Cyber-Polizist warnt vor allzu vernetzter Welt

Der Cyber-Kriminalist und Buchautor Cem Karakaya war für einen Vortrag über Internetsicherheit in Klagenfurt. Sein Fazit: Wenn man wirklich sicher kommunizieren will, sollte man sich eine Brieftaube besorgen. Er hat aber auch praktische Tipps für Sicherheit im Netz.

Cem Karakaya ist Internetpolizist und hielt in Klagenfurt einen Gastvortrag. Mit dabei hatte er sein Buch „Die Cyber Profis“, in dem er zusammen mit der Journalistin Tina Groll viele Erfahrungen aus seiner Ermittlertätigkeit aufgeschrieben hat. Karakaya hat türkische Wurzeln, wurde Polizist und studierte an der Polizeiakademie in Ankara. Später war er für Interpol tätig und wechselte in den Bereich Neue Medien und Internetkriminalität, heute ist er bei der Polizei München Experte für Cybercrime und Prävention.

Wanna Cry legte Krankenhäuser lahm

Im Lauf seiner Tätigkeit gab es einige brenzlige Situationen. Er wurde zweimal angeschossen, einmal von einem Auto überfahren. Angst hatte er dabei nie, sagte er im Gespräch mit Marco Ventre, aber vor der Digitalisierung habe er Angst, weil Hacker von außen in intime Bereiche in Sekundenschnelle vordringen und Menschen auch in Lebensgefahr bringen können: „Das haben wir live erlebt mit Wanna Cry, als in Krankenhäusern in England Operationen verschoben werden mussten. Stellen sie sich vor, man ist krank und muss unbedingt operiert werden. Geht aber nicht, weil das Krankenhaus immer noch XP-Systeme benutzt.“ (Wanna Cry ist ein Trojanerprogramm, der 2017 weltweit Computer befallen hatte und erst gegen Zahlung von Lösegeld wieder Daten freigab, Anm.)

Cem Karakaya Cyber Profis

Ariston Verlag

256 Seiten, ISBN: 978-3-424-20183-3 Verlag: Ariston

„Muss man alles digitalisieren?“

Er habe nichts gegen Digitalisierung, aber er frage sich, ob man alles digitalisieren müsse, so Karakaya. Selbst Einbrüche in Wohnungen und Häuser könnten künftig überflüssig werden, so der Internetspezialist. Kriminelle benötigen dafür nur mehr einen Klick auf der Tastatur: „Wir haben schon erlebt, dass Smarthomesysteme gehackt worden sind. Das Problem ist die Produktion, es wird nicht daran gedacht, wie man das sicher macht. Das kommt erst dann später, wenn die Kunden es benutzt haben.“ Aber wenn auch nur die kleinste Möglichkeit bestehe, dass jemand das System gehackt habe, Türen entsperren und Heizungen manipulieren könne, das mache ihm Angst.

Cem Karakaya warnt auch vor Internetbestellungen. Man müsse dabei ja seine sämtlichen Daten Preisgeben. Ein leichtes Spiel für Kriminelle, so der Polizist: „Heute heißt das, jedem fünften Deutschen ist schon die Identität gestohlen worden. Aus den sozialen Netzwerken kann man Geburtsdaten und Anschrift herauskriegen. Damit kann man Fakeshopseiten eröffnen oder Kinderpornoseiten anlegen. Und dann kommt die Polizei nicht zum Verbrecher nach Hause, sondern zu dem, dessen Identität gestohlen wurde.“ Der muss dann beweisen, dass er nichts gemacht habe.

Vier Regeln für die Sicherheit im Netz

Um das zu vermeiden gibt es vier Grundregeln, so Cem Karakaya: Erstens gebe es 70 Prozent Sicherheit, wenn man die Soft- und Hardware so schnell wie möglich aktualisiere. Denn wer habe wirklich schon einmal seinen W-Lan Drucker aktualisiert? Da könnte man von außen ins Homenetzwerk eindringen. Zweitens solle man mit seinen Daten sparsam umgehen. Wenn man eine Kinokarte online kaufe, wollen die wissen, wie man heiße und wo man wohne. Wenn man falsche Daten eingebe, bekomme man die Karte trotzdem. Man müsse also nicht immer alles preisgeben.

Drittens sollte man gute Antivirenprogramme verwenden und auch für den Service etwas zu zahlen bereit sein. Viertens solle man versuchen, überall verschiedene und gute Passwörter zu verwenden. Wenn man all das beachte und sich dann auch noch über Identitätsdiebstähle und Social Engineering (soziale Manipulation, Vertrauen erschleichen; Anm.) informiere, sollte man zu 98 Prozent sicher sein, so der Profi. Die restlichen zwei Prozent bleiben an Risiko, denn jeden Tag erscheinen rund 300.000 neue Viren und Trojaner, so Karakaya.

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Pixabay

Die Vernetzung hat ihren Preis

Hack oft unerkannt

Es kann aber auch sein, dass man schon längst von Kriminellen gehackt wurde. Während man einen klassischen Einbruch relativ gut erkennt, nimmt man einen Hacker-Angriff nicht immer gleich wahr: „Ein Zeichen kann sein, wenn der Computer ständig langsamer wird, wenn automatisch komische Internetseiten erscheinen. Das System könnte dann verseucht sein.“ Dann sollte man schnellstmöglich den Computer mit einem Virsenscanner absuchen. Denn eines ist klar, so Karakaya. Die Kriminellen wollen einen hier nicht nur ärgern. Früher wollten sie nur beweisen, dass sie es können. Heute wolle man Geld damit machen.

Neueste Erpressungswelle ist ein Bluff

Aktuell gibt es gerade wieder eine Welle von Angriffen: „Die schicken Erpressungs-Mails und sagen, man war auf unserer Pornoseite, wir haben sie aufgenommen. Wie peinlich ist das denn, schicken sie uns 3.000 Euro, sonst schicken wir das Video an alle Bekannten, denn wir haben alle E-Mail-Kontakte kopiert.“ Viele Betroffene wollen natürlich nicht, dass so etwas an Bekannte und Freunde geschickt wird und bezahlen mehrere Tausend Euro Schweigegeld. Doch die Polizei warnt vor solchen Zahlungen, sonst motiviert man diese Täter noch. Man müsse eine Anzeige machen und das Schamgefühl überwinden.

Oftmals bluffen die Erpresser nur und das Opfer war eigentlich nie auf solchen einschlägigen Seiten. Das gelte für diese neueren Fälle, so Karakaya, die seien so ein Bluff. Computerprogramme verschicken automatisiert die Erpressungsmails und warten, wie viele Leute zahlen. „Aber wir haben auch Fälle, wo die tatsächlich aufgenommen wurden. In so einem Fall schicken sie sogar das Video als Anhang. Dann ist das richtige Erpressung.“

Pornos im Drogeriemarkt

ORF

Jugendschutz gibt es nicht im Internet, außer man sperrt gewisse Seiten

Auch Mikrophon gibt Geheimnisse preis

Es gibt viele, die ihre Kamera am PC bzw. Laptop abklebe, um nicht aufgenommen werden zu können. Doch es gebe es ja noch das Mikrophon am PC und das bringe oft mehr, als die Kamera. Aber nicht nur der private Nutzer ist gefährdet. Vor allem große Firmen müssen täglich unzählige Angriffe abwehren. 104 Milliarden Euro habe Deutschland in den letzten zwei Jahren wegen Cybercrime und Wirtschaftsspionage verloren, sagt der Experte.

Cem Karakaya warnt aber nicht nur andere vor den Gefahren im Netz. Er geht zuhause mit gutem Beispiel voran. Er sagt, gebt den Kindern keine Handys und lasst sie nicht ins Internet. Die Wissenschaft sagt laut Karakaya, dass ein Kind erst ab 16 Jahren zu hundert Prozent zwischen Realität und virtueller Welt unterscheiden könne. Früher sei das medizinisch gesehen nicht möglich. Als man sich früher Videokassetten in Videotheken ausgeborgt habe, sei man in den Erwachsenenbereich nicht hinein gekommen.

Smartphones sind nicht nur Telefone

Heute müssen die Kinder nur in der Suchmaschine das Wort „Porno“ eingeben und bekommen ungefiltert alles, was das Netz zu bieten hat: „Das Smartphone ist kein Handy, das hat zwei Mikrochips, acht Controller, das könne sogar auslesen, wie man das Smartphone in der Hand halte und ein Profil erstellen. Es hat ein Betriebssystem, es ist ein Computer. Ich gebe meiner achtjährigen Tochter auch nicht den Autoschlüssel und sage, fahr du mal heute.“ Die muss zuerst in die Fahrschule und die Prüfungen machen. Aber diese künstliche Intelligenz dürfe jeder benutzen und da „habe ich was dagegen“.

Guthabenkreditkarte und Postfach

Karakaya fordert daher, dass es strengere Regeln gibt: „Vor drei Monaten kam heraus, dass Facebood Daten missbraucht hat. Ich weiß nicht, was noch passieren muss, die Menschen benutzen es weiterhin. In Bayern wollten wir das Gesetz ein bisschen erweitern, da waren 30.000 Menschen am Marienplatz, um zu demonstrieren. Das finde ich albern und lustig.“ (Dabei ging es um das Polizeiaufgabengesetz; Anm.). Dennoch will Karakaya niemandem den Spaß und die Vorteile des Internets nehmen. Wer weiterhin bequem im Internet einkaufen will, soll es auch tun.

Er hat eine Empfehlung, wie garantiert nichts passieren kann: „Ich habe bei Interneteinkäufen eine Grenze von 500 Euro. Da habe ich ein Unterkonto eingerichtet mit einem Guthaben. Dafür habe ich eine Guthabenkreditkarte, bei der ich keine Daten hinterlegen muss. Damit bezahle ich.“ Er habe außerdem ein Postfach und gebe seine Adresse nicht bekannt. Dafür muss er seine Pakete halt selbst abholen.

Technik behindert Ermittlungen

Manchmal kann die Technik auch zum Mittäter werden, erzählte der Polizist aus dem Ermittlungsalltag: „Wir haben einen Mordfall gehabt, die Leiche war im Wohnzimmer, die Tatwaffe daneben und überall waren Blutspuren. Als ob der Täter die Leiche herumgetragen und wieder an denselben Platz gelegt hätte. Was ist passiert? Während die Kollegen noch die Spuren sichern, öffnet sich eine Klappe und ein smarten Staubsauger kommt heraus. Der war programmiert, zweimal pro Tag die Wohnung sauber zu machen und hat das ganze Blut verteilt. Die Heizung war auch programmiert und wir hatten nicht die einfache Möglichkeit, die Temperatur der Leiche zu messen.“

Es muss aber nicht immer eine Leiche sein. Wer sein Haus voll digitalisiert hat, läuft auch Gefahr, sehr intime Details in falsche Hände zu spielen: „Jedes Gerät, das mit dem Netz eine Verbindung hat, kann auch angegriffen werden. Google hat eine Firma für smarte Rauchmelder gekauft, die können sogar die Luftfeuchtigkeit messen. Wenn im Schlafzimmer die Luftfeuchtigkeit plötzlich steigt, weiß man genau, was gemacht wird, ob jemand allein ist oder zu zweit.“