Kaiser mit zwei Gesichtern am Stadttheater

Die neueste Opernproduktion am Stadttheater Klagenfurt ist Mozarts „La clemenza di Tito“. Inhaltlich geht es um den römischen Kaiser Titus, der nach Liebesintrige und Mordkomplott Gnade vor Recht ergehen lässt. Der Kaiser zeigt zwei Gesichter.

In Wolfgang Amadeus Mozarts vorletzter Oper entfaltet sich eine typische, an verwickelten Intrigen reiche Handlung einer barocken Opera seria. Von den böhmischen Ständen kurzfristig für die Krönung Leopolds II in Auftrag gegeben, musste Mozart 1791 das Werk in nur eineinhalb Monaten komponieren. Trotz des schnellen Wurfs gelang Mozart dabei ein zynischer und gesellschaftkritischer Kommentar auf die herrschenden Verhältnisse.

Vitellia, die Tochter des ermordeten Kaisers, drängt ihren Geliebten Sesto zum Attentat auf seinen Freund, den regierenden Kaiser Tito. Dem Brandanschlag auf seinen Palast lebend entkommen und enttäuscht von diesem Verrat, lässt der Titelheld schließlich dennoch Milde walten und begnadigt die reumütigen Intriganten. Er bewahrt sie so vor dem Tod in der Arena.

La Clemenza di Tito Stadttheater Klagenfurt

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Zwischen Fassade und Verdrängung

Doch die selbstlose Milde des Kaisers ist doppelbödig. Betrachtet man seine Vorgeschichte, so enthüllt sich das Bild eines brutalen Feldherren, der all seine Güte auf dem Fundament seiner früheren Kriegs- und Gräueltaten errichtet. So wird das Porträt eines Mannes deutlich, der zwischen einer glänzenden Fassade und der Verdrängung seiner dunklen Vergangenheit steht.

Marco Štorman kehrte für seine Inszenierung von „La clemenza di Tito“ nach Klagenfurt zurück, die musikalische Leitung übernimmt Chefdirigent Nicholas Carter. Er führt die Musiker des Kärntner Sinfonieorchesters und die Sänger souverän und mit leichter Hand. Unfreiwillig komisch gerieten hingegen die Auf- und Abgänge der Sänger durch Tiefkühltruhe und Kühlschrank, über Baugerüste und Leitern.

Die Figuren turnten durch verschachtelte Räume und machten so das Beziehungs- und Gefühlsgeflecht aus Macht, Freundschaft und Liebe sichtbar. Aber auch kleine, feine Szenen sind in der Bilderflut zu entdecken, etwa als Tito das Messer weglegt, das ihm sein Schatten aufdrängen will oder der immer kraftvoller werdende Chor, der zu Beginn marionettenhaft das Volk verkörpert. In der Titelpartie ist der Tenor Attilio Glaser zu erleben, der sich dem Klagenfurter Publikum in der vergangenen Spielzeit mit Massenets Werther vorstellte. Er ist ein abwägender, nur wenig aufbegehrender Tito.

La Clemenza di Tito Stadttheater Klagenfurt

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Titus wirkt nach außen hin milde, doch in Wahrheit schreckt er vor nichts zurück

Vom Meuchelmörder zum gutmütigen Herrscher

Die Klagenfurter Inszenierung versucht anhand der Biografie des historischen Titus den Imagewechsel eines Politikers nach seiner Machtübernahme zu durchleuchten. Attilio Glaser sagt, sein Charakter sei ein Narzisst, der sich selbst erfolgreich davon überzeugt habe, ein guter Mensch zu sein, „obwohl er das absolute Gegenteil ist.“

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Auch wenn seine Auserwählte Servilia einen anderen liebt, vergibt ihr Kaiser Titus selbstlos

Vitellia, die Tochter seines Vorgängers strebt durch Heirat mit Titus an die Macht und stiftet nach enttäuschter Ablehnung einen Putschversuch an. Titus lässt Gnade walten.

Der Anführer beim politischen Umsturz, Sestus, wird verhaftet und trotz erdrückender Schuldbeweise begnadigt. Servilia, Titus’ auserwählte Braut, brüskiert den Kaiser, indem sie einen anderen erwählt. Auch ihr wird mit selbstloser Milde vergeben.

La Clemenza di Tito Stadttheater Klagenfurt

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Kaiser Titus hat einen zwiespältigen Charakter.

Das Sängerensemble überzeugt durchgehend, allen voran in den Hosenrollen Anaik Morel als zwischen Freund und Geliebter hin- und hergerissener Sesto und Feride Büyükdenktas als sein Freund Annio. Sofia Soloviy gibt eine glaubwürdige Intrigantin Vitellia. Die Rezitative als wesentliche Elemente der musikalischen Gestaltung wurden vom ständig präsenten Hammerklavier (Tatiana Vassilieva) einfühlsam begleitet.

Spiel mit Gunst versetzt Viele in Angst und Schrecken

Steckt hinter so viel Güte etwa eine politische Marketingstrategie oder sogar hintergründiger Terror? Für Regisseur Marco Štorman ist dies auch eine Form der Unterdrückung: „Es ist auch eine Form von Angstsystem, wenn mit Gunst gespielt wird. Wenn Gunst erkauft wird dann ist permanent im Raum, dass diese Gunst wieder entzogen werden kann.“

Publikum bei Premiere ambivalent

Visuell wird auch das Innenleben des Herrschers erfahrbar. Immer wieder tauchen Leichen auf, die Titus zu verantworten hat. Es ist die Szenerie eines Doppelbödigen, dessen dunkle Seite durch eine Spukgestalt dargestellt wird. Das Portrait eines Mannes zwischen glänzender Fassade und Verdrängung seiner finsteren Vergangenheit.

Vorstellungen bis 19. Dezember

Weitere Aufführungen am 15., 17., 21., 23. und 28. November sowie am 1., 7., 9., 15. und 19. Dezember. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr bzw. am 9. Dezember um 15.00 Uhr.

Mit einem furiosen Finale, in dem der Chor verteilt im Zuschauerraum singt und Titos Scheinheiligkeit durch einen Heiligenschein in Monstranzform illustriert wird, endet nach knapp zweieinhalb Stunden eine musikalisch beeindruckende, szenisch teilweise verwirrende Opernproduktion. Vom Publikum kamen bei der Premiere höflicher Applaus und vereinzelte Buhrufe für den Regisseur.

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