Wie im 18. Jahrhundert geforscht wurde

Die Kärntner Wissenschaftshistorikerin Marianne Klemun geht der Frage nach, was die Wissenschaftler des 18. Jahrhunderts über Botanik und Geologie gewusst und wie sie geforscht haben. Ein Kärntner Botaniker war Franz Xaver Wulfen, der Entdecker der Wulfenia.

Klemun ist Professorin an der Universität Wien und beschäftigt sich mit den geschichtlichen Hintergründen der Botanik und Geologie. Sie ist Konsulentin des Botanischen Gartens Klagenfurt, korrespondierendes Mitglied des Naturwissenschaftlichen Vereins von Kärnten und organisiert Ausstellungen. Die Botanik sei im 18. Jahrhundert weitaus etablierter gewesen, so Klemun. „Ich beschäftige mich auch mit den Zusammenhängen von Kultur und Landschaftswahrnehmung und den Einfluss der Wissenschaften auf diese Wahrnehmung.“

Botanik damals so wichtig wie heute Informatik

Die Botanik war im 18. Jahrhundert sogar eine Leitwissenschaft, wie heute Informatik und Biochemie. Die Geologie steckte hingegen noch in den Kinderschuhen. Von den Bergen wusste man wissenschaftlich nicht viel, nicht einmal wie hoch sie waren. Die Bergnamen wurden aus bestimmten Wahrnehmungen vergeben, wie zum Beispiel der Mittagskogel: „Man nennt ihn so, weil, wenn man von einer bestimmten Seite auf den Berg schaut, dort die Sonne steht. Man benannte ihn also nach dem Sonnenlauf.“

Schwenden Wulfenia

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Die Wulfenia wurde von Franz Xaver Wulfen entdeckt

Im 18. Jahrhundert war das Bergsteigen nicht üblich. Über das Warum gibt es heute immer wieder heftige Diskussionen: „Es wird immer wieder darüber geredet, dass die Leute auf dem Land so blöd waren und nicht auf die Berge gestiegen sind. Warum hätten sie das aber tun sollen? Auf den Gletschern war nichts zu holen, und auf den Almen waren sie ohnehin.“ Das sei also eine falsche Erklärung der Umstände, so die Historikerin.

Es ging auch um Stolz und Anerkennung

Die Wissenschaftler, vor allem Botaniker und Mineralogen, drangen im 18. Jahrhundert als erstes in entlegene Bergregionen vor und forschen dort. Sie seien in Zonen gegangen, die gefährlich oder nicht in die Kultur einbezogen waren. Sie hätten das für ihre eigene Etablierung wichtig gefunden. Bereiche, die nicht definiert waren, konnten sie definieren, sagte Klemun.

Aus den Forschungen in den Bergen entstand im Bürgertum die Bergsteigerbewegung, aber erst später entwickelte sich das Bergsteigen und Klettern zu einer Massensportart. „Das Bergsteigen selber gibt es im 18. Jahrhundert gar nicht, es ist kein Thema, dass es dem Körper gut tut. Das ist ein modernes Thema.“ Früher habe es ganz andere Werte gegeben, die entscheiden, was Menschen tun, sehen, wahrnehmen und wissen. „Das wissenschaftliche Wissen fließt natürlich immer mehr in die Wahrnehmung mit ein.“

Jeder konnte nach bestimmten Regeln forschen

In der Botanik gab es mit dem Schweden Carl von Linne im 18. Jahrhundert eine zentrale Person, die die Begriffe und Regeln festlegte, um wissenschaftlich arbeiten zu können: „Damit gibt es die Möglichkeit, dass jeder, egal wo er lebt, auch in der Provinz, sein Wissen in dieses System einbringen kann, wenn er sich an die Regeln, Termini und Beschreibungsregeln hält.“

An diese Regeln musste sich auch der im 18. Jahrhundert in Klagenfurt lebende Botaniker Franz Xaver Wulfen halten. „Er ist ein Ex-Jesuit, sehr arm, kriegt eine ganz kleine Pension, er schult sich selbst an Linne und kann die Pflanzen dann beschreiben.“ Das Zentrum dieses Wissenschaften war Wien, so Klemun. Nikolaus Jacquin war Professor für Botanik und Chemie, er hat Sammelwerke geschrieben und gerne die Arbeit eines Franz Xaver Wulfen aus der Provinz in seine Arbeiten eingespeist.

Expeditionen wurden modern

Wulfen arbeitete sehr viel. Er beschrieb Pflanzen und Mineralien neu, doch es fiel ihm schwer, seine Forschungsergebnisse zu veröffentlichen: „Er hat auch viele junge Leute motiviert, er war ja Seelsorger. Er hat von seinen Schülern erwartet, dass die das machen. Er war nicht so geschickt.“ So blieb vieles von seinem Wissen über Flechten und Pflanzen unpubliziert. Botanische Forschungsreisen, wie sie Wulfen mit seinen Schülern machte, arteten im 18. Jahrhundert zu Expeditionen aus: „Daraus entwächst diese Erstbesteigung des Großglockners, die durch diese Gruppen angeregt wurde.“

Diese Expeditionen wurden ohne Schutzkleidung durchgeführt, es hat keine Kleidung dafür gegeben. Man reiste mit Perücke und ungeeignetem Schuhwerk. Da hätte man sich laut der Forscherin etwas von den Bauern und deren festen Schuhen abschauen können. Wenn man Pflanzen in der Natur erforschte, nahm man, um sie zu bestimmen, Bücher von Linne mit. Man hatte Botanisiertrommeln, Blechgefäße, in denen Pflanzen transportiert wurden.

Forschungen im Gelände wurden im 18. Jahrhundert nie ohne lokalen Führer gemacht. Die Botaniker befragten die Einheimischen auch über Pflanzen. Laut Klemun ist es heutzutage so, dass man dem wissenschaftlichen Wissen mehr Bedeutung zugestehe als dem lokalen Wissen, dem praktischen Wissen. Erst jetzt beginne man, das zu erforschen. Es sei auch schwerer greifbar.

Wulfen über Jaquin verärgert

Die Botaniker gaben nicht gerne zu, dass sie Wissen von Außen bekamen, denn ein Teil des Lohnes war die Würde und Anerkennung, die sie von der Gesellschaft erhielten. Für Wulfen war das nicht so wichtig. Nach ihm ist zwar die bekannte Pflanze Wulfenia benannt, doch darüber sei er nicht so glücklich gewesen. Er habe die Pflanze gefunden, nach Wien geschickt, und Jaquin war einerseits dankbar, sei aber zu schnell vorgegangen. Wulfen sei verärgert gewesen und hätte den Fund gerne noch in Briefen länger diskutiert. Die Beziehung zwischen Wulfen und Jaquin sei daher abgebrochen.

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