihre Betreuerin.

Eltern fühlen sich als Bittsteller

Valentinas Eltern, die Lehrerin Andrea und der Kriminalbeamte Gerhard Wurzer können jetzt nur eines tun: Auf eine Ausnahme hoffen, damit Valentina weiter in der Integrationsklasse bleiben und lernen darf. „Wir hoffen sehr und sind nur Bittsteller. Wir haben keinen Plan B, das macht mir Sorgen. Bei Valentina sehen wir viele Fortschritte, die uns davon ausgehen lassen, dass die Zeit noch mehr bringen wird.“

Zwangsschulwechsel bei Downsyndrom Valentina

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„Aufgezeigt“-Ombudsfrau Gudrun Maria Leb mit den Eltern von Valentina.

Für betroffene Eltern ist es ein Drama, wenn ihre Kinder die Schule zu früh verlassen müssen, weiß Sonja Stuppacher. Sie leitet eine Selbsthilfegruppe für Down-Syndrom-Kinder und deren Eltern und sie hat selbst Erfahrung mit ihrer Tochter Katja gemacht. „Katja war bis 18 Jahre in der Schule. Dadurch hatten wir dann die Möglichkeit, eine Anlehre zu machen. Jetzt arbeitet sie seit fast eineinhalb Jahren und diese Entwicklung ist nur möglich, wenn man inkludiert ist.“

Sendungshinweis:

„Kärnten heute“ und Radio Kärnten „Mittagszeit“, am 21.3.2017

Entwicklungsschub im Jugendalter

Wissenschaftlich belegt sei, dass Kinder mit Down Syndrom gerade im Jugendalter noch einmal einen Entwicklungsschub haben. Dass sie also zuerst langsamer lernen, dann aber viel aufholen können - vorausgesetzt, sie bekommen ein 11. und 12. Schuljahr in der Integrationsklasse genehmigt. Aber warum genehmigt man Kindern mit Down Syndrom dann nicht gleich automatisch eine Schulzeitverlängerung - und warum müssen die Eltern jedes einzelnen Kindes darum bitten?

Dazu Landesschulratspräsident Rudolf Altersberger: „Das ist insofern eine gute Frage, weil das Bitten eigentlich ein Formalakt ist, der Downsyndrom-Kindern eigentlich immer bewilligt wird, weil es ja um eine Lernentwicklungsunterstützung geht. Diese ist im 11. und 12 Schuljahr durchaus möglich und wird normalerweise auch bewilligt.“

Kärnten will nun „andere Wege“ gehen

Allerdings, räumt Rudolf Altersberger ein, in der Sonderschule. So sieht das das Unterrichtsministerium das jedenfalls vor. Welchen Sinn soll das machen? „Das ist die Frage. Es hat sich als Blödsinn erwiesen, deshalb geht Kärnten den anderen Weg und gestattet es ab Herbst, legal in der NMS weiter unterrichtet zu werden und nicht in die Sonderschule auszuweichen. Das wird auch bei Lern- und Entwicklungsverzögerten so sein, aber es braucht eine Institution, die drüber wacht und das genehmigt. Auch der Schulerhalter muss dem zustimmen.“

Zwangsschulwechsel bei Downsyndrom Valentina

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Landesschulrat Rudolf Altersberger

Zusatzjahre in der gewohnten Integrationsklasse

Kärnten geht also in Zukunft andere Wege. Die Kinder, die eine Schulzeitverlängerung genehmigt bekommen, werden die zwei Zusatzjahre in der gewohnten Integrationsklasse bleiben können. Zustimmen müssen das Casemanagement, also eine Integrationsexpertin und eine Behindertenpädagogin, sowie der Schulerhalter. Aber gibt es jetzt auch eine Entscheidung für Valentina Wurzer? Altersberger: „Ich bin zuversichtlich, dass es eine gute Lösung geben wird – für die Eltern und Valentina - und dass sie in der Schule bleiben kann.“

Zwangsschulwechsel bei Downsyndrom Valentina

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Happy End für Valentina

Valentina darf zwei weitere Jahre in der Schule bleiben, das entschied sich einige Zeit später. Ihr Fall steht stellvertretend für alle Kinder und Jugendlichen mit Down Syndrom. Vereine, Eltern und Institutionen weisen jedes Jahr rund um den 21. März auf die besondere Lebenssituation von Menschen mit Down Syndrom hin. Das Datum ergibt sich, weil die Betroffene das 21. Chromosom in dreifacher Ausführung besitzen. In Kärnten gibt es schätzungsweise 500 Menschen mit Trisomie 21. Viele davon sind Kinder und Jugendliche.

Zwangsschulwechsel bei Downsyndrom Valentina

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Happy End für Valentina